In Salzburg gefasst

Kroatiens Ex-Premier Sanader: “Ich bin unschuldig”

Österreich
11.12.2010 19:46
Der in seinem Heimatland unter Korruptionsverdacht stehende und des Amtsmissbrauchs beschuldigte kroatische Ex-Premier Ivo Sanader, der am Freitag auf der Tauernautobahn in Salzburg festgenommen wurde, betrachtet sich offenbar als unschuldig. Er wolle die gegen ihn erhobenen "Vorwürfe so rasch wie möglich aus der Welt schaffen", sagte sein österreichischer Rechtsanwalt Werner Suppan am Samstagabend.

Sanader lege besonderen Wert auf die Feststellung, dass er sich "nicht auf der Flucht" befunden habe, sondern vielmehr im Begriff gewesen sei, nach Kroatien zurückzureisen. Sanaders Anwälte seien mit der kroatischen Staatsanwaltschaft in Kontakt gewesen, um einen Einvernahmetermin vorzubereiten, erklärte Suppan. Der frühere Regierungschef wolle mit den kroatischen Behörden kooperieren. Über Sanader wurde am Samstagvormittag in Salzburg die Auslieferungshaft verhängt.

Der 57-Jährige war am Freitag in Eben im Pongau von Zivilfahndern verhaftet und ans Landesgericht Salzburg überstellt worden (siehe Bild). Sanader, der als eine Schlüsselfigur in der Kärntner Hypo-Affäre gilt, hatte am Donnerstagabend wie berichtet seine Heimat fluchtartig verlassen, nachdem das Parlament in Zagreb seine Immunität aufgehoben hatte.

Die Festnahme des kroatischen Ex-Premiers erfolgte laut einem Beamten der Autobahnpolizeiinspektion St. Michael ohne Probleme auf der Tauernautobahn. Im Wagen saß auch Sanaders Bruder, der noch am Nachmittag das kroatische Fernsehen über den Zugriff informiert haben soll. Laut kroatischen Medien wollte Sanader offenbar in die USA, zumindest soll er ein Flugticket nach Washington bei sich gehabt haben.

Auslieferung könnte sich über Monate ziehen
Außenminister Michael Spindelegger erwartet eine Auslieferung Sanaders an Kroatien, wie er am Samstag am Rande des Mediengipfels in Lech am Arlberg betonte. Das kroatische Innenministerium erklärte, man warte nun die schriftliche Bestätigung der Verhaftung ab, die man dem Justizministerium in Kroatien vorlegen wolle, um den Vorgang des Auslieferns zu starten. Kroatische Medien spekulieren darüber, ob Sanader die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. In diesem Fall könnte ihn Österreich nicht ausliefern. Allem Anschein nach ist Sanader aber nur kroatischer Staatsbürger. Dennoch könnte sich die Auslieferung über Monate hinziehen.

Ein Journalrichter des Landesgerichts Salzburg hatte am Samstagvormittag die Auslieferungshaft über Sanader verhängt. Das teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Salzburg, Barbara Feichtinger, mit. Die Auslieferungshaft dauere zumindest 14 Tage, sagte die Staatsanwältin.

Dem Ex-Premier gehe es körperlich und psychisch gut, schilderte der Leiter der Justizanstalt Salzburg, Dietmar Knebel. Die erste Untersuchung durch eine Krankenschwester sei positiv verlaufen, Sanader werde am kommenden Montag noch von einem Arzt untersucht. "Jeder, der bei uns eingeliefert wird, durchläuft einen medizinischen Check", erläuterte Knebel. Sanader teilt sich die Zelle mit einem Häftling, dem ein Eigentumsdelikt angelastet wird.

Sanader-Firma in Innsbruck
Für Sanaders ursprünglichen Aufenthalt in Österreich gab es - außer einer möglichen Flucht - mehrere Gründe: Erst heuer hatte er die Prima Consulting GmbH gegründet - mit Firmensitz in der Innsbrucker Schmerlingstraße. Und nicht weit von Tirols Landeshauptstadt, in Götzens, lebt auch sein Bruder Miroslav, der vor zwei Jahren auf der Liste der Tiroler ÖVP für einen Sitz im Landtag kandidiert hatte.

Österreichs Justiz müsste nun die Gelegenheit nutzen, Sanader in der Causa der Kärntner Hypo Group Alpe Adria zu verhören. Wenn der konservative Ex-Premier, dem in Zagreb ein Hang zum Luxus nachgesagt wird, auspackt, könnte Sanader möglicherweise parallel  auch um politisches Asyl in Österreich ansuchen.

Sanader der nach kroatischen Medienberichten als "Kopf des Korruptionskraken" bezeichnet wird, soll in dubiose Geschäfte der Hypo involviert gewesen sein. Der in Haft sitzende frühere kroatische Zollchef und Sanader-Intimus Mladen Barisic sagte aus, er habe in den vergangenen drei Jahren rund vier Millionen Euro in bar in Sanaders Wohnung bringen müssen.

Beste Kontakte zu ÖVP-Politikern
Im Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gibt man sich zu Sanaders möglicher Einvernahme in Sachen Hypo jedenfalls höchst zurückhaltend. Das falle allein in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft, man werde von Seiten des Justizministeriums in dieser Frage nicht aktiv, heißt es.

Bekannt ist nur, dass der frühere Bundeskanzler Wolfgang Schüssel  enge Kontakte mit Sanader gepflegt hat - im Schlepptau dabei oft Erhard Busek. Und Sanader wirkte auch als Autor bei einer "Festschrift für Wolfgang Schüssel" mit - Thema: die Volksparteien als Bollwerk gegen den allgemeinen Werteverfall.

Und als es um die mehrheitliche Übernahme der Kärntner Hypo Group durch die Bayern LB gegangen ist, hatte nicht nur die kroatische Nationalbank ein gewichtiges Wort mitzureden. Auch der damalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber soll in die Verhandlungen eingegriffen haben. In der Folge hat das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, dass die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik bei diesen Gesprächen eine Rolle gespielt habe. Kärntens ÖVP-Chef Josef Martinz bestätigte zumindest, dass es in dieser Sache "ein Ersuchen um Hilfe" gegeben habe.

Offene Fragen, die Ex-Premier Sanader vielleicht jetzt gegenüber Österreichs Justiz beantworten könnte.

von Claus Pándi (Kronen Zeitung) und krone.at

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