Deutliche Worte

EU fordert von Gadafi sofortigen Rücktritt

Ausland
09.03.2011 21:45
Auf ihrem Sondergipfel am Freitag wird die EU deutliche Worte finden: Libyens Diktator Muammar al-Gadafi (Bild links) soll zurücktreten. So steht es im Entwurf der Abschlusserklärung. Diese klare Aufforderung dürfte für Debatten sorgen. Gadafi selbst startete unterdessen eine diplomatische Offensive und schickte Emissäre nach Kairo und Lissabon.

Europa erhöht also den diplomatischen Druck. "Oberst Gadafi muss seine Macht sofort aufgeben", heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorlag. Nach Ansicht von Diplomaten dürfte es bei dem Treffen heftige Debatten um diese klare Aufforderung geben. Es ist äußerst selten, dass die 27 EU-Staaten einen Machthaber zum Rücktritt drängen. Während der jüngsten Unruhen in Tunesien und Ägypten hatte die EU beispielsweise nicht den Abgang der Präsidenten, sondern nur den Übergang zur Demokratie verlangt.

Die EU-Mitgliedsstaaten hatten lange um eine einheitliche Position gegenüber Libyen gerungen. Insbesondere Italien sieht Libyen als wichtigen Handelspartner und hatte das Gadafi-Regime noch geraume Zeit verteidigt.

EU würde geordneten Wandel unterstützen
Nach dem Abgang des Diktators sollte Libyen nach Ansicht der EU-Chefs "mit einem breiten Dialog schnell einen geordneten Übergang zur Demokratie einleiten". Für diesen Fall verspricht die EU dem Land ihre Unterstützung. "Die EU steht bereit, Kontakt zu den neuen libyschen Behörden aufzunehmen, um Libyen beim Aufbau eines Rechtsstaates zu helfen", heißt es in dem Papier. Auch wirtschaftliche Hilfe stellen die Chefs in Aussicht. Der Entwurf wurde von der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton (Bild rechts) vorbereitet.

Die Gipfel-Abschlusserklärung nennt keine Maßnahmen, die die EU ergreifen würde, falls Gadafi die Aufforderung ignoriert. Die EU hat - nach den USA und den UN - bereits Sanktionen wie Waffenembargo, Einreiseverbote und Kontensperrung gegen den Gadafi-Clan verhängt, weitere Maßnahmen sollen am Freitag in Kraft treten.

Hilfe für Staaten, die unter Flüchtlingsströmen leiden
Angesichts des Flüchtlingsstroms aus Libyen wollen die Staats- und Regierungschefs den "am stärksten betroffenen" EU-Staaten "konkrete Solidarität" zusagen. Italien, wo die meisten Flüchtlinge aus Nordafrika landen, hatte der EU bislang Untätigkeit vorgeworfen. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, mehr technische Hilfe und Experten für die EU-Grenzschutz-Truppe bereitzustellen, die derzeit in Italien und im Mittelmeer im Einsatz ist.

Mit Blick auf die Zukunft will die EU ihre Partnerschaft mit den nordafrikanischen Staaten vertiefen und engere wirtschaftliche und politische Verbindungen schaffen. Zudem erwägt die EU die Wiederbelebung der gescheiterten Mittelmeerunion - dafür hat sich insbesondere Frankreich starkgemacht. "Als Lektion aus den jüngsten Ereignissen steht die Europäische Union bereit, die Aufgaben der Mittelmeerunion nochmal zu durchdenken", steht in dem Entwurf der Abschlusserklärung, "mit dem Ziel, Demokratie und Stabilität in der Region zu stärken."

Das 2008 auf Initiative des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy gegründete Forum hätte die Zusammenarbeit der Mittelmeer-Anrainer fördern sollen. Die Mittelmeerunion war aber bald in institutionelle Starre verfallen, geplante Gipfeltreffen wurden abgesagt.

Gadafi startet diplomatische Offensive
Ungeachtet anhaltender Angriffe gegen die Aufständischen in Libyen startete Gadafi am Mittwoch eine diplomatische Offensive. Er entsandte einen Vertreter nach Kairo und einen weiteren nach Lissabon. Am Nachmittag landete der libysche General Abdelrahman al-Sawi mit einem Privatflugzeug Gadafis in der ägyptischen Hauptstadt Kairo, wie ein Flughafenbeamter mitteilte. Italiens Außenminister Franco Frattini zufolge war Ziel der Mission, der Arabischen Liga eine Nachricht von Gadafi zu überbringen. Die Organisation arabischer Staaten will am Wochenende in Kairo über eine Flugverbotszone über Libyen beraten.

Ein weiterer Vertreter Gadafis reiste in die portugiesische Hauptstadt Lissabon. Portugals Außenminister Luis Amando willigte nach Abstimmung mit EU-Außenministerin Catherine Ashton ein, ihn zu empfangen. Portugal hat derzeit den Vorsitz über den UN-Ausschuss inne, der die Libyen-Sanktionen überwacht. Laut Frattini waren weitere Gadafi-Gesandte auf dem Weg nach Brüssel.

Bislang mindestens 400 Tote im Osten Libyens
Im Osten Libyens ließ Gadafis Luftwaffe laut Opposition unterdessen Ölanlagen in der Stadt Ras Lanuf bombardieren. Seit dem Beginn der Unruhen in Libyen sind nach Angaben von Ärzten allein im Osten des Landes zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. In Derna, Al-Baida, Brega, Bengasi, Ras Lanuf und Ben Jawad gebe es bisher 400 Tote, sagte Salah Jabar, der die medizinische Versorgung im Osten des Landes koordiniert, am Mittwoch vor Journalisten. Dies gehe aus einer Zählung der Opfer in den verschiedenen Krankenhäusern hervor, ergänzte sein Kollege Jibril Huwaidi. Demnach war eine Frau unter den Toten.

Die libysche Menschenrechtsliga hatte Anfang März erklärt, dass im gesamten Land seit Beginn der Unruhen mehr als 6.000 Menschen ums Leben gekommen seien. Diese Zahl wurde von einheimischen Medizinern aber als zu hoch eingestuft. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sprach Ende Februar von landesweit rund 1.000 Toten. Den Osten Libyens haben die Aufständischen unter Kontrolle. Aus Ben Jawad hatten sie sich nach Kämpfen mit Getreuen von Machthaber Muammar al-Gadafi zurückziehen müssen.

Gadafi-Villa in London besetzt
Ebenfalls am Mittwoch besetzten Anti-Gadafi-Demonstranten in London das Luxus-Anwesen von Gadafi-Sohn Saif al-Islam. Die Aktivisten der Gruppe "Topple The Tyrants" (Stürzt die Tyrannen) forderten, das mehrere Millionen Pfund teure Haus im noblen Stadtteil Hampstead an das libysche Volk zurückzugeben, teilte die Polizei in London mit.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele