Polit-Prozess

Moskau: Kritik an Chodorkowski-Urteil “nicht akzeptabel”

Ausland
28.12.2010 15:57
Mit scharfen Worten hat Moskau am Dienstag die Kritik westlicher Politiker am Schuldspruch gegen den inhaftierten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski zurückgewiesen. "Versuche, Druck auf das Verfahren auszuüben, sind nicht akzeptabel", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Der Prozess sei Sache der russischen Justiz. Indes fuhr das Gericht unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen damit fort, die Begründung für das Urteil zu verlesen. Vor dem Gerichtsgebäude kam es erneut zu Protesten, mehrere Menschen wurden festgenommen.

Einer der Anwälte Chodorkowskis, Wadim Kliuwgant, hat scharf auf die Worte des Moskauer Außenministeriums reagiert. Die russische Diplomatie verbreite "Lügen" und sei "unfähig", erklärte er. Das Ministerium ignoriere die Tatsache, dass der Prozess gegen Chodorkowski bereits beendet sei und der Westen somit gar keinen Einfluss auf die Justiz ausüben könne. Die Reaktion aus Moskau bezeichnete Kliuwgant als "Schande".

Moskau: "Schwere Anschuldigungen"
Richter Viktor Danilkin hatte den früheren Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos und dessen mitangeklagten Ex-Geschäftspartner Platon Lebedew am Vortag wegen Unterschlagung und Geldwäsche schuldig gesprochen und damit begonnen, die Tausende Seiten umfassende Urteilsbegründung vorzutragen. "Wir reden von schweren Anschuldigungen", solche Taten würden in allen Ländern bestraft, sagte der Ministeriumssprecher. Russland verwahre sich auch gegen Vorwürfe, seine Justiz arbeite selektiv.

Das Strafmaß wird der Richter nach Einschätzung von Beobachtern zu Silvester verkünden. Die ersten zehn Tage des Jahres, in die das orthodoxe Weihnachtsfest fällt, sind in Russland gesetzliche Feiertage. Nach Meinung vieler Kritiker will die Regierung auf diese Weise die Gunst nutzen, um die Wellen der Empörung ins Leere rollen zu lassen. Das zielt nicht zuletzt auf die immer lautere Kritik russischer Medien an dem umstrittenen Verfahren, denn in den Neujahrsferien erscheinen keine Zeitungen.

USA: "Missbräuchlicher Einsatz des Justizsystems"
Der zweite Prozess gegen den früheren Öl-Magnaten, der noch bis 2011 eine achtjährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung absitzen muss, gilt ebenso wie der erste als politisch motiviert. Die USA und die Europäische Union hatten das Urteil heftig kritisiert. Das Weiße Haus in Washington drückte seine Beunruhigung wegen eines offenbar "missbräuchlichen Einsatzes des Justizsystems für unangemessene Ziele" aus. Das Urteil unterminiere die Zusage Russlands, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, und schade zudem der Fähigkeit Moskaus, seine Beziehungen zu den USA zu festigen.

"Hat mit rechtsstaatlichem Verfahren nichts zu tun"
Die neuerliche Verurteilung des russischen Ex-Oligarchen ist auch nach Ansicht des österreichischen Politologen und Russland-Experten Gerhard Mangott "zweifellos eine politische Entscheidung": "Das hat mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun." Premier Wladimir Putin habe sich hier durchgesetzt. Für ihn hätte eine Freilassung Chodorkowskis das Risiko geborgen, dass sich dieser wieder für die liberale Opposition einsetzt.

Präsident Dmitri Medwedew habe vor der Gerichtsentscheidung Bedenken geäußert und Andeutungen in Richtung einer Freilassung Chodorkowskis gemacht. Das Urteil sei laut Mangott daher auch ein Signal, dass sich die Rivalität zwischen Putin und Medwedew zugunsten des Premiers entwickle. Der Schuldspruch bedeute für Medwedew "eine persönliche Niederlage". Es zeige den westlichen Regierungen, dass er "ein schwacher Präsident unter Premier Putin" ist.

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