Vertrauens-Kampf

Prügelei bei Abstimmung um Italiens Berlusconi

Ausland
14.12.2010 22:48
Der "Schicksalstag" für Italiens Premierminister Silvio Berlusconi am Dienstag hat sich äußerst turbulent gestaltet: Bei der zweiten von zwei Misstrauensabstimmungen, denen sich seine Regierung in den beiden Parlamentskammern stellen musste, hatte sich eine Schlägerei zwischen Politikern der Lega Nord und Anhängern des Berlusconi-Abtrünnigen Gianfranco Fini entwickelt. Berlusconi gewann die Abstimmung in der Abgeordnetenkammer, zuvor hatte er auch in der Senatskammer das Vertrauen erhalten.

Die Handgreiflichkeiten in der größeren der beiden Parlamentskammern, der Abgeordnetenkammer, brachen aus, nachdem die Fini-Parlamentarier Katia Polidori, Giampiero Catone und Maria Grazia Siliquini entgegen der Parteilinie für die Regierung stimmten. Daraufhin kam es zu einer Schlägerei zwischen dem Fini-Anhänger Fabio Granata und einem Lega-Parlamentarier. Berlusconis Gefolgsleute wiederum beschimpften Parlamentspräsident Fini und forderten dessen Rücktritt, den dieser aber kategorisch ausschloss.

Wegen der Rauferei musste Fini die Abstimmung vorübergehend unterbrechen, die jedoch nach wenigen Minuten wieder aufgenommen wurde. Berlusconi gewann die Abstimmung knapp: Für die Regierung stimmten 314 Parlamentarier, 311 votierten für den Misstrauensantrag der Opposition. Nach der Abstimmung dankte Berlusconi seinen Abgeordneten für das Vertrauen. "Ich hatte mit dem Erfolg gerechnet", erklärte der Premierminister.

Berlusconi-Sieg mit 162 zu 153 im Senat
Am Vormittag hatte Berlusconi die erste Hürde im Senat, wo er trotz des Fini-Austritts über eine Mehrheit verfügt, erwartungsgemäß genommen. 162 Senatoren sprachen der seit zweieinhalb Jahren amtierenden Mitte-Rechts-Regierung von Berlusconi ihr Vertrauen aus, 135 stimmten dagegen. Elf Senatoren blieben dem Votum fern.

Für die Regierung stimmten die Parlamentarier der Regierungsparteien "Volk der Freiheit" um Berlusconi und die Lega Nord. Die Oppositionsparteien PD, IDV, die Zentrumspartei API und die christdemokratische UDC sowie zwei Senatoren der süditalienischen Autonomiebewegung MPA stimmten gegen die Regierung. Die SVP und die Rechtsfraktion "Zukunft und Freiheit in Italien" um Berlusconis Ex-Verbündeten Fini enthielten sich der Stimme. Letztere wollten damit Berlusconi noch vor der Abstimmung in der Abgeordnetenkammer zum Rücktritt auffordern.

SVP: "Beweise für Stimmenkauf durch Berlusconi"
Nach Einschätzung des SVP-Kammerabgeordneten Siegfried Brugger habe Berlusconi sich nur durch Stimmenkauf im Sattel halten können. "Es gibt mindestens drei bis vier Parlamentarier, wo dieser Stimmenkauf mit konkreten Anhaltspunkten verbunden ist", sagte Brugger am Dienstagabend in der "ZiB2". Er verteidigte die Entscheidung der beiden SVP-Abgeordneten, sich bei der Misstrauensabstimmung zu enthalten. Man wolle sich nicht an der "Implosion" der Berlusconi-Partei beteiligen. "Wir sind in Rom, um die Interessen unseres Landes wahrzunehmen", sagte der Südtiroler Politiker.

