Angst vor Untergang

Belgier suchen Zuflucht in Luxemburg

Ausland
02.03.2011 10:29
Die Bevölkerung Belgiens leidet unter der Regierungskrise des Landes. Seit mehr als neun Monaten konnte keine neue politische Führung installiert werden, was die Bürger zum Nachdenken bringt: Was tun, wenn das eigene Land durch eine Politkrise gelähmt bleibt oder irgendwann vielleicht gar auseinanderbricht? Viele Belgier haben nun eine Antwort gefunden: Um auf einen Untergang des Königreiches bestens gerüstet zu sein, holen sie sich einen Pass des Nachbarn, des Großherzogtums Luxemburg.

"Wenn Belgien aufhört zu bestehen, was wird aus uns werden?", fragt Pascal Beyaert, ein 48 Jahre alter Belgier aus Arlon, das nahe der Grenze zu Luxemburg in der Wallonie liegt. "Werden wir in einer unabhängigen Wallonie leben, werden wir an Frankreich angegliedert?" Für die Südbelgier gebe es doch eine Lösung, findet Beyaert: "Sich an ein Land anschließen, wo es sich gut leben lässt" und das eine "richtige Regierung" hat. Kurz gesagt Luxemburg, "das kleine Eldorado nebenan".

Beyaert hat sich die neue Nationalität Ende 2010 besorgt und dabei von einer Lockerung der Ansprüche der luxemburgischen Behörden profitiert. Es genügte der Nachweis, dass sein Ur-Ur-Ur-Großvater am 1. Jänner 1900 Luxemburger war; den belgischen Pass darf Beyaert allerdings auch behalten.

Anträge überschwemmen Behörden
Die Regelung trat 2009 in Kraft, wurde aber erst nach einem Zeitungsartikel vor wenigen Monaten populär, der mitten in der belgischen Krise offenbar einen Nerv traf. Seitdem werden Ämter entlang der Grenze mit Anträgen überschwemmt - Geburts-, Heirats-oder Sterbeurkunden können zum Nachweis dienen, dass die Vorfahren Luxemburger waren. "Wir erhalten rund 15 Anfragen pro Tag", sagt eine Amtsmitarbeiterin in Arlon. Nicht jedem Antrag hier entspricht aber gleich ein Einbürgerungsantrag jenseits der Grenze.

"Manche malen sich aus, dass ihre Kinder eine größere Chance haben werden, eine Stelle im Luxemburger öffentlichen Dienst anzustreben", mutmaßt der Arloner Beigeordnete des Bürgermeisters, Georges Medinger, über die Motive. Und angesichts der politischen Lage dächten manche wohl auch, "dass die luxemburgische Nationalität ein Plus wäre, um sich von Luxemburg aufnehmen zu lassen". Wie die meisten Beobachter rechnet Medinger aber nicht damit, dass Belgien wirklich in absehbarer Zukunft untergeht.

Der kleine Nachbar zerbricht sich also weder über solche Szenarien noch über die Neubürger den Kopf. "Luxemburg wird nicht belgisch werden und Belgien wird nicht ausbluten", glaubt Justizminister François Biltgen (links im Bild). Angesichts der vielen Pendler und der kulturellen Nähe finde er es ohnehin "absolut normal, dass diese Leute ihre luxemburgischen Wurzeln suchen".

Land steckt seit April 2010 in der Krise
Das Land steckt seit April 2010 in der Krise, als die Koalition unter Yves Leterme am Streit zwischen Flamen und Frankophonen zerbrach. Nach den Neuwahlen vom Juni scheiterten alle Verhandlungen über eine neue Regierung und die damit zusammenhängende Staatsreform. Da die wichtigste flämische Partei letztlich die Unabhängigkeit für Flandern will, wird immer wieder ein Auseinanderbrechen des Königreiches an die Wand gemalt.

Der belgische Finanzminister und Vermittler Didier Reynders zeigte sich am Dienstag allerdings optimistisch, dass die Parteien nun bald Gespräche über die Bildung einer Regierung beginnen können. Manche Experten gehen mittlerweile aber davon aus, dass nur Neuwahlen die schier endlos dauernde Krise lösen können.

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