"Rassen-Profiling"

D: Heftige Debatte über Selektion von Fluggästen

Ausland
28.12.2010 18:07
Es ist ein heftig umstrittener Vorschlag im Kampf gegen den Terrorismus: Flugpassagiere sollen aus Sicht der deutschen Flughäfen künftig nach Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft in Risikogruppen eingeteilt und dann unterschiedlich scharf kontrolliert werden. Dieses "Rassen-Profiling" könne die zeitraubenden Kontrollen verkürzen, sagte der designierte Präsident des Flughafenverbandes ADV, Christoph Blume am Dienstag. Der Vorschlag stößt jedoch bei Politikern und der Polizei auf Kritik.

Das Profiling von Passagieren ist u.a. in Israel bereits Praxis und dort Teil eines umfassenden Sicherheitssystems, das über Jahre hinweg entwickelt wurde und Israels Flughäfen zu den sichersten der Welt gemacht hat.

Die ersten Kontrollen beginnen dort schon an der Zufahrt zum Flughafen: Bewaffnete Sicherheitskräfte schauen in jedes Fahrzeug und befragen die Reisenden. An Flughäfen sprechen dann Beamte gezielt Passagiere an, registrieren verdächtiges Verhalten und hinterfragen widersprüchliche Aussagen. Dabei werden ethnische Herkunft, Religion, Alter und Lebenssituation ausgewertet. Auch die Reiseroute, die Zahlungsweise und der Ort, an dem das Ticket gekauft wurde, spielen eine Rolle.

Neo-ADV-Chef: "Zum Wohle aller Beteiligten"
"Auf diese Weise können die Kontrollsysteme zum Wohle aller Beteiligten effektiver eingesetzt werden", sagte Blume der "Rheinischen Post". Blume, zugleich Chef des Düsseldorfer Flughafens, soll sein Amt als ADV-Präsident im Jänner antreten. Er begründet seinen Vorschlag mit einem Dilemma: Wenn die Sicherheitsbehörden technisch aufrüsten, tun das auch die Kriminellen und Terroristen. "Jeder neue Vorfall führt zu weiteren Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen. So entsteht eine Sicherheitsspirale der technischen Aufrüstung, die irgendwann ihre technischen und operativen Grenzen erreicht", warnte er.

Und diese Sicherheitsspirale ist teuer - das wissen auch die Terroristen: Die Terrororganisation Al Kaida hatte nach zwei aus dem Jemen abgeschickten und dann im Frachtverkehr abgefangenen Paketbomben erklärt, mit einer "Strategie der 1.000 Schnitte" den Westen in den Ruin treiben zu wollen. Die Paketbomben-Aktion habe nur 4.200 Dollar gekostet - sie werde den Westen aber dazu bringen, "einige Milliarden Dollar" für neue Sicherheitsmaßnahmen auszugeben.

Deshalb hatte Mitte Dezember auch der Präsident der internationalen Luftfahrtorganisation IATA, Giovanni Bisignani, vorgeschlagen, Profile von Passagieren zu erstellen und die Fluggäste in "bekannte", "normale" und "potenziell gefährliche" Fluggäste einzuteilen. Bei der Sicherheitskontrolle sollten sie durch drei verschiedene Sicherheitstunnel geschleust werden. Bekannte Vielflieger, über die ausreichend Daten vorliegen, werden weniger kontrolliert. Passagiere, von denen dagegen kaum etwas bekannt ist, werden weit genauer unter die Lupe genommen. Und laut "Rheinischer Post" feilt das britische Innenministerium derzeit ebenfalls an einer Definition von Merkmalen, nach denen Passagiere künftig etwa am Flughafen Heathrow getrennt werden sollen.

Innenministerium winkt ab: "Wir sind nicht blind"
Das Innenministerium wiederum reagierte sehr zurückhaltend auf den Vorstoß von Neo-ADV-Chef Blume. "Wir sind gut aufgestellt an den Flughäfen, wo sehr gute Beamte eingesetzt sind", sagte Sprecher Stefan Paris. Es werde nahezu ständig überprüft, wie die Kontrollen verbessert werden könnten. "Wir sind nicht blind."

Außerdem bezweifeln Politiker parteiübergreifend, dass "Profiling" in Deutschland akzeptiert würde. "Jeder Passagier wird fragen: Wie kommen Sie dazu, mich anders zu behandeln als andere Passagiere", wirft zum Beispiel der Vorsitzende des Deutschen Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), ein. Auch der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar lehnt die Vorgehensweise ab: "Ein solches Vorgehen an deutschen Flughäfen käme einer permanenten Rasterfahndung gleich. Dafür gibt es derzeit keine gesetzliche Grundlage."

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, ortet ebenfalls rechtliche Probleme. "Eine unterschiedliche Kontrolle von Flugpassagieren nach Risikogruppen verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes. Zudem leistet es rassistischen und moslemfeindlichen Vorurteilen Vorschub", gab sie zu bedenken. Jelpke griff auch Blume selbst an: "Wer solche Vorschläge macht, ist als zukünftiger Präsident des Flughafenverbandes schlicht ungeeignet."

Polizeigewerkschaft befürchtet "gefährlichen Irrtum"
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kann Blumes Vorschlag nicht viel abgewinnen. GdP-Bundesvorsitzender Bernhard Witthaut sagte: "Potenzielle Attentäter nur aus bestimmten Herkunftsländern mit bestimmten äußerlichen Merkmalen zu vermuten, könnte sich spätestens dann als gefährlicher Irrtum erweisen, wenn eine Person einen Anschlag verübt, die nicht in das Raster gepasst hat. Terroristen schlafen nicht." Aus solchen Vorschlägen spreche nach seinem Eindruck zu sehr der Wunsch nach Zeitersparnis. "Aber lieber eine halbe Stunde in der Warteschlange als ein Leben lang tot."

Im Gegenzug forderte der Gewerkschaftsvorsitzende, Fluggastkontrollen wieder in die Hände des Staates zu legen: "Es ist ein Widerspruch, das sogenannte Profiling und damit rein polizeiliche Fähigkeiten einzufordern und andererseits die Fluggastkontrollen oft gering bezahlten Kräften privater Firmen zu überlassen." Ohne hohe technische Standards, Menschenkenntnis und polizeiliche Erfahrung bei den Kontrollen sei die Luftsicherheit nicht zu gewährleisten.

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