Italo-Monopoly

Welche Kinder beschert uns die Fiat/Chrysler-Ehe?

Motor
30.12.2010 12:33
Wie eine reife Frucht ist Chrysler dem Fiat-Konzern in die Hände gefallen. Im Jahr 1983 hatte sich Fiat vom US-Markt verabschiedet - nun kehren die Italiener in der Position des Triumphators zurück, einen 20-prozentigen Anteil am Chrysler-Konzern im Gepäck. Den Anteil gab es nicht umsonst: Die Erwartung der Amerikaner lautet „Know-how-Transfer“ - zugunsten von Chrysler, wohlgemerkt. Was haben wir nun zu erwarten?
(Bild: kmm)

Für Fiat wird mit der neuen Allianz mit einem Handstreich der US-Markt aufgeschlossen. Noch verkauft Chrysler in den USA pro Monat rund 100.000 Fahrzeuge - und zwar über ein lange etabliertes und funktionsfähiges Händlernetz. Über das kann Fiat jetzt so richtig Gas geben - ein riesiger Vorsprung gegenüber jedem anderem Newcomer, der sich auf dem US-Markt etablieren möchte. Schon deshalb war es ein cleverer Schachzug von Fiat, über die Möglichkeit der „geldlosen“ Beteiligung an Chrysler den amerikanischen Markt erschlossen zu bekommen.

Fiat startet als Erster durch
Als erstes wird die Marke Fiat den Neustart wagen, die Vorhut macht der kleine Cityflitzer Fiat 500 - vorsichtshalber wird er vorher noch auf die Bedürfnisse der Amerikaner getrimmt. Produziert wird der kleine Flitzer in Mexiko. Es ist gut möglich,  dass bald noch eine Modellvariante 600 mit vier Türen nachgeschoben wird, um die Verkaufszahlen mit einem erweiterten Käuferkreis anzukurbeln. Smart beschreitet gerade einen ähnlichen Weg in den USA. Außerdem wird an einem vollelektrischen Fiat 500 gearbeitet - und zwar bei Chrysler. Hier läuft der Technik-Transfer bereits umgekehrt.

Alfa rollt ab 2012 an – wenn nicht VW zugreift
Die sportliche Tochter Alfa Romeo hat vielleicht die besten Chancen, als italienischer Exportschlager ab 2012 die amerikanischen Käuferherzen zu erobern - und in Sachen Marketing an die guten alten (Renn-)Zeiten sowie an den unvergessenen Spider aus dem Film "The Graduate" zu erinnern. Den Anfang soll der Nachfolger des 159 machen, anschließend kommt eine Kombivariante, ein neuer Spider und ein SUV. Der US-Marktstart von Alfa Romeo steht übrigens unter Vorbehalt: Es ist durchaus möglich, dass dieses Thema - wie die gesamte Marke - vom VW-Konzern übernommen wird.

Aus Chrysler wird Lancia
In Europa hat Fiat schon zum 1. Juni 2010 die Vertriebsverantwortung für die Chrysler-Gruppe einschließlich Dodge und Jeep übernommen. Zu diesem Zeitpunkt ist gleichzeitig allen Fiat- und Lancia-Händlern gekündigt worden. Die Zielsetzung: Ein neues Netz von Fiat, Alfa Romeo und "New Lancia", Vertriebsstart soll dann ab 1. Juni 2011 sein. Bis dahin werden die Marken unter den bisherigen Namen weitergeführt.

Vom Chrysler-Modellprogramm bleibt anschließend nur Jeep übrig: die Marken Dodge und Chrysler verschwinden. Das wird vor allem bei Dodge nicht weiter auffallen, denn der Marktanteil der Marke tendierte bislang gegen Null. Der nächste Chrysler 300 und der Sebring-Nachfolger 200 werden als Lancia - der 200 eventuell auch als Fiat - auf den europäischen Markt kommen und die bemerkenswert kleine Lücke füllen, die der Thesis und früher einmal der Lybra hinterlassen haben. An die Stelle des Phedra, einer umetikettierten Variante von Fiat Ulysse, Peugeot 807 und Citroen C8, tritt der Nachfolger des Chrysler Voyager, der nach gleichem Prinzip zum Lancia wird.

Jeep bleibt Jeep und startet durch
Immerhin wird die Marke Jeep in Europa einen Relaunch bekommen. Der Kultmarke sollen wieder mehr Leben und Attraktivität eingehaucht werden. Begonnen wird mit dem Grand Cherokee, der mit neuen Antriebsaggregaten auf Kundenfang geht. Der Wrangler, der seine Anhänger seit jeher durch die Abwesenheit jeglichen Luxus im Fun-Segment angelt, bekommt ein Facelift und als neuen Motor einen 2,8-Liter-Vierzylinder-Diesel mit Fiat-Common-Rail-Technologie und 147 kW/200 PS. Ebenfalls einem Facelift unterzogen werden die Jeep-Modelle Patriot und Compass, beide ausgestattet mit Motoren des Ex-Partners Daimler- einem 2,1-Liter-Diesel mit 125 kW/170 PS.

Viele Vorteile für Fiat-Konzern
Interessant wird es bei den zukünftigen Modellgenerationen. Wie in einer guten Ehe soll es eine gemeinsame Kasse für die Einkäufe geben, die zu Skaleneffekten führt: Die Zusammenlegung der Einkaufsvolumina der beiden Hersteller soll nach Informationen aus dem Fiat-Konzern Einsparungen von bis zu 1,6 Milliarden Euro bringen. Dazu kommt eine neue Plattformstrategie: 2012 und 2013 werden vier neue Chrysler- und drei neue Dodge-Modelle auf Fiat-Plattformen in die US-Showrooms rollen.

Die Entwicklungskompetenz für den Bereich Elektro- und Hybridantriebe bleibt bei Chrysler in den USA - eine unfreiwillige Mitgift des Ex-Partners Daimler, von der Fiat nun profitieren kann. Fiat kommt jedoch auch zu neuen Verbrennungsmotoren. Besonders interessant dürfte der Pentastar-V6 sein - denn einen eigenen V6 haben die Italiener schon seit Jahren nicht mehr.

Und was hat Chrysler davon?
Was Fiat an Chrysler liefern kann, sind kleine und sparsame Diesel und Benziner. Die optimistische Annahme: Hohe Benzinpreise würden in den USA einen Umdenkprozess einleiten und kleine Motoren attraktiv machen. Inzwischen stellt sich die Situation wieder anders dar: Große, bequeme, hubraumstarke Fortbewegungsmittel scheinen einfach Teil der amerikanischen DNA zu sein. Und auch der Diesel ist immer noch ein schwer zu vermittelnder Kandidat.

Wenn kleine Motoren in den USA weiterhin nicht laufen, was bleibt vom Technologie-Transfer für Chrysler übrig? Vorteile im Einkauf, die Modernisierung der Chrysler-Fabriken sowie der Verkauf von V6-Motoren an Fiat. Immerhin. Jedenfalls sind die Amerikaner, so ist aus Auburn Hills zu hören, auch nach dem ersten Ehejahr zufrieden. Die zweite Ehe, so sagt man, sei beständiger als die stürmische DaimlerChrysler-Liaison. Die Zeit der Unsicherheit scheint endlich vorbei: Man ist - bis auf weiteres - zufrieden mit dem neuen italienischen Lover.(SP-X)

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(Bild: kmm)



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