Nationalrat tagt

Budgetdebatte: “Apokalypse” vs. “Zukunftsbudget”

Österreich
01.12.2010 16:07
Bereits bei der offiziellen Vorstellung der neuen Familienstaatssekretärin Verena Remler um neun Uhr am Vormittag hat sich im Parlament am Mittwoch eine eher unschöne Wortschlacht zwischen Regierung und Opposition entwickelt. Die FPÖ legte dem neuen Regierungsmitglied gleich zu Beginn einen Rücktrittsvorschlag auf den Tisch (siehe Bericht in der Infobox). Die nachfolgende erste Budgetdebatte präsentierte sich nicht weniger hitzig - allerdings nur, solange die Fernseh-Übertragung lief.

Die Vorhersagung einer Apokalypse gegen die Vision eines "Zukunftsbudgets" - so lassen sich die Perspektiven von Opposition und Regierung auf den Haushaltsvorschlag für 2011 beschreiben. Bei der sogenannten "Ersten Lesung" zum Budget war dabei vor allem die - schon im Vorfeld oft geäußerte - geballte Kritik der Opposition in "voller Pracht" zu hören. Die Regierungsfraktionen traten an, um die geplanten Sparmaßnahmen zu verteidigen.

Cap und Kopf als Vorkämpfer
Als erste Redner stellten sich die Klubobleute von SPÖ und ÖVP hinter den am Vortag von Finanzminister Josef Pröll in der Budgetrede präsentierten Voranschlag für das nächste Jahr. Die Opposition blende aus, dass Österreich die Finanzkrise zu bewältigen habe - und die Regierung bemühe sich, dass dies sozial gerecht stattfindet, betonte SPÖ-Klubchef Josef Cap und verwies auf die weitaus schärferen Einschnitte in anderen EU-Staaten.

In Österreich hingegen gingen "die Folgen der Krise nicht zulasten der Armen". Viele "apokalyptische Prophezeiungen" der Opposition wie z.B. Streichung der 13. Familienbeihilfe oder Erhöhung der Mehrwertsteuer seien gar nicht eingetroffen. Cap erinnerte aber auch an die Vorschläge der SPÖ zur Verwaltungsreform - in der Bildung, bei der Gesundheit oder bei der Pflege. Diese Vorschläge stünden jetzt zur Diskussion, "mag sein, dass am Ende eine Diskussion über den Föderalismus neu herauskommt".

Österreich müsse jetzt handeln, damit die Schulden und die Zinszahlungen nicht weiter wachsen, verteidigte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf das Sparbudget. Es gebe keine Alternative, denn höhere Steuern würden Wachstum und letztlich den Sozialstaat schädigen. Kopf ging auf die Kritik außerhalb des Parlaments ein: Er verstehe, dass sich niemand gerne etwas wegnehmen lasse, aber es fehle ihm das Verständnis für die "Vehemenz" so mancher Protest-Gruppen - "da fehlt mir die Solidarität mit der nächsten Generation". Denn Österreich habe "eines der bestausgebauten Sozialsystem der Welt", die Kürzungen erfolgten "von sehr sehr hohem Niveau weg". Auch Kopf sprach eine aus Sicht der ÖVP nötige Reform an - nämlich weitere Maßnahmen zur Sicherung des Pensionssystems.

"No-Future-Paket", "Feigheit", "Geldeintreibungsaktion"
Aus den Reihen der Opposition war nur von den Grünen ein wenig Zustimmung zu Einzelmaßnahmen zu hören. Alle drei Parteien mahnten - mit diversen Vorschlägen und Anträgen dazu - eine Verwaltungsreform anstelle von Sparmaßnahmen ein.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht im Budget einen "Offenbarungseid des Scheiterns" der Regierung, die sich als "konzeptlos, ideenlos und hoffnungslos" erweise. Es sei ein "No-Future-Paket, das nichts mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat" und ein "'Knebelungs- und Plünderungspaket" vor allem für Familien.

Strache stellte klar, dass die FPÖ selbst - über die Kärntner Landesregierung - eine Verfassungsklage einbringen werde. Verfassungswidrig sei, dass es "für Familien keine Planungssicherheit mehr gibt", der Gleichheitsgrundsatz verletzt werde und das Budget verspätet eingebracht worden sei. Einmal mehr wetterte Strache gegen den Euro und die Beteiligung Österreichs an EU-Hilfsmaßnahmen für Griechenland oder Irland sowie die Bankenhilfe.

"Bildungsfeindlich, familienfeindlich und frauenfeindlich" nannte der Grüne Werner Kogler das Budget. Freundlich sei die Regierung nur gegenüber den Landeshauptleuten sowie den "Reichen und Superreichen". Er attestierte der Regierung "Feigheit": Weil sie das Budget wegen der Herbstwahlen verschoben habe, dort kürze, "wo sich die Leute am wenigsten wehren können", aber vor Stiftungsprivilegierten, Agrarlobbys und den Landeshauptleuten "in die Knie gegangen" sei - und schließlich in Sachen Unis und Schulen "schwindle". Details findet Kogler aber auch "gut", wie z.B. die Besteuerung der Aktiengewinne, die Flugticketabgabe oder die zur Verfügung gestellten Mittel für thermische Sanierung.

