In Hotel „eingesperrt“

Quarantäne in Thailand: Ein Stunden-Protokoll

Reisen & Urlaub
28.02.2021 21:00

krone.at-Redakteurin Denise Zöhrer hat sich - natürlich unbeabsichtigt - eine besonders aufregende Zeit für eine Weltreise ausgesucht. Das vergangene Jahr verbrachte sie mehr oder weniger freiwillig in Australien - unter anderem auf einer Schaffarm und in einem Sanctuary für Wildtiere. Doch jetzt geht die Reise endlich weiter. Die „Weltbummlerin-to-be“ verschlug es nun nach Thailand - doch bevor sie das Land erkunden kann, müssen erst einmal 15 Tage Quarantäne abgesessen werden. Ein Protokoll ihrer ersten Stunden im Hotelzimmer.

6.30 Uhr: Ich bin wach. Mache Instant-Kaffee und notiere: „Richtige Milch bestellen“ auf meinem Notizblock.
8.04 Uhr: Es klopft. Ich bin so aufgeregt, dass ich ein Instareel von mir mache, wie ich das Frühstück entgegennehme.
8.05 Uhr: Bumm. Sie haben mir richtige Milch gegeben! Unaufgefordert. Beschämt streiche ich „Richtige Milch bestellen“ auf meinem Block durch.
8.15 Uhr: Es ist viel zu viel! Ich habe Geschirr im Zimmer, aber kein Messer. Eventuell eine Sicherheitsmaßnahme. Ich buttere mein Brötchen mit dem Löffel. Das Obst schaffe ich nicht mehr.
8.36 Uhr: Ich höre ein Gerücht, dass ein alter Amerikaner namens Glenn (Zimmer 130) einen Ausbruchsversuch gewagt hat. Er ist von seiner Terrasse runter und wurde bei einem „Spaziergang“ eingefangen. Gut zu wissen: Es hat keine Konsequenzen für ihn.

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Ich habe Geschirr im Zimmer, aber kein Messer. Eventuell eine Sicherheitsmaßnahme. Ich buttere mein Brötchen mit dem Löffel.

Denise Zöhrer

10 Uhr: Der Wecker klingelt für meinen virtuellen Termin mit der Krankenschwester. Das Thermometer hat eine Packungsbeilage, die grafisch orale, rektale und Unterarm-Messmethode erklärt. Ich schließe nicht aus, aus Langeweile innerhalb der 15 Tage die Methode zu wechseln, denke aber, eine bestimmte Reihenfolge wäre hier ratsam.
10.06 Uhr: Draußen rennt ein Typ mit Maske im Kreis, ich glaube, das ist der später erlaubte Ausgang. Dieser Mann hat erreicht, wovon ich vorerst nur träumen kann.
10.14 Uhr: Ausbrecher Glenn und ich sind jetzt Facebook-Freunde.

11.10 Uhr: Der nächste Mann ist mit Auslauf dran, er sieht wesentlich besser aus und hat kein Shirt an. Ich muss sagen, ich mag es hier.
11.59 Uhr: Es zieht mich geradezu magnetisch ins Zimmer. Höre Rascheln vor der Türe. Es klopft um Punkt 12.01!
12.17 Uhr: Ich bin schon fertig. Fish and Chips, sehr lecker. Das Ketchup hamstere ich für schlechte Zeiten. Enthusiastisch bestelle ich meine Mahlzeiten für morgen im Restaurant-Gruppenchat. Ich kenne meine Mitinsassen nicht, werde mich aber an Persönlichkeitsanalysen anhand ihrer Speisenauswahl versuchen.

12.30 Uhr: Der Schweiß rinnt in Strömen. 30 Grad. Sehnsüchtig blicke ich auf den fünf Meter entfernten Pool. So nah und doch so fern.
13.00 Uhr: Ich bin fertig mit einer Folge „Zeit Verbrechen“. Auf meiner Terrasse gibt es eine Ameisenstraße. Ich würde sagen, wir haben ein neues Tageshighlight!
13.07 Uhr: Ich komme mit meiner Nachbarin Tina ins Gespräch. Eine ältere Dame aus England. Es ist ihr zwölfter Tag, ich darf mich also emotional nicht zu sehr binden.
14.14 Uhr: Draußen sitzen drei Mitinsassen gemeinsam herum, ich sehe keine Babyelefanten. Ein weiterer joggt mit Maske um den Pool, macht aber alle fünf Meter ca. 30 Meter Gehpause, was mich nicht wundert. Ich halte es draußen gar nicht mehr aus und gehe ins klimatisierte Zimmer.
14.56 Uhr: Tauben kühlen sich im Pool ab. Ich hab' in meinem Leben noch nie eine Ohrfeige bekommen, aber denke, so muss sich das anfühlen.

17.00 Uhr: Das Abendessen ist schon da, ich bin irritiert. Obwohl ich pappsatt bin, machen mir 15 Stunden ohne Klopfen an der Türe etwas Angst.
17.05 Uhr: Der heruntergefallene Reis wird prompt auf die Ameisenstraße geladen. Da kann sich das thailändische Fernsehen eine Scheibe Spannung abschneiden!
17.12 Uhr: Gäste loben das Essen im Gruppenchat. Der Koch liest mit, das ist eine gute Taktik, um sich die ein oder andere extra Ananasscheibe zu erschleimen.

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Ich hab geschnittene Zitronen bekommen. Kein Messer. Man denkt wohl, ich wäre noch nicht so weit. Selten wurde ich so fürsorglich auf meinen Platz verwiesen.

Denise Zöhrer

18.02 Uhr: Die Krankenschwester schickt mir ein Google-Formular mit Fragen zu meinem Stresslevel. Nachdem ich überall den geringsten Wert angekreuzt habe, fühle ich mich in einer ausreichend guten Position, um die Restaurantleitung nach Zitronen und einem Messer zu fragen.
18.20 Uhr: Well played - ich hab geschnittene Zitronen bekommen. Kein Messer. Man denkt wohl, ich wäre noch nicht so weit. Selten wurde ich so fürsorglich auf meinen Platz verwiesen.
19.28 Uhr: „Netflix and chill“ ist heute tatsächlich nur genau das. Na ja, die neue Realität.

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