"Krone"-Reportage

Familienangehörige werden zum Pflegefall – was tun?

Steiermark
11.12.2010 16:04
Viele trifft es wie der Blitz aus heiterem Himmel, wenn ein Familienmitglied plötzlich professionelle Betreuung braucht. Wohin wenden? Wie kriegt man einen Pflegeplatz? Was kostet das überhaupt? Die "Steirerkrone" hat mit dem Leiter des Verbandes der Steirischen Alten-Pflege- und Betreuungsheime über diese wichtigen Fragen gesprochen.

Wie unkompliziert und sorgenfrei ist das Leben, wenn wir noch jung sind. Papa und Mama wachen über uns, bis wir selbst mit beiden Beinen im Berufsleben stehen, später freuen sie sich über die Enkerl - und plötzlich kann alles, völlig unvermutet und unvorbereitet, anders werden. Wenn das Schicksal den Opa oder die Oma zum Pflegefall macht.

Dann ist man gezwungen, eine Institution zu suchen, die sich um jenen geliebten Menschen kümmert, der früher so stark war, einem Kraft gegeben hat und nun Kraft braucht. Die besteht darin, den richtigen Ort mit den richtigen Menschen zu finden, die das Richtige tun, um der geliebten Person die bestmögliche und menschenwürdigste Versorgung für seine letzten Lebensjahre zu sichern.

Walter Dolzer leitet seit sechs Jahren den parteiunabhängigen und uneigennützigen Verband der Steirischen Alten-Pflege- und Betreuungsheime (VAB), dem neben privaten und kirchlichen Einrichtungen auch die Volkshilfe und die Caritas angehören. Der VAB vertritt eine Branche, die etwa 11.000 Betten und 7.500 Arbeitsplätze umfasst. Er ist die größte derartige Interessensvertretung der Steiermark. Und ihr Chef wird nicht müde, zu betonen, wie segensreich diese Einrichtung ist. Wer, wenn nicht er, kann mit seinem Know-how weiterhelfen, wenn uns das Leben plötzlich eine scheinbar übermächtige Verantwortung aufhalst und uns für die Zukunft von einst so starken, nun aber hilfsbedürftigen Lebensmenschen verantwortlich macht?

Duchschnittlich 95 Euro pro Heim-Tag
Wohin wenden wir uns? Wie kriegen wir einen Platz in einer diesbezüglichen Einrichtung? Und insbesondere: Was kostet es die Betroffenen und die Angehörigen? Walter Dolzer zur Kostenfrage: "Ein Tag in einem Pflegeheim mit einer durchschnittlichen Pflegestufe vier kostet netto 95 Euro, wobei festgehalten muss, dass bei einer Nichtauslage der eigenen Pension Zuschüsse bis zu 100 Prozent gewährt werden können. Natürlich ist es schwierig, jemandem, der in seinem privaten Wohnbereich mit der Mindestpension von 744 Euro das Auslangen finden muss und vielleicht auch noch den einen oder anderen Euro für die Enkerl spart, zu erklären, dass zur Erfüllung der gesamten gesetzlichen Auflagen allein gewaltige 70 Prozent der Gesamtkosten für das gesetzlich vorgeschriebene Mindestpersonal verwendet werden müssen."

Auf die Frage, ob in jedem Pflegeheim auch ausreichend Personal vorhanden ist, sagt Walter Dolzer: "Der Wunsch nach mehr geschulten Beschäftigten ist natürlich allgegenwärtig und auch verständlich, letztendlich ist er aber mit einer extremen Kostensteigerung für die Allgemeinheit verbunden."

