Ermittlungen laufen

Illegal Daten weiter gegeben? Skandal erschüttert Justiz

Wien
04.03.2011 14:27
Über die Schweiz ist diese Woche eines der bisher wohl umfassendsten Ermittlungsverfahren der neuen Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft bekannt geworden. Die Ermittlungen richten sich indirekt gegen ein Bonitätsdatenunternehmen mit Sitz in Zürich. Die Wiener Tochter des Schweizer Unternehmens soll von einer österreichischen Firma Daten bezogen haben, die diese illegal von Mitarbeitern der Justiz besorgt hat. Ins Rollen gebracht haben will die Causa der BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler. Er hatte nach einer Bonitätsverweigerung Anzeige erstattet.

Der Sprecher der Wiener Korruptionsstaatsanwalt, Martin Ulrich, bestätigte der Schweizer Zeitung "Tagesanzeiger" in einem Bericht vom Mittwoch die Ermittlungen gegen die Tochter der Schweizer Firma Deltavista. Das Unternehmen stand vor einigen Wochen bereits in den heimischen Schlagzeilen, weil sich in seiner Datenbank ein Eintrag über Natascha Kampusch fand (Bericht siehe Infobox).

In der Anzeige, die bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft erstattet wurde, heißt es, die österreichische Firma Kreditinform soll über Deltavista via Amtsmissbrauch erhaltene Daten von Zivilpersonen angeboten haben. Die "Betreibungs- und Pfändungsdaten" seien über Jahre hinweg unrechtmäßig beschafft worden. Laut "Tagesanzeiger" geht es um zwei Millionen Datensätze.

Verdacht gegen Justizmitarbeiter
Dem Sprecher der unter der aktuellen SPÖ-ÖVP-Koalition eingerichteten Spezialstaatsanwaltschaft zufolge wird laut dem Blatt gegen rund 40 Justizangestellte - dem Vernehmen nach Verwaltungsmitarbeiter, keine Richter, Staatsanwälte oder Ministeriumsangehörige - ermittelt und abgeklärt, ob diese für Abfragen aus den jeweiligen Behördenregistern Geld von Kreditinform erhalten haben. Ein Sprecher des Justizministeriums bezifferte die Zahl der Verdächtigen gegenüber Radio Ö1 mit 23, wobei ein Großteil davon bereits suspendiert sei. Im Fall von Deltavista wird jedenfalls überprüft, ob sich auch Mitarbeiter der illegalen Datenbeschaffung schuldig gemacht haben. Eine Hausdurchsuchung sowie eine Untersuchung der Datenbank wurde durchgeführt.

Deltavista weist sämtliche Vorwürfe zurück. Man sei in diesem Fall bloß Dienstleister und habe nur die Datenleitung zur Verfügung gestellt, allerdings die Kreditinform-Daten exklusiv vertrieben und für das österreichische Unternehmen auch Abrechnungen der Kunden erstellt. "Die Daten sind auf legalem Weg beschaffbar, beispielsweise bei Gläubigern. Es gab keinen Grund, dass Deltavista deren rechtmäßige Beschaffung infrage stellen musste", zitiert die Schweizer Zeitung den Deltavista-Gründer Thomas Stämpfli.

Parlamentarische Anfrage an Bandion-Ortner
Die Grünen haben bereits am 23. Februar eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zu der Causa eingebracht, wie deren Justizsprecher Albert Steinhauser am Freitag bekannt gab. Der Nationalratsabgeordnete wusste offenbar schon seit Längerem von dem Ermittlungsverfahren. Es habe "schon immer" Hinweise gegeben, das Exekutionsdaten an private Firmen weitergegeben wurden", so Steinhauser am Freitag.

Steinhauser fordert darüber hinaus, dass die Justizministerin prüft, ob es beispielsweise auch in anderen Bereichen wie dem Grundbuch oder Firmenbuch zu illegalen Datenweitergaben gekommen ist: "Jetzt ist ein offenes und professionelles Krisenmanagement gefordert, damit die Justiz nicht wie in ähnlichen Fällen durch eine misslungene Kommentierung der Justizministerin weiteren Schaden nimmt." Bandion-Ortner hat mit der Beantwortung bis 23. April Zeit.

Auch die FPÖ fordert "lückenlose Aufklärung. Parteichef Heinz-Christian Strache sieht in den Verdachtsfällen keinen Einzelfall mehr, sondern ein ganzes "System". Es sei eines Rechtsstaates nicht würdig, wenn die Justiz als "Auskunftsbüro für Krethi und Plethi" diene. Derzeit scheine die Justiz so löchrig zu sein wie ein Emmentaler, Bandion-Ortner müsse dringend für Ordnung sorgen. "Die Weitergabe von hochsensiblen Daten über Pfändungen bei Bürgern ist kein Kavaliersdelikt und muss streng geahndet werden."

