Gesetzesentwurf

Stöger katapultiert sich zwischen “Schweinefronten”

Österreich
04.03.2011 14:53
Mit einem Gesetzesentwurf zu neuen Vorschriften für Schweinezüchter hat sich Gesundheitsminister Alois Stöger am Freitag zwischen zwei hart kämpfende Fronten katapultiert. Stöger will die als Tierquälerei kritisierte Kastenstandhaltung weitestgehend abschaffen. Praktisch die gesamte ÖVP samt Wirtschaftskammer geißeln den Minister dafür, Tierschützer und Grüne empören sich wiederum über die neunjährige Übergangsfrist, die Stöger - wohl als Kompromissangebot an die Züchter - vorgesehen hat.

"In der Schweinehaltung werden derzeit sogenannte Kastenstände in großem Umfang eingesetzt. Dabei werden die Tiere fast ohne eigenen Bewegungsfreiraum fixiert. Diese Tierhaltung ist nicht tiergerecht und muss daher im Sinne des Tierschutzes geändert werden", so Stöger Freitagvormittag in einer Aussendung des Gesundheitsministeriums, das auch die Tierschutzagenden hält.

Auch die Volksanwaltschaft dränge auf eine grundlegende Änderung, da nach ihrer Meinung die derzeitige Regelung dem Bundestierschutzgesetz widerspreche, so Stöger.

Statt ganzes Jahr nur noch wenige Tage
Derzeit können Zuchtsäue in Österreich im Schnitt 140 bis zu 365 Tage im Jahr in den Kastenständen, in denen sie sich kaum bewegen können, gehalten werden. Nach dem neuen Entwurf, den der Minister während und nach der Begutachtungsphase mit NGOs, Experten und freilich auch dem Landwirtschaftsministerium besprechen möchte, sollen es nur noch wenige Tage sein, nämlich während der Deckzeit und in Ausnahmefällen in der Geburtsphase.

"Mit dieser neuen Regelung kann Österreich seine Vorreiterrolle im Tierschutz in Europa ausbauen", so Stöger, der sich bei dem Gesetz am Nachbarland Schweiz orientierte. In der Novelle sei außerdem eine Übergangsfrist bis 2020 vorgesehen, "damit die betroffenen Landwirte ihre Betriebe entsprechend adaptieren können".

Gegner verkünden die Schweine-Apokalypse
Statt breiter Zustimmung zu seinem von vornherein als Kompromiss angelegten Entwurf, wurde Stöger am Freitag von den jeweils entgegengesetztes Seiten praktisch nur abgewatscht. Bauernbundpräsident und ÖVP-Nationalratsabgeordneter Fritz Grillitsch kanzelte Stögers Novelle in einer Aussendung als unnötig bzw. als Angriff auf heimische Schweinezüchter ab. Die Bauern hätten seit 2005 200 Millionen Euro investiert, um "das Gros der Ställe sauen- und ferkelfreundlich" umzubauen, was allerdings die Frage aufwirft, wie unfreundlich die Ställe davor waren bzw. noch sind.

Grillitsch unterstellt Stöger, er wolle mit der Novelle kleine Züchter in den Ruin treiben und dadurch das Vorrücken von "Agroindustrie und Nahrungsmittelmultis, wo der Tierschutz mit Füßen getreten wird und Kinder- oder Sklavenarbeit auf der Tagesordnung stehen", begünstigen. Die Eigenversorgung mit Schweinefleisch könnte auf unter 60 Prozent sinken, prophezeit Grillitsch. Um den Tierschutz gehe es in der Novelle ja ohnehin nicht, glaubt Grillitsch, da die SPÖ "aus reiner Parteitaktik" die Bauern drangsalieren wolle.

Erdrückte Ferkel und "Transporte durch ganz Europa"
Der VP-Nationalratsabgeordnete Karl Donabauer verkündete, Stöger schaffe den sogenannten Ferkelschutzkorb ab, jenen vergitterten Teil des Kastenstandes, durch den die Jungtiere von der Sau getrennt, aber durch die Metallbarriere dennoch gesäugt werden können. Dadurch würden dann "viele frisch geborene Ferkel von der eigenen Muttersau erdrückt", prophezeit der Mandatar. Voraussetzung für so ein Ferkel-Massensterben wäre allerdings, dass die Betriebe ihre Schweine allesamt auf derart engem Raum halten wollen, dass die Säue am Ende erst recht nicht mehr Platz, als in den Kastenständen haben und dabei ihre ebenso zusammengepferchten Jungtiere erdrücken. Umgekehrt ergibt Donabauers Aussage das Argument, dass die mutmaßlich tierquälerischen Kastenstände im Grund eine (weitere) Tierquälerei verhindern sollen.

Das Trio der Gegner komplettiert die (Land-)Wirtschaftskammer, die ebenfalls mit einer Horrorvision aufwartet: "Bereits heute werden bis zu 200.000 Ferkel jährlich von deutschen und holländischen Produzenten in unseren Markt gedrückt. Das wird noch mehr werden. Ferkeltransporte durch ganz Europa sind die unvermeidliche Folge des politischen Profilierungsproblems des Gesundheitsministers", wetterte der Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Hermann Schultes, in einer Aussendung.

Grünen ist Übergangsphase zu lang, VGT forder Totalverbot
Den Tierschutz-Advokaten ist wiederum die neunjährige Übergangsfrist, die Stöger den Tierzüchtern anbietet, ein Dorn im Auge. Zwar wollen sich die Grünen den Entwurf grundsätzlich ansehen: "Die im Verordnungs-Entwurf vorgesehene Übergangsfrist bis 2020 ist die 9-jährige Prolongierung einer gesetzeswidrigen Tierquälerei, die wir keinesfalls akzeptieren werden", erklärte die Tierschutzsprecherin der Grünen, Christiane Brunner. Die Argumente der Gegner sind für Brunner lachhaft: "Das Einsperren der Mutterschweine in diese engen Eisenkäfige passiert unter dem Vorwand, dass das Muttertier die Ferkel sonst erdrücken würde." Die Sterblichkeitsrate der Ferkel könne jedoch genausogut durch strukturierte Buchten mit genug Platz für die Säue und Ferkel gesenkt werden, so die Tierschutzsprecherin.

Der "Verein gegen Tierfabriken" forderte hingegen ein vollständiges Verbot der Kastenstände, Stögers Entwurf sei gesetzeswidrig. "Denn im § 16 (2) unseres Tierschutzgesetzes steht klipp und klar, dass man Tieren soviel Platz anbieten muss, dass sie ihren physiologischen und ethologischen Bedürfnissen nachgehen können müssen. Das ist im Kastenstand niemals der Fall."

Auch Berlakovich gibt Kontra
Abgesehen von den Interessensvertretungen und der Opposition steht es aber auch um den innerkoalitionären Dialog über den Gesetzesentwurf nicht gut. Von seinem ÖVP-Counterpart, Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich, bekam Stöger am Freitag ein "inakzeptabel" zu hören. Das sei nämlich die Vorgangsweise, eine Novelle in Begutachtung zu schicken, ohne diese mit dem betroffenen Sektor abzuklären. "Ich kann nur abermals mit Nachdruck betonen: Mein Haus wird keinesfalls einer Regelung zustimmen, die ohne Einbindung der betroffenen Branche entstanden ist", unterstreicht der Landwirtschaftsminister. "Ich will verhindern, dass heimische Zuchtsauenbetriebe im harten, internationalen Wettbewerb gefährdet werden", so Berlakovich.

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