Brugger zeigte sich jedoch erleichtert, dass seine Enthaltung und jene des zweiten SVP-Abgeordneten Karl Zeller nicht entscheidend für den Ausgang des Votums war, das Berlusconi mit 314 zu 311 Stimmen für sich entschied. Zugleich räumte Brugger ein, dass die rechtsgerichtete Mehrheit in Rom in jüngster Zeit "gesprächsbereiter" gegenüber Südtirol sei als noch vor Monaten. Doch habe dies das Stimmverhalten der beiden SVP-Abgeordneten nicht beeinflusst. "Natürlich versuchen wir mit jeder Regierung in Rom eine korrekte oder solide Zusammenarbeit zu haben, weil wir auf unser Land schauen", sagte Brugger.

Tumulte bereits bei Senatsabstimmung
Auch bei der Senatsabstimmung war es turbulent zugegangen: Kurz vor dem Votum hatte der italienische Oppositionspolitiker Antonio Di Pietro mit einer scharfzüngigen Ansprache gegen das Kabinett Berlusconi aus dem Saal verjagt. "Heute beginnt das Ende Ihres Kartenhaus-Imperiums. Sie sind an der Endstation angelangt", sagte Di Pietro, Chef der Oppositionspartei "Italien der Werte". Daraufhin verließen Berlusconi, mehrere Regierungsmitglieder und Parlamentarier der Regierungskoalition aus Protest den Plenarsaal.

"Wir haben einen Premierminister, der sich im Ausland lächerlich macht und dort verspottet wird. Wir schämen uns, einen Regierungschef zu haben, der die Polizei anruft, um seine Freundinnen zu retten, und der sich die Stimmen der Oppositionsparlamentarier erkauft, um sich die Mehrheit zu garantieren", sagte Di Pietro in Anspielung auf Berlusconis Sexaffären und auf den Vorwurf des Postenschachers, den die Oppositionsparteien gegen den Premierminister erhoben haben. Er rief Berlusconi auf, sich der Justiz zu stellen.

Als der Premier den Plenarsaal verließ, beschimpfte Di Pietro ihn als "Feigling". "Flüchten Sie auf die Bahama-Inseln! Verstecken Sie sich! Nur diese zwei Möglichkeiten gibt es für Sie: Sich der Justiz zu stellen oder zu flüchten. Das erwarten jetzt die Bürger, die sich von Ihrer faschistischen Propaganda haben betören lassen", so Di Pietro.

Berlusconi bleibt, Fini wackelt, Lega fordert Neuwahlen
Berlusconi kann nun im Amt bleiben. Die Mehrheit, auf die sich der Premierminister noch stützen kann, ist aber dünn. Berlusconi will deshalb Verhandlungen in die Wege leiten, um seine Koalition auf die oppositionelle christdemokratische Partei UDC auszudehnen. Nach der Abstimmung unterhielt sich Berlusconi kurz mit UDC-Vorsitzendem Pier Ferdinando Casini. Der Koalitionsbeitritt der UDC würde in Rom zu einer Regierungsumbildung führen. Wäre Berlusconi bei der Abstimmung gescheitert, hätte er zurücktreten müssen.

Das Ergebnis der Abstimmung in der Abgeordnetenkammer wird von politischen Beobachtern als schwere politische Niederlage für Fini bewertet, der nach seinem Bruch mit Berlusconi im vergangenen Juli eine eigene Rechtspartei gegründet und den Misstrauensantrag gegen den Premierminister eingereicht hatte. Fini erklärte nach der Abstimmung, er wolle sich Zeit nehmen, um das Ergebnis des Votums zu kommentieren. Berlusconi treue Parlamentarier fordern seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten der Abgeordnetenkammer.

Die mit Berlusconi verbündete rechtspopulistische Regierungspartei Lega Nord beobachtet die politischen Entwicklungen indes mit wachsender Sorge. "Es ist ein Chaos. Die einzige Lösung sind Neuwahlen. Die Leute, die all dies im Fernsehen sehen, wenden sich von der Politik ab. Sie begreifen, dass es so nicht weitergehen kann", kommentierte Lega-Chef Umberto Bossi.

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