"Unterm Hakenkreuz"
SK Rapid arbeitet dunkles Kapitel der Geschichte auf
So recht dürften ihn die jüngsten Darbietungen der aktuellen Kampfmannschaft des SK Rapid nicht vom Hocker gehaut haben. Denn als Ferdinand Muschik, heute 96-jähriger Zeitzeuge und x-facher Leichtathletik-Staatsmeister in Diensten Rapids, bei der Buchpräsentation von Moderator Andy Marek gefragt wurde, ob er ihn zum nächsten Heimspiel ins Hanappi-Stadion einladen dürfe, musste Muschik erst einmal gründlich überlegen. "Ich bin ja eher an Leichtathletik interessiert", erklärte er dann zögerlich. Letztlich ließ sich der rüstige 96-Jährige dann aber doch erweichen und sicherte sein Kommen zu.
Der eigentliche Grund seiner Anwesenheit im DöW war freilich ein anderer: Muschik plauderte über seine Erfahrungen bei Rapid in der NS-Zeit. "Ich bin 1932 zu Rapid gekommen und habe viele Titel gewonnen. Als Hitler kam, wurden viele Vereine wie etwa Hakoah aufgelöst - ich habe bei Rapid aber trotzdem weitertrainiert und Titel gesammelt", erklärte er.
Vergangenheitsbewältigung auf 300 Seiten
Muschik ist einer der Protagonisten des brandneuen Buchs "Rapid unterm Hakenkreuz". Auf über 300 Seiten arbeiteten die Autoren Jakob Rosenberg und Georg Spitaler nach über einem Jahr Recherche die Vereinsgeschichte zwischen 1938 und 1945 auf – "mit unglaublicher Akribie", wie Präsident Rudolf Edlinger bei der offiziellen Präsentation wissen ließ. Weil sich Rapid gerne auf seine Tradition berufe und mit dem Gewinn der "Großdeutschen Fußballmeisterschaft" im Jahr 1941 einer der größten sportlichen Erfolge in die Nazi-Zeit fiel, sei es auch nötig, sich mit seiner Vergangenheit kritisch auseinanderzusetzen.
Gerade zum 110-jährigen Vereinsjubiläum im Jahr 2009 und dem Jubiläumsspiel gegen Schalke 04 seien diese Absichten wieder "akut" geworden. "Als Verein mit über einer Million Sympathisanten gehört auch durchleuchtet, unter welchen politischen Rahmenbedingungen zwischen 1938 und 1945 gespielt wurde", erklärte Edlinger, gleichzeitig Präsident des DöW.
Jüdische Spieler und Funktionäre
Die zentrale, vielleicht auch überraschendste Erkenntnis des Buches: Jüdische Spieler und Funktionäre haben im Verein in der Ersten Republik eine entscheidende Rolle gespielt. Noch in den 1920er-Jahren wurde etwa der Klub mit Leo Deutsch und Hans Fischer zeitweise von zwei Präsidenten geführt, die aus jüdischen Familien stammten. Zumindest zwei jüdische Rapidler wurden von den Nazis ermordet. Einer von ihnen: Wilhelm Goldschmidt, der für die Namensänderung von "1. Wiener Arbeiterverein" zu "Sportklub Rapid" verantwortlich zeichnete.
Ebenfalls beachtlich: Kein einziger der 40 damals überprüften Spieler war Mitglied der NSDAP. "Das war zum Beispiel bei Schalke 04 anders", berichtete Autor Georg Spitaler. Etwa die Hälfte der Funktionäre wurde hingegen sehr wohl NSDAP-Mitglied. "Viele haben sich dem System angepasst", so Spitaler.
"Wichtiges geschichtliches Buch"
Brigitte Bailer, wissenschaftliche Leiterin des DöW, würdigte das Werk als "wichtiges geschichtliches Buch". Jedes noch so kleine Puzzlestück sei ein wichtiger Erkenntnisgewinn für die Aufarbeitung der NS-Zeit. Präsident Edlinger: "Mit diesem Buch haben wir den Grauschleier der dunklen Jahre der Rapid-Geschichte von uns gezogen und sind fähig, alle Fragen zu beantworten. Darauf bin ich stolz."
Das Buch ist um 18,99 Euro im DöW bzw. im Rapid-Fanshop beim Hanappi-Stadion erhältlich.
von Michael Fally
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