Schul-Absturz

Schmied: Reformen in zehn Bereichen gegen PISA-Misere

Österreich
07.12.2010 15:30
Nachdem die verheerenden PISA-Resultate der österreichischen Schüler jetzt offiziell auf dem Tisch liegen, stellt Unterrichtsministerin Clauda Schmied den Kritikern und Reform-Blockierern die Rute ins Fenster. Sie listet zehn Handlungsfelder auf, in denen es Maßnahmen geben müsse. "Lasst Worten Taten folgen!", appelliert die SPÖ-Ministerin "an alle Entscheidungsträger, Reformen zu ermöglichen". Die meisten sind aber noch mit gegenseitigen Schuldzuweisungen beschäftigt.

"Einberufung eines nationalen Bildungsdialogs", "Weitere Reformschritte gefordert", "Kärntner Landesregierung fordert raschen Bildungsgipfel", "Bildungsreform zügig vorantreiben", "Änderungen im Schulsystem dringend notwendig", "Bildungsreform fortsetzen statt blockieren" - so titelten am Dienstag die Parteien und Interessensverbände ihre Reaktionen auf die PISA-Resultate.

Nicht nur scheinen sich alle Akteure einig darüber, dass es eine Reform geben muss. Anhand der Vorwürfe - beispielsweise, es herrsche eine "bildungsfeindliche Kultur im Land" - lässt sich auch erkennen, dass die meisten wissen, dass "nichts weitergeht".

Schmied: "Ich trage die volle Verantwortung"
"Damit keine Missverständnisse aufkommen: Als Bildungsministerin trage ich die volle Verantwortung für unsere Schulen", betonte Schmied bei der PISA-Präsentation am Dienstag (siehe Video). Und legte sogleich ihre Antwort auf die Misere vor: Für die Zukunft hat Schmied zehn Handlungsfelder im Auge - darunter bereits begonnene Projekte wie das verpflichtende Kindergartenjahr oder die Reduzierung der Klassenschülerzahl, den Ausbau der Neuen Mittelschule und ganztägiger Schulangebote sowie der Einführung von Bildungsstandards ab 2012 ein neues Dienstrecht für die Lehrer (Details zu allen zehn Handlungsfeldern siehe Infobox).

Es dürfen nun die üblichen PISA-Rituale - "(1) PISA-Präsentation, (2) Wer hat Schuld? (3) Gründung von Kommissionen, (4) geringe Reformbereitschaft" - erst gar nicht beginnen. "Ich appelliere an alle Entscheidungsträger, den Weg gemeinsam mit uns zu gehen und Reformen zu ermöglichen. Unterstützung erfahren wir durch die Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Eltern, Sozialpartner sowie die konstruktiven Kräfte unseres Regierungspartners. Parteipolitische Grenzen müssen im Interesse unserer jungen Menschen und der Zukunft Österreichs überwunden werden. Lasst Worten Taten folgen!", so die Ministerin.

Reformen "nicht immer mit Geld zu tun"
Für Schmied ist derzeit "das System Schule weit überfordert mit dem, was es aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten leisten muss". Gleichzeitig sei aber klar, dass man vieles davon nicht einfach delegieren könne: "Die Schule muss mehr Aufgaben übernehmen." Das gehe von ganztägigen Angeboten über die Sprachförderung via "Teamteaching", etc. Der Zustand der Schule sei derzeit von "Planwirtschaft" geprägt - alles werde über Inputs gesteuert. Dies müsse man in Richtung Kompetenzorientierung verändern. "Das hat nicht immer nur mit Geld zu tun", meint Schmied.

Zu etwaigen Fehlern - die getesteten Schüler sind alle noch im System der ehemaligen ÖVP-Schulministerin Elisabeth Gehrer "groß geworden" - wollte sich die Ministerin nicht näher äußern: Natürlich hätte man vieles rascher machen können - "aber wir sind eine Koalitionsregierung, und da muss man das Wünschbare hinter das Machbare zurückstellen, ohne das Wünschbare aus den Augen zu verlieren". Mit ihrer bisherigen Arbeit ist Schmied zufrieden - nicht aber mit der Umsetzung der Reformen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen
Von raschen Reformschritten wollen die Partei-Bildungssprecher am "Tag 1" aber offenbar noch nichts wissen. Bis Dienstagnachmittag waren die Reaktionen geprägt von Schuldzuweisungen und Appellen an den Gegner, doch auf die jeweils eigene Reformlinie einzuschwenken. ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon warnte beispielsweise vor einer "Hysterie". Es könne nicht sein, dass wegen eines "punktuellen Testergebnisses das gesamte System infrage gestellt wird", schmetterte er SPÖ-Forderungen nach der Gesamtschule ab. Gleichzeitig übte Amon scharfe Kritik am PISA-Erheber, dem Bundesinstitut für Bildungsforschung, weil dieses die Hinweise der OECD, dass wegen der Boykottaufrufe zum Zeitpunkt der Tests die Ergebnisse verfälscht sein könnten, "nicht ernst genommen, sondern kleingeredet" habe.

ÖVP-Chef Josef Pröll bezeichnete das PISA-Ergebnis als "desaströs", stieß aber dann ins selbe Horn wie Amon. Es dürfe jetzt keine Themaverfehlung in Richtung Gesamtschuldebatte geben. Pröll hat seine eigene Bildungstheorie: "Die PISA-Ergebnisse beruhen vor allem auf den Lesemängeln und das wird in der Volksschule gelehrt. Dort haben wir als einziges in Österreich eine Gesamtschule." Ein "vernichtendes Zeugnis" stellte Schmied die ÖVP-Niederösterreich aus. Deren Chef Erwin Pröll befindet sich ja bekanntlich im Clinch mit Schmied um die Lehrerkompetenzen und blockiert dabei gleichzeitig die Verhandlungen um ein neues Dienstrecht.

Grünen-Bildungssprecher Harald Walser attackierte am Dienstag frontal die Volkpartei: Angesichts der PISA-Ergebnisse "ist die Blockadehaltung der ÖVP nichts anderes als Raubbau an der Zukunft unserer Kinder". Er forderte 1.000 zusätzliche Lehrer, die an Volksschulen Sprach- und Lesekompetenz fördern sollen.

BZÖ: "Gegenüber Betonierer-Fraktion endlich durchsetzen"
Für BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Hauber wirft die PISA-Studie "ein Bild auf unser gesamtes Schulsystem, das absolut reformbedürftig ist". Schmied müsse sich "gegenüber der Betonierer-Fraktion endlich durchsetzen und muss dieser bildungspolitischen Entwicklung in die falsche Richtung einen Riegel vorschieben". Sie solle endlich ihre angekündigten Reformvorschläge vorlegen, "wenn ihr das nicht gelingt, dann muss sie als Ministerin zurücktreten".

Für FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl trägt die Regierung "die volle Verantwortung für das PISA-Desaster". Seit Jahren würden SPÖ und ÖVP im Bildungsbereich nur Verlierer produzieren: "Schlecht ausgebildete Schüler, frustrierte Lehrer, desillusionierte Studenten und verzweifelte und finanziell belaste Eltern."

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