BAWAG-Berufung

Kürzere Haft für Elsner, neuer Prozess für Flöttl

Österreich
23.12.2010 12:09
Der OGH hat am Donnerstag die Urteile aus dem BAWAG-Prozess kräftig abgeändert bzw. teilweise zerlegt. Helmut Elsners neuneinhalbjährige Haftstrafe wird auf siebeneinhalb Jahre reduziert, der 75-Jährige bekommt inklusive des Schuldspruchs in der "Plastiksackerl-Affäre" nun zehn statt zwölf Jahre Haft. Bei Johann Zwettler bleibt es bei fünf Jahren, er wird bald in Haft müssen. Die übrigen Urteile, u.a. für Wolfgang Flöttl und Peter Nakowitz, wurden indes aufgehoben, es muss neue Prozesse geben. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner jubelt trotzdem.

Die Angeklagten hatten allesamt Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen gegen ihre Schuldsprüche durch die damalige BAWAG-Richterin und heutige Justizministerin Bandion-Ortner eingelegt. Teilaufhebungen waren erwartet worden, zumal die Generalprokuratur in einem Rechtsgutachten teilweise erhebliche Feststellungsmängel in den Urteilen geortet hatte. Die Zahl der Totalaufhebungen überstieg dennoch die Prognosen.

Die Feststellungen zu den drei Angeklagten Elsner, Zwettler und Nakowitz, deren Verfahren öffentlich verhandelt wurden, hätten in wesentlichen Teilen nicht ausgereicht, sagte der Senatsvorsitzende Rudolf Lässig bei der um neun Uhr vormittags begonnenen, rund anderthalbstündigen Verkündung: "Es war uns zu wenig." (weitere Details zur OGH-Begründung siehe "Wo das Geld ist, spielt keine Rolle")

Elsner: Kürzere Haft und Geld, aber keine Freiheit
Die Haftreduzierung bei Elsner (formal hat der OGH eine Zusatzstrafe zur mit zweieinhalb Jahren Haft bestraften "Plastiksackerl-Affäre" mit dem Konsum-Chef Hermann Gerharter ausgesprochen) erfolgte aufgrund des Wegfalls des Betrugsfaktums im Urteil. Elsner wurde in Zusammenhang mit seiner Pensionsabfindung in Höhe von 6,8 Millionen Euro des Betruges schuldig gesprochen, die Generalprokuratur hatte die Aufhebung empfohlen. Auch die Verurteilung wegen Bilanzfälschung hielt vorm OGH nicht.

Der Wegfall der beiden Delikte begrenzt den Strafrahmen auf die nun bestätigten 13 von ehemals 18 Untreuefakten und damit auf eine Höchststrafe von zehn Jahren, die Elsner jetzt bekommen hat.

Theoretische Chancen für eine Enthaftung Elsners, über die in den letzten Tagen vemehrt spekuliert worden war, hätten übrigens nur dann bestanden, wenn als Gesamtstrafe nicht mehr als sieben Jahre verhängt worden wären. Dann hätte er mehr als die Hälfte der Strafe bereits verbüßt und freikommen können. Elsner befindet sich seit Februar 2007 in U-Haft, die Strafhälfte wird inklusive der französischen Auslieferungshaft nun erst Ende Jänner 2012 erreicht.

Anwälte kündigen Anträge an, Ruth Elsner blieb gefasst
Elsners Anwälte kündigten am Donnerstag umgehend Anträge zur Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Enthaftung wegen Haftunfähigkeit ihres 75-jährigen Mandanten an. Andreas Stranzinger verglich die Lage mit dem Betrugsskandal um den in den USA verurteilten Bernard Madoff: "Das heutige Ergebnis ist so zu werten, als wäre Madoff auf freiem Fuß und die Investoren in Haft." 

Ruth Elsner zeigte sich nach der Urteilsverkündung gefasst: "Mein Mann ist kämpferisch." Er wisse, dass ein großes Unrecht geschehen sei. Nun werde man sich weiters um die Aufklärung (in Bezug auf Flöttl, Anm.) in den USA kümmern. Zum Thema Flöttl setzte Ruth Elsner nach: Sie glaube nicht, dass Flöttl noch einmal vor einem österreichischen Gericht stehen werde.

Ruth Elsner, die laut eigenen Angaben seit der Inhaftierung ihres Mannes von einer Mindestpension lebt, kann sich bis dahin mit Geld trösten. Die vom Erstgericht gegen Elsners Privatstiftung verhängte Vermögensabschöpfung wurde vom OGH ebenfalls gekippt. Der Stiftung gehört unter anderem Elsners Anwesen in Südfrankreich.

Zwettler muss in Haft, Nakowitz zurück zum Start
Bei Elsners Nachfolger Zwettler reduzierte sich nach dem OGH-Urteil lediglich der ihm ursprünglich zugerechnete Schaden von über 900 Millionen Euro, nämlich um rund ein Drittel. Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren wurde vom OGH bestätigt - und das nur deshalb, weil die Staatsanwaltschaft gegen das Strafausmaß nicht berufen hatte. Die Hälfte der Höchststrafe für Untreue mit einem inkriminierten Schaden von über 600 Millionen Euro wird in Justizkreisen jedenfalls als kein drakonisches Urteil gewertet. Gemäß dem Verschlechterungsverbot ist eine Erhöhung der Strafe bei Berufungen nicht möglich.

