"Ball bei Pröll"

ÖBB sagen Treffen zur Brenner-Finanzierung ab

Österreich
21.02.2011 15:58
Der Streit um die Neuverschuldung der Bahn wegen des Brennerbasistunnels ist eskaliert. Montagmittag haben die ÖBB kurzfristig den für Dienstag angesetzten Sonderaufsichtsrat abgesagt, bei dem die Weichen für den Bau des Mammutprojekts gestellt hätten werden sollen. Stattdessen schießt die Bahn nun scharf gegen Finanzminister Josef Pröll.

Beim Sonderaufsichtsrat am Dienstag hätten die ÖBB beschließen sollen, die 25 Prozent, die das Land Tirol an der Brenner-Durchführungsgesellschaft "BBT SE" hält, zu übernehmen. Damit wäre die Hälfte der Finanzierungskosten, die Österreich aufzubringen hat, nämlich fünf Milliarden Euro, auf die Bahn übergegangen.

Laut ÖBB bedeutet dies, dass die Bahn weitere fünf Milliarden Euro "an Schulden für den Finanzminister übernehmen müssen". "Gleichzeitig übt das Finanzministerium massive Kritik an den Schulden der ÖBB, obwohl es diese selbst beauftragt hat." Die ÖBB bestehen nun auf einem "verbindlichen Rechtsakt", heißt es. Ohne detaillierte Finanzierungsvereinbarung seien die ÖBB nicht bereit, das Unternehmen einem unzumutbaren Risiko auszusetzen.

Als "Erfüllungsgehilfe der Republik" sei die Bahn grundsätzlich bereit, den Tunnel zu bauen, betont man in der ÖBB Holding (im Bild rechts: Bahn-Chef Christian Kern). Die notwendigen Rahmenbedingungen seien aber erst zu schaffen. Hintergrund: Finanzminister Pröll hat den sogenannten Zuschussvertrag noch nicht unterzeichnet, mit dem die Republik quasi für die Bahn bürgt und Geld zusagt. Fix ist bisher aber nur die Finanzierung des Erkundungsstollens, mit dem im April gestartet werden soll. Die Kosten dafür belaufen sich laut Bahnangaben vom Montag auf 1,25 Milliarden Euro.

Pröll-Sprecher: "Politischer Aktionismus"
Im Finanzministerium reagierte man am Montag verschnupft auf die Absage des Termins, die per Brief erfolgte. Ein Sprecher von Minister Pröll warf dem Bahn-Aufsichtsrat "politischen Aktionismus" vor. Offensichtlich werde der Tunnel benutzt, um das Finanzministerium dazu zu bewegen, den Zuschussvertrag zu unterscheiben. Aus der Sicht des Finanzministeriums geht es im aktuellen Streit nämlich nicht um den Brennerbasistunnel, sondern darum, wie die Finanzierung der ÖBB nach Maastricht-Kriterien zu bewerten ist (Stichwort: Staatsschulden - siehe Berichte in der Infobox). Und es liege an den ÖBB und am Verkehrsministerium, die Maastricht-Konformität sicherzustellen. Seit Jänner wisse man, dass die Statistik Austria prüfe, ob der Zuschussvertrag und alle Investitionen, die sich daraus ergeben, für den Bund schulden- und defiziterhöhend wirken. Bisher sei das nicht so betrachtet worden.

Erst am Donnerstag hat das Verkehrsministerium dem Finanzressort den Entwurf des Zuschussvertrags übermittelt. "Und zwei Werktage später sagten die ÖBB, sie müssten den Aufsichtsrat abblasen, wenn das Finanzministerium den Vertrag nicht unterschreibe", empörte man sich im Pröll-Büro. "Das ist nicht unbedingt professionelles Vorgehen." Auf die Frage, ob der Brennerbasistunnel nun gebaut wird oder nicht, meinte Pröll-Sprecher Harald Waiglein lediglich: "Es gibt einen Regierungsbeschluss, es gibt das Budgetgesetz 2011 und das Bundesfinanzrahmengesetz bis 2014." Vor drei Wochen habe die Regierung den ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2011 bis 2016 beschlossen. Demnach sollen in diesen fünf Jahren 12,8 Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur fließen. Von daher, so Waiglein am Montag, "braucht man keine Bekenntnisse einfordern".

