Israilov-Prozess

Witwe erzählt im Zeugenstand von Umars Ängsten

Österreich
03.12.2010 14:23
Im Prozess um den Mord an Umar Israilov sind am Freitag im Wiener Straflandesgericht die Witwe und der Vater des am 13. Jänner 2009 im Bezirk Floridsdorf erschossenen tschetschenischen Flüchtlings vernommen worden. Die Frau schilderte im Zeugenstand, wie ihr Ehemann aus Angst um sein Leben eine Pistole erwarb und ihr gegenüber die Befürchtung äußerte, die Polizei werde erst nach seinem Tod kommen.

"Er hat zu mir gesagt, er bekommt von der Polizei keinen Schutz", erinnerte sich die Witwe. Dabei hatte sich vor allem ein mit Israilov befreundeter Flüchtlingsbetreuer schon Wochen vor der Bluttat in an die Polizei gerichteten E-Mails darum bemüht. Am Nachmittag wurde Israilovs Vater als Zeuge erwartet.

Von Kadyrow gefoltert?
Umar Israilov war 2005 mit seiner Ehefrau aus Tschetschenien geflüchtet. Ursprünglich hatte der Mann aufseiten der Rebellen für ein von Russland unabhängiges Tschetschenien gekämpft. Er wurde gefangengenommen und soll dabei vom späteren, von Wladimir Putin eingesetzten, tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow persönlich gefoltert worden sein. Um sein Leben zu retten, verdingte sich Israilov dann in Kadyrows Leibwache, ehe er sich mit der Vorgabe, sich auf Kur begeben zu wollen, ins Ausland absetzte und dort vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein Verfahren gegen Kadyrow in Gang brachte.

Wie nun seine Witwe darlegte, wurde Umar Israilov bereits in Polen, das ihm ein paar Monate als Zwischenstation diente, bedroht, ehe er nach Österreich gelangte. Kadyrow habe ihn dort zweimal mit dem Mobiltelefon von Israilovs Vaters angerufen und ihn wissen lassen, dass er den Vater ins Gefängnis gesteckt habe: "Beim ersten Mal hat Kadyrow geschimpft und gesagt, dass er die gesamte Sippe beseitigt, wenn Umar nicht zurückkommt."

Den zweiten Anruf des Präsidenten habe ein Freund Umars entgegengenommen. Diesen habe Kadyrow gebeten, er möge ihrem Mann ausrichten, dieser habe die beim EGMR eingebrachte Klage zurückzuziehen und nach Tschetschenien zurückzukehren, sonst werde er "jemanden nach Europa schicken", so die Zeugin.

Israilov war nur noch bedingt sicher
Ihrer Schilderung zufolge war Umar Israilov in Österreich seit dem Sommer 2008 nur mehr bedingt sicher. Damals habe ein Tschetschene mit den Worten "Eine zweite Warnung wird es nicht geben" ihren Mann bei einem Treffen auf der Donauinsel aufgefordert, die rechtlichen Schritte gegen Kadyrow zurückzuziehen. Im Dezember 2008 habe dann Otto K. - der Erstangeklagte im Wiener Schwurgerichtsverfahren, der laut Anklage Israilovs Entführung und beabsichtigte Verbringung nach Tschetschenien geplant haben soll - zu überwachen begonnen. Ihr Schwager habe Umar mehrfach vor Otto K. gewarnt, von dem bekannt gewesen sei, dass er sich in inniger freundschaftlicher Umarmung mit Kadyrow fotografieren hatte lassen.

Dass der tschetschenische Präsident den Tod ihres Mannes zu verantworten hat, steht für die Witwe außer Zweifel. "Jeder, der einen Kopf auf den Schultern hat, hat gewusst, dass das Kadyrows Leute waren, die einen unschuldigen Menschen umgebracht haben," bemerkte sie abschließend.

Vater: "Man hat ihn nicht brechen können"
Umars Vater berichtete am Freitag, sein Sohn soll Kadyrow deshalb persönlich gefoltert worden sein, weil er bei der Tortur, der er nach seiner Gefangennahme unterzogen wurde, zunächst nicht zusammenbrach. Das habe ihm sein Sohn erzählt.

Wie Sharpudi Israilov weiter erklärte, habe sich Ramsan Kadyrow - damals noch Chef der berüchtigten Sicherheitstruppe Kadyrowzy unter seinem Vater, dem Präsidenten Achmat Kadyrow, der im Mai 2004 bei einem Mordanschlag ums Leben kam - "für Umar zu interessieren begonnen, weil er bei den Folterungen nicht geweint hat". Kadyrow habe diese daher verschärft, zu Elektroschockgeräten und einer Pistole gegriffen und damit seinen Sohn gequält. "Da sind ganz schlimme Sachen passiert. Aber man hat ihn nicht brechen können. Er war bereit zu sterben, wenn es nur ihn betroffen hätte", sagte der Vater.

Um Umar besonders zu erniedrigen, sei dieser schließlich gezwungen worden, als Leibwächter für Ramsan Kadyrow zu arbeiten. Hätte er sich geweigert, war ihm für diesen Fall angedroht worden, bei der Vergewaltigung sämtlicher weiblicher Familienmitglieder zusehen zu müssen, so Sharpudi Israilov.

Nachdem Umar Israilov die Flucht in den Westen gelungen war, wurde sein in Tschetschenien verbliebener Vater gefangen genommen und für elf Monate inhaftiert, wobei es ebenfalls zu Folterungen kam. Man habe Umar damit unter Druck setzen wollen, in seine Heimat zurückzukehren, gab der Vater zu verstehen.

Der Prozess wird am 19. Jänner 2011 fortgesetzt.

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