Redakteure empört

SPÖ-Protegé als “Innenminister des ORF” vorgesehen?

Österreich
02.12.2010 14:09
Im ORF machen dieser Tage wieder einmal Postenschacher-Gerüchte die Runde. Ein Name lässt dabei die Alarmglocken der redaktionellen Belegschaft des Rundfunks schrillen: Nikolaus Pelinka (li.). Der erst 23 Jahre junge SPÖ-Partei-Lobbyist und ORF-Stiftungsrat samt ÖBB-Posten wird als Generalsekretär einer neuen Küniglberg-Führung gehandelt. Die Position gibt es seit 1998 nicht mehr, davor war der Job als "Innenminister des ORF" verrufen.

ORF-General Alexander Wrabetz soll bei einer Redakteursversammlung bezüglich eines möglichen Wechsels Pelinkas in die ORF-Führung vage geblieben sei, was die Redakteure alarmierte. "Die Mitarbeiter sind total empört. Auf dem Rücken der ORF-Mitarbeiter wurden zuletzt mehrere Sparprogramme durchgezogen. Aber jetzt soll offenbar ein neuer Posten für SPÖ-'Freundeskreisleiter' Nikolaus Pelinka geschaffen werden. Das ist nicht akzeptabel", erklärte "Zeit im Bild"-Redakteurssprecher Dieter Bornemann am Donnerstag.

"Wir wollen keine politischen Besetzungen im ORF, egal aus welcher Partei. Damit wird die Unabhängigkeit des ORF mit Füßen getreten", so Bornemann. Und: "Wir werden dagegen kämpfen, wenn die Freiheit der Berichterstattung, an die wir uns in den vergangenen Jahren gewöhnt haben, zurückgestutzt werden soll."

Redakteure: "Werden jegliche Einflussnahme veröffentlichen"
Redakteursratsvorsitzender Fritz Wendl hält es unterdessen für "extrem gefährlich", dass das Gerücht über ein ORF-Engagement Pelinkas "von gar nicht so wenigen Leuten sehr ernst genommen" wird. Parteibegehrlichkeiten und das Eingehen der ORF-Führung darauf werde offenbar "von immer mehr Menschen als geradezu selbstverständlich empfunden".

Eine solche Stimmung untergrabe das wichtigste Gut des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks: "seine Glaubwürdigkeit". Die Öffentlichkeit könne sich aber darauf verlassen, dass die Journalisten "jeglichen ihnen bekannt werdenden unstatthaften Parteien-Einflussnahmeversuch veröffentlichen und bekämpfen werden".

Pelinka: "Dieses Gerücht ist absoluter Schwachsinn"
Pelinka selbst versteht die Aufregung nicht und dementiert ein mögliches ORF-Engagement. "Dieses Gerücht ist absoluter Schwachsinn und hat null Grundlage. Es wird nur deshalb gestreut, um das Unternehmen im Gerede zu halten", so Pelinka. Und auf Nachfragen meinte der SPÖ-Stiftungsrat: "Ja, ich schließe aus, dass ich in der nächsten Geschäftsführung in den ORF wechsle."

Im Büro des ORF-Generaldirektors war man am Donnerstag um Beruhigung bemüht. Wrabetz habe deshalb nicht näher zur Causa Stellung genommen, weil er sich, solange nicht klar ist, ob er noch einmal für den Posten des ORF-Chefs kandidiert, an Spekulationen über die Zusammensetzung des künftigen Teams der ORF-Geschäftsführung nicht beteiligen wolle. Wrabetz wolle darüber hinaus ganz grundsätzlich niemanden ausschließen, hieß es.

Generalsekretär als "Innenminister des ORF"
Generalsekretäre gab es im ORF von 1967 bis 1998. Sie galten als "Innenminister des ORF", die sich um die Aufgabengebiete Unternehmensstrategie und Kommunikation im Haus kümmerten, hielten aber ebenso Kontakt zu anderen Medien und noch mehr zur Politik. In Anlehnung an die Fußballer-Sprache wurden die ORF-Generalsekretäre auch als "Links-" oder "Rechts-Verbinder" tituliert.

Auf SPÖ-Seite zählten Gerhard Zeiler, der in den späten 1980er-Jahren direkt aus dem Kanzleramt, wo er Pressesprecher von Fred Sinowatz war, auf den Küniglberg wechselte, oder Laura Rudas' Onkel Andreas Rudas, der 1997 vom Posten des ORF-Generalsekretärs als SPÖ-Bundesgeschäftsführer in die Löwelstraße wechselte, zu den bekanntesten ORF-Generalsekretären. Für die ÖVP hielten unter anderem der spätere ORF-Finanzchef Peter Radel und "Licht ins Dunkel"-Initiator Kurt Bergmann die Stellung.

"Die Hackn hab i an zwei Nachmittagen nebenbei gemacht"
Bisher letzter ORF-Generalsekretär war Gerhard Weis, der den Job nach dem Abgang von Rudas neben seiner Funktion als Hörfunkdirektor erledigte. Als er 1998 zum ORF-Chef gewählt wurde, schaffte Weis die Funktion gleich ganz ab. "Die Hackn hab i an zwei Nachmittagen nebenbei gemacht", so ein überliefertes Zitat des damaligen ORF-Generals. Und Weis wehrte sich auch gegen eine erneute Installierung. Sollte ihm die schwarz-blaue Regierung einen Generalsekretär aufzwingen, würde er sofort seinen Hut nehmen, meinte er im Frühjahr 2001 - einige Monate vor seiner Abwahl.

2006, am Ende der Amtsperiode von Monika Lindner, wurden der ÖVP Ambitionen auf die Wiedereinführung des ORF-Generalsekretärs nachgesagt. Aus der SPÖ kam deshalb postwendend Kritik. "Völlig überflüssig" nannte SPÖ-Mediensprecher Josef Cap die Funktion. Diese koste "irrsinnig viel" und bringe nichts. Die Installierung eines Generalsekretärs sei "ein frecher Anschlag auf die Geldtaschen der Gebührenzahler", so Cap damals. ORF-General Wrabetz führte den Generalsekretär denn auch nicht wieder ein. Mit (dem kürzlich abgetretenen) Kommunikationschef Pius Strobl hatte er freilich einen Mitstreiter an seiner Seite, der der Job-Description sehr nahe kam.

"Versorgungsposten" oder Lobby-Job?
Ob das "politische Missbrauchsopfer Niko Pelinka" (Copyright: "Krone"-Innenpolitikjournalist Claus Pándi) als Generalsekretär einen typischen "Versorgungsposten" ausüben würde - wie ihm das derzeit bei seinem Ämtchen im Marketing der ÖBB nachgesagt wird -, oder auf dem Vorzimmerposten den roten Einfluss auf eine neue Geschäftsführung verstärken sollte, ist unklar. Die Gerüchte sind aber jedenfalls als Vorzeichen für eine bevorstehende vorzeitige Neuwahl der ORF-Führung zu werten. Das zerbröselnde Team um Alexander Wrabetz wäre bis Ende 2011 bestellt. Zuletzt forderten die ORF-Redakteure eine vorzeitige Absetzung der Geschäftsführung.

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