Sensationelle Bilder

Wiener Forscher fotografieren “Bakterien-Waffe”

Wissenschaft
03.03.2011 12:05
Bakterien, die für Krankheiten wie Pest, Typhus, Cholera oder Salmonellosen verantwortlich sind, verwenden für die "Eroberung" einer Wirtszelle nadelartige Fortsätze. Wiener Forschern ist es jetzt gelungen, scharfe, dreidimensionale Bilder dieser "Bakterien-Waffe" aufzunehmen, in denen Einzelheiten fast auf atomarer Größenordnung erkennbar sind. Ihre Arbeit wurde nun im Magazin "Science" veröffentlicht.

Bakterien bauen beim Befall einer Körperzelle Hunderte hohlnadelartige Strukturen (Bild) auf, die aus der Bakterienhülle ragen. Mit diesen Nadeln dockt das Bakterium dann an die Wirtszelle an und injiziert spezielle Proteine, die die befallenen Zellen umprogrammieren und damit ihre Abwehr außer Gefecht setzen. Sobald dies passiert ist, können die Krankheitserreger in die Zelle eindringen.

Bilder in fast atomarer Auflösung
Der Wiener Biochemiker und Biophysiker Thomas Marlovits, der Forschungsgruppen am Institut für molekulare Pathologie (IMP) und am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften leitet, beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahren mit dem Infektionskomplex von Salmonellen. Wie deren Infektionsapparat aufgebaut wird, konnte er bereits 2006 klären.

Nun ist es ihm mit seinem Doktoranden Oliver Schraidt gelungen, die dreidimensionale Struktur in extrem hoher, bisher unerreichter Auflösung darzustellen. Die Wissenschaftler konnten Einzelheiten mit einer Größe von nur fünf bis sechs Angström sichtbar machen, wobei ein Angström ungefähr der Größe eines Atoms mit Elektronenhülle entspricht.

Die dabei entstandenen Bilder wirken auch auf Laien sensationell. Die in den Bakterien-Membranen verankerte Basis der Nadel-Komplexe erinnert an die Basen antiker Säulen oder an am Reißbrett entworfene, höchste Ingenieurskunst. Auch Marlovits konnte sich der Faszination dieser Bilder nicht entziehen: "Wenn man das das erste Mal sieht, läuft einem der kalte Schauer über den Rücken. Im ersten Moment glaubt man nicht, dass es solche ästhetischen Dinge auf diesem kleinsten Maßstab wirklich gibt", sagte der Wissenschaftler im Gespräch.

Eigens entwickelte Software notwendig
Notwendig war dafür der Einsatz von hochauflösender Kryo-Mikroskopie und eigens entwickelter Software. Bei dem Mikroskopie-Verfahren werden biologische Proben bei minus 196 Grad Celsius schockgefroren, wodurch sie weitgehend unverfälscht betrachtet werden können. Das Problem dabei ist allerdings der energiereiche Elektronenstrahl, der bei diesem Mikroskop die Probe "abtastet". Zoomt man sehr stark an das zu untersuchende Objekt heran, wird dieses schon mit dem ersten Bild zerstört.

Die Wiener Forscher lösten das Problem mithilfe einer eigens entwickelten Software und der Masse an Bildern. Sie analysierten rund 37.000 Aufnahmen von den Nadelkomplexen und generierten daraus ein einzelnes scharfes, dreidimensionales Bild. Die dafür notwendige Rechenleistung lieferten rund 500 zusammengeschaltete Computer.

Um so viele Aufnahmen machen zu können, erledigte das Mikroskop die Arbeit teilweise automatisch in der Nacht. Was durchaus Vorteile hat, da menschliche Einflüsse wie Erschütterungen dadurch vermieden werden. Das Kryo-Mikroskop am IMP und IMBA ist nach Angaben der Institute das einzige seiner Art in Österreich.

Die Wissenschaftler denken bereits über das reine Grundlagenforschungs-Interesse hinaus: "Es ist denkbar, dass sich auf der Basis unserer Daten eine Substanz entwickeln lässt, die sich in den Nadelkomplex einbaut und seine Funktion stört", so Marlovits. Damit hätte man ein wirksames Medikament nicht nur gegen Salmonellen, sondern auch andere Krankheitserreger, die dieses System nutzen, wie Cholera oder Pest.

Foto: IMP-IMBA Graphic Department

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