Vorbote der Klimakrise

„Zeitfenster wird kleiner, um Ruder herumzureißen“

Österreich
18.07.2021 06:00

„Ändert sich nichts, ändert sich alles“ heißt das erste Buch von Katharina Rogenhofer, das sich mit der größten Herausforderung unserer Zeit beschäftigt: der Klimakrise. Im „Krone“-Interview spricht die Mitbegründerin von „Fridays for Future“ in Österreich und Initiatorin des Klimavolksbegehrens über die aktuellen Unwetter als Vorboten der Klimakrise, ihren Klimakampf, warum die Politik jetzt dringend handeln muss und Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ein Exemplar ihres Buches bekommt.

„Krone“: Seit Tagen erreichen uns Bilder von der Hochwasserkatastrophe in Deutschland, auch hierzulande ziehen derzeit Unwetter mit Starkregen fast übers ganze Land. Müssen wir uns künftig an Wetterextreme wie diese gewöhnen?
Katharina Rogenhofer:
Die verheerenden Überflutungen in Deutschland sind schockierend. Durch das Zubetonieren der Böden und die Verbauung von Flüssen werden sie noch verstärkt. Sie sind aber auch Vorboten für die Folgen der Klimakrise, die uns in Zukunft verstärkt treffen werden. Dürren, Starkregen, Tornados - Extremwetterereignisse werden zunehmen. Diesen Katastrophen vorzubeugen ist Aufgabe der Politik. Noch wird sie dieser aber nicht gerecht.

Diese Woche hat die EU-Kommission ihr Klimapaket präsentiert. Mit den Maßnahmen soll das EU-Ziel, bis 2030 50 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 einzusparen, erreicht werden. Reichen die Maßnahmen aus?
Es ist das umfangreichste Klimaschutzgesetz, das jemals auf EU-Ebene präsentiert wurde. Das erste Mal soll ein verbindliches Gesetz geschaffen werden, das die CO2-Emissionen bis 2030 festschreibt und das Aus für Verbrennungsmotoren verbindlich macht. Ausreichend ist es für die Erreichung der Klimaziele aber nicht, und es ist auch nur ein Kommissionsvorschlag, der erst von EU-Parlament und -Rat beschlossen werden muss. Da kann noch sehr viel weitere Ambition verloren gehen.

Ihr Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“, das am 26. Juli erscheint, veranschaulicht auf faktenbasierte und persönliche Weise, dass die Klimakrise die größte Herausforderung unserer Zeit ist. Wann haben Sie das erkannt?
Es gab zwei Wendepunkte. Der Erste war, als ich selber noch als Wissenschafterin tätig war und gemerkt habe, dass das Wissen über die Klimakrise, das es bereits gibt, nicht in der Politik ankommt. Der Zweite war am Klimagipfel in Katowice, auf dem viele Aktivistinnen und Aktivisten aus anderen Ländern ihre Geschichten erzählt haben. Dort habe ich Menschen von Inselstaaten kennengelernt, die möglicherweise ihre Heimat verlieren werden, weil der Meeresspiegel ansteigt. Und Menschen, die schon jetzt aus ihren Regionen flüchten müssen, weil sie aufgrund der Trockenheit vor Ort nichts mehr anbauen können. Das hat mir eindrücklich vor Augen geführt, dass die Klimakrise nicht nur eine Umweltkrise ist - sie ist eine menschliche. Menschen sind schon heute ganz konkret betroffen, global und in Österreich. Deshalb habe ich den Schritt gewagt, den wahrscheinlich wenige machen, nämlich jenen von der Wissenschaft in den Aktivismus.

„Alles wird gut“ ist ein zentraler Satz in Ihrem Buch. Was steckt hinter diesem Satz?
Meine Mama und auch ihre Mutter vor ihr konnten ihren Kindern immer in die Augen schauen und ihnen sagen, dass alles gut wird und sie es einmal besser haben werden als sie selbst. Ich habe irgendwann erkannt, dass ich das nicht mit voller Überzeugung zu meinen Kindern sagen könnte. Dieser Gedanke hat mich sehr getroffen. Wie wohl alle anderen will ich in eine gute Zukunft steuern und nächsten Generationen und damit auch meinen eigenen Kindern einen Planeten hinterlassen, auf dem sie gut leben können. Das treibt mich an.

