"Völkermord droht"

UN-Vizebotschafter: “Gadafi hat den Verstand verloren”

Ausland
17.03.2011 05:22
Nach wochenlangen Verhandlungen soll im UN-Sicherheitsrat am Donnerstag die Entscheidung über eine Flugverbotszone in Libyen fallen. Vor allem die Franzosen drängen auf eine Abstimmung, um Machthaber Muammar al-Gadafi seine wichtigste Waffe im Kampf gegen die Rebellen zu nehmen. Der Ausgang ist aber völlig offen. Indes erklärte Libyens UN-Vizebotschafter Ibrahim Dabbashi (Bild li.), ohne ein sofortiges Flugverbot drohe ein Völkermord, denn Gadafi, der sich siegessicher gibt, habe "den Verstand verloren".

"Gadafi greift mit Kampfflugzeugen Zivilisten in dichtbewohnten Städten an. Er hat den Verstand verloren. Wenn die Weltgemeinschaft nicht sofort handelt, dann wird es einen furchtbaren Völkermord geben", sagte Dabbashi in New York. Der Vizebotschafter hatte sich vor einem Monat von Gadafi losgesagt.

Libanon brachte Resolutionsentwurf ein
Trotz sechsstündiger Beratung hinter verschlossenen Türen hatte sich das mächtigste UN-Gremium am Mittwoch noch nicht auf ein Flugverbot und weitere Sanktionen einigen können. Eine entsprechende Resolution wurde zwar diskutiert, auf ein gemeinsames Papier konnten sich die 15 Mitglieder aber nicht verständigen. Allerdings gibt es einen vom Libanon im Namen der Arabischen Liga eingebrachten und von Großbritannien und Frankreich unterstützten Resolutionsentwurf. Das Papier fordert "die Einrichtung einer Zone, in der zum Schutze der Zivilisten alle Flüge unterbunden werden".

Der Sicherheitsrat war den Text am Mittwoch Absatz für Absatz durchgegangen, ein gemeinsamer Entwurf konnte aber nicht gefunden werden. Dennoch haben die Franzosen angekündigt, am Donnerstag ein abstimmungsreifes Papier vorzulegen. Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, wollte sich nach der Sitzung nicht festlegen. "Wir wollen ein breites Maßnahmenpaket, um die Zivilisten zu schützen, Gadafis Morden zu stoppen und dem libyschen Volk zu ermöglichen, seine Zukunft selbst zu entscheiden." Nach wie vor gibt es bei einigen Ländern Bedenken gegen ein Flugverbot, andere scheinen von ihrer früheren Zustimmung abzurücken. Auch Deutschland geht zunehmend auf Distanz.

Gadafi: "Komplott gegen libysches Volk"
Indes sagte Gadafi der französischen Zeitung "Le Figaro" über die Aufständischen, die er erneut als Agenten des Terrornetzwerkes Al-Kaida bezeichnete: "Das sind nicht die Leute, mit denen man einen Dialog in Betracht ziehen kann." Die Rebellion nannte er "ein Komplott gegen das libysche Volk". "Meine Sorge ist es, die Bevölkerung von den bewaffneten Banden, die Bengasi besetzen, zu befreien." Es sei sehr gut möglich, dass diese Rebellen Zivilisten töteten und dies dann der libyschen Armee anhängen wollten.

Gadafi leugnete, dass es überhaupt eine Opposition gebe. Alle Demonstrationen, die augenblicklich zu sehen seien, seien von den Massen organisiert, die ihn unterstützten, sagte der Machthaber. Mit dem Einsatz von Gewalt würden seine Truppen nur einen Tag brauchen, um die Kontrolle über das Land wiederzuerlangen. Jedoch wollten sie unter Einsatz unterschiedlicher Mittel die "bewaffneten Banden schrittweise zerschlagen".

Die libysche Armee hat den Bewohnern Bengasis ein Ultimatum zum Verlassen der Rebellenhochburg gesetzt. Die Einwohner sollten sich ab Mitternacht (Ortszeit) aus Gegenden halten, in denen sich Bewaffnete aufhielten und Waffen gelagert seien, meldete am Mittwoch der Fernsehsender Al-Libya. Die Armee sei auf dem Weg, die Stadt im Osten des Landes von "bewaffneten Banden" zu säubern. Außerdem hat Gadafi für Donnerstag die "entscheidende Schlacht" um die von den Rebellen gehaltene Stadt Misrata angekündigt.

Rebellen sehen Armee-Offensive im Stocken
Die Rebellen wiederum verkündeten, die Offensive der Gadafi-Truppen gegen die Aufständischen, die die östliche Landeshälfte beherrschen, gerate ins Stocken. Der frühere Innenminister Abdel Fattah Younes, der sich den Rebellen angeschlossen hat, sagte im Nachrichtensender Al-Arabija, die "Revolutionäre" hätten in Ajdabija am Vortag Dutzende Soldaten getötet und Dutzende weitere gefangen genommen.

Die strategisch wichtige Stadt 160 Kilometer südlich von Bengasi lag am Mittwoch unter Geschützfeuer. Nach Rebellenangaben wurde außerdem die westliche Stadt Misrata von drei Seiten mit Panzern und Artillerie beschossen - den Regimetruppen sei es aber bisher nicht gelungen, in die Stadt einzudringen. In der belagerten Stadt 210 Kilometer östlich von Tripolis seien inzwischen Wasser und Strom ausgefallen, berichteten Bewohner.

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