Aufhebung droht

“Sektorales Lkw-Fahrverbot in Tirol EU-rechtswidrig”

Tirol
16.12.2010 15:20
Österreich droht neuerlich eine Verurteilung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen der in Tirol geltenden sektoralen Lkw-Fahrverbote auf der Inntalautobahn (A12). Die Generalanwältin des Gerichtshofs vertrat in ihrem Antrag am Donnerstag die Ansicht, dass die Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EU-Vertrag verstoßen hat, der mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen zwischen den EU-Staaten grundsätzlich verbietet.

Die Argumente Österreichs, wonach die sektorale Fahrverbotverordnung zum Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens und aus zwingenden Gründen des Umweltschutzes erforderlich sei, "überzeugen nicht", betonte die Generalanwältin. Die sektorale Fahrverbotverordnung sei zur Erreichung der verfolgten Ziele des Umweltschutzes "nicht erforderlich und nur bedingt geeignet".

Fahrverbote "unverhältnismäßig
"Darüber hinaus führt sie zu einer unangemessenen Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit. Vor diesem Hintergrund ist die sektorale Fahrverbotverordnung insgesamt unverhältnismäßig", kritisiert die Generalanwältin. Sie sei daher "als eine Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen", die zwar "einer Rechtfertigung auf der Grundlage von zwingenden Gründen des Umweltschutzes grundsätzlich zugänglich ist". Im vorliegenden Verfahren "scheiterte eine solche Rechtfertigung jedoch im Ergebnis an der Unverhältnismäßigkeit der sektoralen Fahrverbotverordnung".

Tirol hat mit 1. Juli das sektorale Lkw-Fahrverbot auf die Gütergruppen Nichteisen- und Eisenerze sowie Marmor und Travertin ausgeweitet. Die erste Stufe des Lkw-Fahrverbots trat am 2. Mai 2008 in Kraft und betrifft Abfälle, Steine, Erde und Aushub. Mit Beginn 2009 wurde das Fahrverbot auf die Güter Rundholz und Kork sowie Kraftfahrzeuge erweitert.

Urteil im Frühjahr erwartet
Der EU-Gerichtshof hatte die bereits früher von Tirol verhängten sektoralen Lkw-Fahrverbote 2005 für EU-rechtswidrig erklärt. Aus Gründen des Umweltschutzes könne eine Behinderung des freien Handels grundsätzlich gerechtfertigt sein, erklärte der EuGH damals. Das sektorale Fahrverbot verstieß nach Ansicht der EU-Richter damals aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Meinung des Generalanwaltes ist für die EuGH-Richter nicht bindend, sie folgen ihr aber üblicherweise in vier von fünf Fällen. Ein Urteil in der Causa wird im kommenden Frühjahr erwartet.

Tiroler Politiker enttäuscht
Die Tiroler Landesregierung hat am Mittwoch auf den Schlussantrag der Generalanwältin enttäuscht reagiert. Sollte der EuGH der Argumentation folgen, wäre das ein "Kniefall vor der Transportlobby und ein Schlag ins Gesicht der Tiroler Bevölkerung", sagte Landeshauptmann Günther Platter (VP) gegenüber Radio Tirol. Zunächst müsse man aber abwarten wie der EuGH tatsächlich entscheiden werde. Platter zeigte sich überzeugt, dass Tirol gute Argumente auf seiner Seite habe. Insbesondere weil Tirol versucht habe, das sektorale Fahrverbot im Zusammenwirken mit Europa zu gestalten.

Ähnlich sah das LHStv. Hannes Gschwentner (SP): "Ich habe so eine Entscheidung überhaupt nicht erwartet". Auf Tiroler Seite sei man sich sicher gewesen, dass das sektorale Fahrverbot nach den Vorbereitungen seit 2006 einer Prüfung standhalten werde. Noch sei aber die letzte Entscheidung nicht gefallen. Sollte das Verbot gekippt werden, wäre das eine "deftige Ohrfeige für die Umweltpolitik in der gesamten Europäischen Union", betonte Gschwentner.

Transitforum-Chef LA Fritz Gurgiser sieht in dem Schlussantrag einen "neuerlichen Rückschlag". Diese Lkw-Fahrverbote seien eine unabdingbare Maßnahme, um die von der Kommission vorgeschriebenen Luftreinhalterichtlinien einzuhalten, sagte er am Donnerstag.

Grüne fordern Alpentransitbörse
Die Tiroler Grünen forderten am Donnerstag erneut die Einrichtung einer Alpentransitbörse. Damit könnten die Transitfahrten über den Brenner gedeckelt werden, argumentierte Klubobmann Georg Willi. In Anlehnung an das frühere Ökopunktesystem schlagen die Grünen 1,1 Millionen Fahrten als obere Grenze vor.

Die Rechte für diese Transitfahrten sollten dann auf einer Börse gehandelt werden. "Alle anderen Fahrten werden von der Straße verbannt, vor allem auf die Schiene", erklärte Willi. Ein zweite Variante könnte ein "Sanduhr- oder Tröpfchensystem" sein. Demnach dürfte aus Sicherheitsgründen nur eine bestimmte Anzahl an Transit-Lkw durch Tirol gelassen werden.

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