ÖBB-Betriebsrat: "Millionenschacher unter Parteifreunden"
ÖBB-Betriebsratschef Wilhelm Haberzettl indes begrüßt die Absage des Aufsichtsrats. "Angesichts der Weigerung von Finanzminister Pröll, den Zuschussvertrag zum Brennerbasistunnel, der die Haftungsübernahme der Republik für den Bau des BBT regelt, zu unterzeichnen, hat sich die Aufsichtsratssitzung ohnedies erübrigt", so der Gewerkschafter in einer Aussendung.

Bei der ÖVP ortet Haberzettl einen "Millionenschacher unter Parteifreunden" - für ihn der Gipfel der bisherigen "Doppelzüngigkeit" der VP in puncto Bahn: Finanzminister Pröll habe seinem Parteifreund, dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, bereits die Senkung des Baukostenanteils des Landes Tirol am BBT um rund 300 Millionen Euro zugesagt, womit der Tiroler Anteil am BBT-Bau nur mehr rund 120 Millionen Euro betrage. Die gesamte Finanzierung des Mammutprojekts durch Österreich in der Höhe von fünf Milliarden Euro werde somit fast zur Gänze den ÖBB zugeschieden, empörte sich Haberzettl: "Über die Medien Kritik üben und hinter dem Rücken der Öffentlichkeit die ÖBB-Schulden weiter in die Höhe treiben, um Parteifreunden zu einem schöneren Landesbudget zu verhelfen - so sieht das wahre Gesicht von Lopatka und Pröll aus."

Für Transitforum sämtliche Tunnel "nicht mehr zeitgemäß"
Als "wenig überraschend" wertete das Transitforum Austria-Tirol die Entscheidung der ÖBB. Obmann Fritz Gurgiser meint, es fehle dieselbe Entscheidung der ÖBB zu Koralm- und Semmeringtunnel. Auch diese Projekte seien "nicht mehr zeitgemäß und es fehlt ihnen jede nur erdenkliche verkehrspolitische Notwendigkeit".

Überraschend sei nur, dass man so lange gewartet habe. Schließlich habe die Tunnelgesellschaft BBT SE schon am 19. Jänner 2008 "die Weichen für die heutige ÖBB-Entscheidung gestellt", indem der Aufsichtsrat der BBT SE mitgeteilt habe, dass "das finanzielle Risiko privaten Investoren nicht zuzumuten sei". Zudem sei angesichts der Ist-Situation, bei der eine Reihe laufender UVP-Verfahren nicht abgeschlossen seien, ohnedies nicht verständlich, wie locker die BBT SE "Milliarden an Steuergeldern abzocken will".

Das Transitforum forderte neuerlich eine klare Entscheidung, ob die ÖBB weiter mit einem "flächendeckenden und vom Steuerzahler subventionierten Mobilitätsauftrag ausgestattet werden oder zu einer Tunnelbaufirma umorganisiert werden". Diese Entscheidung sei im Interesse der hoch verschuldeten ÖBB genauso unverzichtbar wie auch im Interesse des Steuerzahlers.

Bures will bis 2013 schwarze Zahlen, Kern Stellen abbauen
Die Bahn war am Wochenende auch Thema beim "Pressestunde"-Auftritt von Verkehrsministerin Doris Bures. Die Ministerin forderte, dass die Bahn bis 2013 schwarze Zahlen schreiben müsse. ÖBB-Chef Kern will beim Güterverkehr und bei den technischen Services in den nächsten vier Jahren rund 3.000 Stellen abbauen. Dieses Ziel beinhaltet offenbar aber auch andere Kostenpositionen: Die ÖBB wollten "Überstunden, Leasingkräfte und Mitarbeiter im Güterverkehr im Ausmaß von 3.000 reduzieren - also das sind nicht nur Mitarbeiter, sondern auch andere Kostenpositionen in dem Bereich", so Kern.

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