Für das BZÖ sind die Sparmaßnahmen "eine reine Geldeintreibungsaktion auf dem Rücken der Schwächeren, die sich nicht wehren können". Das Budget sei "planlos, hilflos und haltlos vor dem Verfassungsgesetz", befand Bündnis-Chef Josef Bucher. Auch er bekräftigte die Überzeugung, dass die Kürzungen im Familienbereich verfassungswidrig seien. Ein "Zukunftsbudget" sei das nicht, die Regierung setze den "alten Schuldpfad" fort und belaste damit die nächsten Generationen. Auch Bucher wetterte gegen die EU-Hilfen: Die Regierung beteilige sich an einem "Rettungsschirm" für andere Länder, während die Österreicher "im Regen stehen" und keinen Schirm bekämen, sondern "Belastungen, Bestrafungen und Steuererhöhungen".

Koalitionsspitze schimpft und lobt zurück
Nicht gerade erschüttert zeigte sich dann die Regierungsspitze nach der Kritik der Opposition an ihrem Budgetentwurf. Vielmehr priesen Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll in ihren Reden, wie gut sich Österreich in der Krise dank der koalitionären Maßnahmen am Arbeitsmarkt gehalten habe. Eine Ende der Budgetkonsolidierung bedeute der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr freilich noch nicht, konzedierte die Koalitionsspitze.

Ein bisschen geschimpft wurde mit der Opposition dann aber doch. Faymann erinnerte daran, dass es die höchste Arbeitslosigkeit gegeben habe, als die FPÖ in der Regierung war. Pröll wiederum erinnerte einmal mehr an das Debakel der Kärntner Hypo: "Den Schaden haben sie angerichtet und wir sanieren."

Was die Budgetkonsolidierung angeht, sieht Faymann einen "Teilschritt". Man habe etwa in Sachen Bildung oder Stabilitätspakt mit den Ländern in dieser Legislaturperiode noch einiges zu bewältigen. Gelungen sei aber schon, dass die Finanzen stabil seien und damit Finanzhaie, die anderswo tätig seien, in Österreich keine Chance hätten: "Wir wollen souverän bleiben in unserem Land, und dafür braucht man ein konsolidiertes Budget." Einen Dank gab es an den Koalitionspartner - und zwar dafür, dass nun doch Maßnahmen wie höhere Aktienbesteuerung und Bankenabgabe möglich wurden. In die Pflicht nehmen will der Kanzler nun offenbar doch auch die Länder. Gerade im Gesundheitsbereich müsse es effizienter zugehen. Mittel würden vor allem für die Pflege benötigt.

Pröll verteidigte gegen Kritik der Rechtsparteien die Stützmaßnahmen der EU für die ins Trudeln geratenen Länder wie Griechenland und Irland. 1929/30 bei der großen Wirtschaftskrise sei genau das passiert, was nun von dieser Seite gewünscht werde - eine nationale Abgrenzung. Die Folgen seien bekannt. Klar gebe es jetzt in einzelnen Ländern eine dramatische Lage. Diese sei aber beherrschbar, wenn alle zusammenstünden.

Gewürdigt wurde vom Finanzminister noch einmal, dass Österreich im internationalen Vergleich gut da stehe. Die EU-weit niedrigeste Arbeitslosigkeit sei nicht vom Himmel gefallen, sondern durch Maßnahmen der Regierung ermöglicht worden. Und zwar sei es richtig, dass der Schuldenstand steige, er werde sich aber bei 72 Prozent des BIP einpendeln: "Das ist ein europäischer Spitzenwert."

Nach TV-Aus sprach Schüssel vor leerem Parlament
So groß die Aufregung rund ums Budget seit dem Sommer auch ist, das Interesse im Plenum des Nationalrats erlosch schnell, als die Live-Kameras des Fernsehens ihren Dienst planmäßig um 13 Uhr beendeten. Schon eine halbe Stunde später musste sich Altkanzler Wolfgang Schüssel mit gerade einmal gut 50 Abgeordneten begnügen, als er über die Sinnhaftigkeit des Euro-Schutzschirms und WikiLeaks zum Auditorium sprach. Fast schon geknickt angesichts der mangelnden Sitzdisziplin aller Fraktionen meinte dann sogar FP-Budgetsprecher Alois Gradauer: "Es ist eigentlich unmöglich, dass ein ehemaliger Bundeskanzler vor fast leeren Reihen sprechen muss." Gegen 20 Uhr war die Debatte schließlich beendet.

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