Neben Ihrer persönlichen Geschichte, die sich durch das gesamte Buch zieht, erklären Sie darin Klimafakten, schreiben über Klimapolitik, benennen Herausforderungen und Maßnahmen gegen die Klimakrise. Glauben Sie noch daran, dass dereinst alles gut wird?
Wenn ich nicht daran glauben würde, würde ich mir die ganze Arbeit nicht mehr antun. Wenn wir alle Kräfte bündeln, können wir es schaffen. Das Zeitfenster wird immer kleiner, um das Ruder herumzureißen, und es braucht dafür großen politischen und wirtschaftlichen Willen. Und diesen Willen können wir alle herbeiführen, indem wir aufstehen, laut sind, Briefe schreiben, Volksbegehren unterstützen und in unseren Gemeinden aktiv werden. Einer der wichtigsten Aspekte in meinem Buch ist es, aufzuzeigen, dass alle die Möglichkeit haben, etwas beizutragen. Den größten Handlungsspielraum haben aber Politik und Wirtschaft.

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Da viel Macht bei Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammenläuft, steht und fällt wirkungsvoller Klimaschutz mit ihm.

Katharina Rogenhofer

Sie schreiben auch, dass es die Welt, wie wir sie kennen, ohne rigorosen Klimaschutz bald nicht mehr geben wird und dass wir uns gerade an einer Weggabelung befinden. Wie lange ist noch Zeit, den richtigen Weg einzuschlagen?
Die Klimakrise gibt es nur, weil wir laufend Treibhausgase wie CO2 ausstoßen. Und wir haben nur noch ein bestimmtes CO2-Budget, um die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten. Ab dieser Grenze laufen wir laut Wissenschaft Gefahr, die Klimakrise nicht mehr aufhalten zu können. Wenn wir so weitermachen wie bisher, hält dieses Budget noch ungefähr sieben Jahre. Deshalb müssen wir sofort damit beginnen, unsere Emissionen stark zu reduzieren und bis 2040 auf Null zu senken.

Der Politik werfen Sie in Ihrem Buch vor, nichts gegen die Klimakrise zu tun und visionslos zu sein. Wenn Sie sich von der türkis-grünen Regierung eine Maßnahme gegen die Klimakrise wünschen dürften - welche wäre das dann?
Wir müssen Erstens damit aufhören, das Falsche zu tun. Wenn wir es mit der Klimaneutralität bis 2040 ehrlich meinen, dürfen in Neubauten keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Wir dürfen keine Verkehrsinfrastruktur mehr bauen, die unsere CO2-Emissionen auf Jahrzehnte einzementieren. Zusätzlich braucht es einen Gesamtplan mit Maßnahmen, wie wir Klimaneutralität erreichen können. Dafür braucht es ein wirkungsvolles Klimaschutzgesetz, denn das alte ist 2020 ausgelaufen.

Welchem Politiker würden Sie gerne Ihr Buch in die Hand drücken, in der Hoffnung, dass es ihn wachrüttelt?
Da viel Macht beim Bundeskanzler zusammenläuft, steht und fällt wirkungsvoller Klimaschutz mit ihm. Sebastian Kurz bekommt auch tatsächlich ein Exemplar des Buches. Ich habe es ihm bereits geschickt. Und ich hoffe, er liest es und nimmt sich daraus ein paar Dinge mit. Wir brauchen jetzt Klimaschutz in Gesetzen - und zwar verbindlich und nicht nur mit freiwilligen Maßnahmen.

Sie sind Mitbegründerin von Fridays for Future in Österreich, Initiatorin des Klimavolksbegehrens und jetzt auch Buchautorin. Was kommt als Nächstes?
Es gibt auch bei Bewerbungsgesprächen oft die Frage, wo man sich selbst in fünf bis zehn Jahren sieht. Ich glaube, ich kann diese Frage mittlerweile viel schlechter beantworten als noch vor ein paar Jahren. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Ereignisse in meinem Leben überschlagen, nichts davon war geplant. Den Drang, etwas beizutragen, habe ich nach wie vor. Es gibt noch viel zu tun, um der bisherigen Fahrlässigkeit der Politik entgegenzuwirken. Fest steht: Ich werde dranbleiben!

Sandra Schieder
Sandra Schieder
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