Steiermark wird älter
"Bis 2014 wird der Zuwachs bei den über 85-Jährigen jährlich etwa 800 Menschen betragen", sagt Dolzer. Und: "Da ist absolut notwendiger Handlungsbedarf im Ausbildungsbereich notwendig." Sein Appell: "Man muss bedenken, dass die Ausbildung zum diplomierten Pfleger drei Jahre lang dauert und die zum Pflegehelfer mindestens ein Jahr. Die Ausbildung kann ab dem 17. Lebensjahr erfolgen. Ein 20-jähriger Pflegehelfer kann monatlich bereits 1.500 Euro netto verdienen. Dazu gibt's nicht nur attraktive Arbeitszeitmodelle, sondern auch hervorragende Aufstiegschancen."

200 Pflegeeinrichtungen im Land
In der Steiermark gibt es zur Zeit etwa 200 Pflegeeinrichtungen - "von einem Pflege-Notstand kann also absolut keine Rede sein," sagt Walter Dolzer. "In den vergangenen 15 Jahren haben Betreiber unterschiedlicher Trägerschaften mit einem Investitionsvolumen von weit über 400 Millionen Euro und oft mit gewaltigem Unternehmerrisiko mehr als 7.000 Pflegeheimplätze in unserem Land im Vertrauen auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Politik geschaffen - das hat den steirischen Steuerzahler massiv entlastet."

"Pflegeversicherung in Zukunft wohl unumgänglich"
Aber Achtung: "Durch die steigenden Ansprüche, die zunehmenden gesetzlichen Auflagen und die steigende Überalterung unserer Gesellschaft, wird die Sache im Bezug auf die Ausbildung des Fachpersonals und die zu Verfügung stehenden Betten immer teurer und komplexer - eine verpflichtende Pflegeversicherung wird daher in nächster Zukunft wohl unumgänglich sein." Immer wieder überschatten Verfehlungen einzelner Personen die, wie Dolzer nicht müde wird zu betonmen, "engagierten Leistungen" des Personals. "In diesem Zusammenhang sind einzelne Wortmeldungen von unqualifizierten Menschen mehr als verzichtbar. Das bringt unsere ganze Branche, die mit vollem Engagement bei der Sache ist, oft in Misskredit. Was wir - auch wenn das Schicksal oft unbarmherzig, unvorhergesehen und mit voller Härte zuschlägt - garantieren wollen ist, dass sich unsere Leute für pflegebedürftige Personen aufopfernd und professionell einbringen."

Kriterien bei der Auswahl eines Heims:

  1. Hat die Einrichtung einen Vertrag mit dem Land Steiermark? Ist die Einrichtung gemäß Sozialhilfegesetz durch das Land  anerkannt? Denn nur dann ist sichergestellt, dass bei nicht ausreichendem Einkommen und Vermögen die Restkosten gemäß gesetzlicher Tagsatzregelung übernommen werden können.
  2. Wer ist die Ansprechperson in der Pflege, wer die Ansprechperson für wirtschaftliche Fragestellungen?
  3. Wie erfolgt die ärztliche Versorgung? Gibt es auch fachärztliche Betreuung in der Einrichtung?
  4. Können erforderliche Therapeuten, wie Physio- und Ergotherapeuten, sofern erwünscht, angeboten werden? Wenn ja - wie oft und zu welchem Preis?
  5. Wie erfolgt die Verpflegung? Gibt es eine eigene Küche, kann bei  Speisen auf persönliche Wünsche eingegangen werden?
  6. Ausstattung der Zimmer: Welche und wie viele Nebenräumlichkeiten stehen zur Verfügung?
  7. Können eigene liebgewordene Gegenstände eingebracht werden?
  8. Können auch Haustiere mitgebracht werden, wenn ja, und zu welchen Konditionen?
  9. Erkundigen Sie sich auch über den Veranstaltungs- und Aktivitätskalender der Einrichtung
  10. Für welche Leistungen muss zusätzlich bezahlt werden?
  11. Inwieweit besteht in dieser Einrichtung die Möglichkeit, sich behutsam an die neue Lebenssituation zu gewöhnen, indem man etwa zuerst durch einen tage- oder wochenweisen Aufenthalt in der gewählten Einrichtung Vertrauen gewinnen kann?

von Werner Kopacka, "Steirerkrone"

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