BZÖ: Stadler hat Causa ins Rollen gebracht
Ins Rollen gebracht haben woll die Causa nach eigenen Angaben aber der BZÖ-Abgeordnete Ewald Stadler. Bei einem versuchten Handykauf mit seiner Familie war ihm die Bonität abgesprochen worden, worauf er der Sache auf den Grund zu gehen begann. "Alle meine Kinder und meine Frau konnten ein Handy anmelden, ich aber nicht", schilderte Stadler am Freitagmittag im Rahmen einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Als Grund für die nicht vorhandene Bonität Stadlers habe sich dann eine Exekutionsklage über 579 Euro infolge der früheren Diskussionen um die FP-Akademie herausgestellt.

Er habe anschließend "durch beharrliches Nachfragen bei den Firmen Deltavista und Kreditinform aufgrund des Datenschutzgesetzes herausgefunden, dass die Firma Deltavista die Daten von der Firma Kreditinform erhalten und Kreditinform ihre Informationen über ein anhängiges Exekutionsverfahren anonym zugeschickt bekommen hat". Daraufhin habe er im Mai 2010 eine Strafanzeige gegen den Inhaber der Firma Kreditinform sowie gegen unbekannt eingebracht.

Justizministerin Bandion-Ortner habe er in Ausschüssen, Parlamentsreden und schriftlich auf mögliche illegale Datenweitergabe im Justizapparat aufmerksam gemacht. "Mir war von Anfang an klar, dass mein Fall kein Einzelfall ist, sondern hier ein System dahinter steckt. Offenbar wurde Zehntausenden Bürgern von 2002 bis 2009 durch dieses illegale 'Datagate' in der Justiz - teilweise ungerechtfertigt - die Bonität abgesprochen. Die 23 verdächtigten Beamten sind sicher nicht das Ende der Fahnenstange. Offensichtlich wurden großflächig Informationen aus der Justiz abgesaugt. Wir wollen wissen, wer diesen Datentransfer angeordnet hat", betonte Stadler am Freitag.

Erste Reaktion der Justiz: Abfrage künftig nur mit Begründung
Als erste Reaktion auf den Skandal hat der Leiter der zuständigen Sektion im Justizministerium, Josef Bosina, gegenüber Ö1 angekündigt, dass Justizmitarbeiter bei Abfragen im Exekutionsregister künftig verpflichtend eine Begründung angeben müssen. Diese würden auch elektronisch dokumentiert. Gespeichert wurden die bisher grundlosen Abfragen übrigens bisher auch, aber offenbar nie auf merkwürdige Massenabfragen hin überprüft.

Nunmehr soll vor jeder Abfrage schriftlich eingegeben werden müssen, warum eine Abfrage stattfindet und für welches Verfahren sie verwendet wird. Die Namensabfragen seien außerdem eingeschränkt worden und würden stichprobenartig überprüft. Großflächiges "Absaugen" werde nicht mehr möglich sein, versprach am Freitag ein Sprecher des Justizministeriums.

Auskunftsdienste distanzieren sich von "schwarzen Schafen"
Die heimischen Wirtschaftsauskunftsdienste haben sich als Reaktion auf den Skandal von unseriösen Methoden distanziert. "Im Sinne des guten Rufs der Branche ist es uns allen ein Anliegen, dass der Sachverhalt einwandfrei aufgeklärt wird und die offenbar vorhandenen Schwarzen Schafe bald zur Verantwortung gezogen werden", betonten die Geschäftsführer von Creditreform, Dun & Bradstreet und KSV1870 am Freitag in einer gemeinsamen Aussendung. Die nun bekanntgewordenen Fälle würden allerdings darauf schließen lassen, "dass es in der Branche offenbar einzelne schwarze Schafe gibt, die gesetzliche Verpflichtungen ignorieren".

"Für die schon seit Jahrzehnten etablierten, seriösen Auskunfteien ist es selbstverständlich, dass nur Daten aus legalen Quellen verarbeitet werden", betonten die Geschäftsführer der drei Auskunfteien unisono. "Wir wissen genau, aus welchen Quellen unsere Daten oder die unserer Zulieferer stammen", so Rainer Kubicki (Creditreform), Dieter Bodingbauer (Dun & Bradstreet) und Johannes Nejedlik (KSV1870). Besonders wichtig sei, "dass nur legal beschaffte Daten gesammelt werden". Gleichzeitig bedauerte man die Fälle und, "dass diese Haltung nicht auf alle Anbieter von Bonitätsinformationen zutrifft".

Nur via Gericht und bei rechtlichem Interesse
Es sei in Österreich nur bei Nachweis eines rechtlichen Interesses gestattet, im Wege des Gerichts über Exekutionsdaten Auskunft zu erhalten, informierten die drei Unternehmen. Obwohl sowohl die Beschaffung ohne rechtliches Interesse als auch die kommerzielle Weitergabe derartiger Daten an Dritte unzulässig ist, scheinenen fanden. "Nicht nur die Beschaffung und Weitergabe dieser Daten dürfte illegal gewesen sein, auch ihre unbedingt erforderliche laufende Aktualisierung erscheint in hohem Maße fragwürdig."

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