Gefechte in Libyen

Arzt: “Ein echtes Massaker, die Lage ist katastrophal”

Ausland
05.03.2011 20:37
Am Samstag sind die blutigen Kämpfe zwischen Aufständischen und Regimetruppen um strategisch wichtige Städte in Libyen mit unverminderter Härte weitergegangen. Gadafis Einheiten marschierten mit Panzern und Artillerie erneut in Al-Sawijah, 50 Kilometer westlich von Tripolis, ein. Ein Arzt berichtete aus der Stadt, dass die Truppen Gadafis dort ein Blutbad angerichtet hätten: "Das ist ein echtes Massaker. Die Lage ist katastrophal."

Die Regimetruppen hätten viele Menschen getötet, sagte der Arzt in einem Telefonat. "Sie haben meine Tochter getötet", fügte er hinzu und brach in Tränen aus.

Zuvor hatten Augenzeugen berichtet, dass Gadafis Truppen mit Panzern in Sawijah eingerückt sind und das Feuer auf Häuser eröffnet haben. "Der Granatbeschuss hört gar nicht auf", sagte ein Bewohner der Stadt. Zuvor hatte es geheißen, die Stadt sei in der Hand der Rebellen, werde jedoch von Truppen Gadafis belagert.

Nationalrat fordert Flugverbotszone
Der von Aufständischen in Libyen gebildete Nationalrat hat am Samstag die internationale Gemeinschaft aufgefordert, eine Flugverbotszone über dem Land einzurichten. Staatschef Muammar al-Gadafi solle auf diese Weise daran gehindert werden, "sein eigenes Volk zu bombardieren", verlautete aus Kreisen der Aufständischen in der östlichen Metropole Bengasi. Ein Eingreifen ausländischer Truppen auf libyschem Boden werde hingegen strikt abgelehnt. Dem Nationalrat gehören 31 Komitees aus "befreiten" Städten an. Das Gremium tagte am Samstag erstmals an einem geheimen Ort in Bengasi.

Dutzende Tote bei Gefechten
Am Freitag waren bei Gefechten in Al-Sawijah nach Berichten des Senders Al-Jazeera mindestens 30 Personen ums Leben gekommen. Bei Explosionen in einem Munitionsdepot in der Aufständischen-Hochburg Bengasi im Osten Libyens kamen Berichten zufolge am Freitagabend mindestens 27 Menschen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt. Ob die Explosion durch einen Unfall, Sabotage oder einen Luftangriff ausgelöst wurde, ist bislang unklar. Niemand habe jedoch ein Flugzeug gesehen, sagte Mustafa Gheriani, ein Sprecher des Nationalrats. Krankenhausärzte sagten laut Al-Jazeera, Aufständische hätten die Explosionen ausgelöst, als sie Waffen aus dem Depot holen wollten. Andere machten hingegen Gadafis Truppen dafür verantwortlich.

Zusammenstöße in Tripolis
Am Freitag war es nach dem Mittagsgebet auch in der von Sicherheitskräften stark gesicherten Hauptstadt Tripolis zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des Staatschefs gekommen. Die Polizei ging nach Angaben von Augenzeugen mit Gummigeschoßen und Tränengas gegen die Demonstranten vor.

Wie ein Arzt in Bengasi sagte, hätten die Truppen Gadafis in Al-Brega auch Panzer und Hubschrauber eingesetzt. In der benachbarten Stadt Ajdabija hätten sie aus der Luft ein Munitionsdepot und einen Versammlungsort von Aufständischen bombardiert. 18 Menschen seien getötet worden.

Schwere Kämpfe wurden auch aus dem rund 660 Kilometer östlich von Tripolis gelegenen Ölhafen Ras Lanuf gemeldet. Krankenhausangaben vom Samstag zufolge wurden dabei mindestens acht Menschen getötet und mehr als zwanzig verwundet. Zur Lage in der heftig umkämpften Hafenstadt gab es unterschiedliche Angaben: Während Hunderte Rebellen in Ras Lanuf feierten, wies ein Mitglied der libyschen Führung Berichte über die Einnahme der Stadt durch Aufständische zurück.

Funktionäre und Polizei wenden sich von Gadafi ab
Während die Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gadafi mit Gewalt gegen die Aufständischen im Land vorgehen, wenden sich immer mehr Funktionäre von seinem Regime ab. Aus gut informierten Kreisen in der Hauptstadt Tripolis hieß es am Freitagabend, inzwischen hätten sich die Sicherheitschefs der Städte Misurata, Sebha, Ajdabiyah, Bengasi und Tripolis auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Auch mehrere hochrangige Offiziere des Militärgeheimdienstes, der Luftwaffe und diverser Polizei- Spezialeinheiten schlossen sich den Aufständischen an, die den Sturz von Gadafi fordern.

Fischer: "Wir können nicht wegschauen"
Unterdessen laufen in Tunesien die Hilfsmaßnahmen für Libyen-Flüchtlinge auf Hochtouren. Mehrere europäische Staaten haben Flugzeuge und Schiffe bereitgestellt, um geflohene Gastarbeiter in ihre Heimatländer zurückzubringen. Die österreichische Bundesregierung kündigte jüngst an, wegen der angespannten Flüchtlingssituation ein humanitäres Hilfspaket für Nordafrika zusammenzustellen.

Bundespräsident Heinz Fischer bekräftigte am Freitag in einer Aussendung, dass Österreich sein Bestes tue, um die libysche Bevölkerung bestmöglich zu unterstützen. "Das ist wirklich eine dramatische Entwicklung, dort ist ein Diktator an der Macht, der zum Äußersten entschlossen ist, auf seine Bevölkerung keine Rücksicht nimmt. Und wir können nicht wegschauen, weil das betrifft uns: nicht nur menschlich, sondern unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen Flüchtlingswelle, politisch und aus vielen anderen Gründen."

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