Für Nakowitz, Elsners ehemalige "rechte Hand", der in erster Instanz vier Jahre Haft erhalten hatte, heißt es zurück an den Start. Sein Urteil wird aufgrund von Feststellungsmängeln zur subjektiven Tatseite praktisch zur Gänze aufgehoben und an die erste Instanz zurückverwiesen. In diesem Verfahren hat das Erstgericht dann eine neue Strafe festzusetzen. Nakowitz wird damit vermutlich weiter auf freiem Fuß bleiben, während Zwettler - sollte er trotz seiner Polio-Erkrankung vollzugstauglich sein - wohl in absehbarer Zeit eine Aufforderung zum Strafantritt erhalten wird. Nakowitz hatte stets behauptet, dass er in der BAWAG-Causa über keine Entscheidungsmacht verfügt habe.

Neue Prozesse auch gegen Flöttl und Co.
Auch die Urteile der ersten Instanz gegen den Spekulanten Flöttl, die früheren BAWAG-Vorstände Christian Büttner, Josef Schwarzecker und Hubert Kreuch sowie gegen den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter hat der OGH zur Gänze aufgehoben. Die Fälle werden an das Erstgericht verwiesen und müssen komplett neu verhandelt werden, verkündete Senatsvorsitzender Lässig.

Das Urteil gegen Ex-BAWAG-Aufsichtsratschef Günter Weninger wird großteils aufgehoben, hier dürfte es ebenfalls zu einem neuen Prozess kommen. Die Aufhebungen erfolgten auch hier alle wegen "Verfahrensmängeln" und "rechtlichen Fehlern", erläuterte Lässig.

Die Anwälte von Elsner und Zwettler hatten Flöttl im Berufungsverfahren massiv angegriffen und u.a. als "Verbrecher" und "Dieb" bezeichnet. Das verspekulierte BAWAG-Geld sei in Wahrheit bei Flöttl, behaupten sie. In das neue Verfahren gegen den Spekulanten, der in erster Instanz mit einer teilbedingen Haftstrafe ausgestiegen war, könnten diese Darstellungen einfließen. Flöttls Anwalts Herbert Eichenseder meinte hingegen, es sei nicht sicher, ob der Investmentbanker wirklich erneut vor Gericht gestellt werde. Falls dies aber so sei, dann rechne er mit einem Freispruch.

Bandion jubelt trotzdem: "Können mit Recht stolz sein"
Über Bandion-Ortners Reaktion auf die sich bereits abzeichnenden Aufhebungen war indes seit Tagen spekuliert worden. Hinter vorgehaltener Hand hieß es, Bandion-Ortner hätte für den Fall einer Totalniederlage vor dem OGH bereits ihren Rücktritt organisiert. 

Um 9.33 Uhr - da war das Urteil noch nicht einmal fertig verlesen - tönte eine Presseaussendung des Justizministeriums allerdings: "Der OGH hat heute, Donnerstag, in seinem BAWAG-Urteil den Schuldspruch in 14 von 18 Fällen bestätigt (korrekt: 13 von 18, Anm.). Helmut Elsner ist rechtskräftig verurteilt. Damit findet ein Stück Wirtschaftskriminalität gewaltigen Ausmaßes einen Abschluss."

"Dass nach dreieinhalb Jahren Prozessdauer quer durch alle Instanzen selbst der OGH als letzte Instanz die vorangegangenen Entscheidungen fast zur Gänze bestätigt hat kann man nur als Beweis unseren funktionierenden Justizsystems werten. Darauf können wir mit Recht stolz sein", wird die Ministerin zitiert. Bei einer anschließenden Pressekonferenz schloss die ehemalige Richterin einen Rücktritt kategorisch aus (siehe ausführlichen Bericht "Justizministerin: Keine Niederlage, kein Rücktritt").

Elsner beim Auftakt mit verbalem Rundumschlag
Das zweitägige Rechtsmittelverfahren hatte am Mittwoch mit den Plädoyers der Anwälte von Elsner, Zwettler und Nakowitz sowie mit Schlussworten der Hauptangeklagten, allen voran Elsner, begonnen. Der frühere BAWAG-Chef zeigte sich dabei in einem anderthalb Stunden langen Redeschwall auch nach fast vier Jahren in U-Haft kämpferisch und verschonte in seinem Rundumschlag weder Bandion-Ortner, ihren jetzigen Kabinettschef und früheren BAWAG-Staatsanwalt Georg Krakow noch den Spekulanten Wolfgang Flöttl (ausführliche Berichte zum Prozessauftakt siehe Infobox).

Elsner hatte sich am Mittwoch und auch noch am Donnerstag vor Beginn der Verkündigung lachend und guter Laune gezeigt. Der gesundheitlich sichtbar angeschlagene und von Gewichtszunahme geprägte Ex-Banker ließ sich von seiner Ehefrau Ruth herzen und küssen. Nach dem eineinhalbstündigen Vortrag von Richter Lässig wurde Elsner - nicht mehr lachend, sondern mit versteinertem Gesichtsn seinen Anwalt Karl Bernhauser, beim Gehen sagte er "Auf Wiedersehen".

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