Hearing mit Experten

Koalition hat Defizit im Griff, das Budget aber vergeigt

Österreich
09.12.2010 12:19
Fünf von den Parlamentsparteien nominierte Experten haben der Regierung am Donnerstag bei einem Hearing im Parlament ihre Ansichten zu den Budgetplänen und der wirtschaftlichen Lage des Landes offenbart. Die Koalition konnte dabei Lob für die Handhabung des Defizits einstreifen - das Budget bzw. die Konsolidierung wurde aber den Expertenaussagen nach zu urteilen eher vergeigt.

Der von der ÖVP geladene frühere Wifo-Mitarbeiter Gerhard Lehner verwies auf den "deutlichen Aufwärtstrend" beim Wirtschaftswachstum. Dennoch hält er weitere Sparmaßnahmen für nötig. Deutschland strebe bis 2016 ein Defizit von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung an - daran werde sich auch Österreich orientieren müssen, so Lehner.

Außerdem warnte Lehner vor einem "Konflikt zwischen der älteren und jüngeren Generation" durch die stark steigenden Pensionskosten - die mit den Budgetmaßnahmen nicht ausreichend eingedämmt werden. Die "Dynamik in der Pensionsentwicklung" gehöre gebremst. Einen Risikofaktor für 2011 sieht Lehner auch in den Länder-Budgets, die bei den Sparaufträgen ja ebenfalls mehr oder weniger ungeschoren davonkamen.

SPÖ und Grüne kritisieren Einsparungen im Sozialbereich
Wifo-Konjunkturexperte Markus Marterbauer - von der SPÖ für das Hearing nominiert - hält das Budget "der konjunkturellen Lage angemessen". Allerdings kritisierte er einige "unangemessen schwere Einschnitte" bei der außeruniversitären Forschung und der Familienbeihilfe und plädierte für einen stärkeren Ausbau der Kinderbetreuung. Marterbauer ließ aber durchblicken, dass das Wifo seine Konjunkturprognose kommende Woche neuerlich nach oben revidieren dürfte. Zuletzt hatte das Wifo für 2010 mit zwei Prozent Wachstum gerechnet. "Weniger wird es sicher nicht."

Der von den Grünen eingeladene AK-Experte Bruno Rossmann hält angesichts der guten Konjunktur sogar schon für heuer ein Defizit von unter vier Prozent des BIP für möglich. Das Sparpaket bezeichnete er aber als "sozial unausgewogen" und befürchtet, dass es zu Wachstums- und Beschäftigungsverlusten führen könnte. Rossmann forderte mehr Engagement bei der Verwaltungsreform und insbesondere bei der Reform der Steuerstrukturen. Er plädierte unter anderem für eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und eine Senkung der Abgaben auf Arbeit.

FPÖ- und BZÖ-Experten fordern Verwaltungsreform
Der von der FPÖ ins Rennen geschickte Deutsche Ulrich Wlecke, Partner der Beteiligungsgesellschaft Elbe Partners, verwies darauf, dass das Sparpaket kaum echte Ausgabenkürzungen bringt. Im Wesentlichen würden die Ausgaben nur weniger stark steigen als ursprünglich geplant. Es brauche daher weitere Anstrengungen, um auch das strukturelle Defizit zu senken, betonte Wlecke. Eine deutliche Warnung lieferte er vor gemeinsamen Staatsanleihen der Euro-Länder. Dies würde auch für Österreich weit höhere Zinszahlungen bedeuten, so Wlecke. Finanzminister Josef Pröll hat sich Anfang der Woche klar gegen "Eurobonds" ausgesprochen.

Für Michael Jäger, den vom BZÖ eingeladenen Generalsekretär des europäischen Steuerzahlerbundes, hat Österreich "ein strukturelles Ausgabenproblem". Die Notwendigkeit für weitere Steuererhöhungen sieht er daher nicht: "Österreich ist kein Niedrigsteuerland."

Pröll und Schieder sehen Österreich "vorne mit dabei"
Pröll hat den Budgetkurs der Regierung gegenüber den Experten verteidigt. Österreich habe mit der Steuerreform 2009 und den Konjunkturpaketen "den richtigen Mix gefunden, um beim Aufschwung vorne mit dabei zu sein", sagte Pröll.

Österreich sei bei Budget, Wachstum und Arbeitslosigkeit "relativ gut positioniert", meinte auch SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder. Es gehe um "Haushaltskonsolidierung mit Augenmaß": "Letztlich ist es Aufgabe dieses Haushalts, nicht irgendwie Weltmeister zu sein, sondern das Notwendige zu tun."

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