Hoffen auf Hilfe

Spartenobmann: „Vielen Geschäften droht das Aus“

Tirol
24.01.2021 19:00

Dieter Unterberger übernahm während der Corona-Krise die Funktion als Spartenobmann im Handel in der Tiroler Wirtschaftskammer. Im Interview mit der „Krone“ zieht er eine Bilanz über das vergangene Jahr, spricht über die aktuelle Situation und erklärt, welche Auswirkungen der Brexit auf Tirol haben wird.

„Krone“: Wie sieht die Bilanz im Tiroler Handel für 2020 aus?
Unterberger:
Die Umsätze im Einzelhandel belaufen sich auf rund acht Milliarden Euro und dürften über das gesamte Jahr in Tirol um rund vier Prozent zurückgegangen sein. Wobei die regionale und sektorale Betroffenheit sehr unterschiedlich ist.

Liegen auch schon Zahlen für Weihnachten vor?
Ja. Der Modehandel verzeichnet im Schnitt ein Umsatzminus von über 30 Prozent. Schuhhandel sowie Uhren- und Schmuckhandel müssen ein Umsatzminus von rund 25 Prozent hinnehmen. In den tourismusintensiven Orten sind die Umsätze durch die ausbleibenden Gäste natürlich noch einmal erheblich geringer.

Wie sieht es im Bereich des Onlinehandels aus?
Der Onlinehandel dürfte bis zu 20 Prozent zugelegt haben. Zwischen zehn und 15 Prozent der gesamten Handelsumsätze werden mittlerweile im Distanzhandel erzielt. Großer Gewinner ist der so genannte KEP-Markt (Kurier-, Express- und Paketdienst): Bei den zugestellten Paketen gab es eine Zunahme von rund 20 Prozent. Ungefähr 20 Millionen Pakete wurden in Tirol zugestellt und versendet.

Wie ist die Stimmung derzeit unter den Händlern?
Die Verlängerung des Lockdowns ist für die heimischen Handelsbetriebe eine Hiobsbotschaft. Die Liquidität wird immer knapper und vielen Betrieben droht das Aus, wenn sie jetzt nicht umgehend adäquat unterstützt werden.

Wie viele Betriebe stehen vor dem Konkurs?
Die Frage kann derzeit nicht beantwortet werden. Es hängt aber eindeutig damit zusammen, wie schnell die Wirtschaftshilfen ausbezahlt werden und die Liquidität der Unternehmer damit sichergestellt bleibt. Auch die „Deckel“, also die EU-rechtlichen Vorgaben, was die Auszahlungen betrifft, müssen deutlich erhöht werden. Für sehr viele größere Betriebe mit zahlreichen Mitarbeitern sind die Hilfen oft nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Kommen die finanziellen Hilfsspritzen überall an?
Wir haben hier sehr unterschiedliche Rückmeldungen. Die Auszahlungen aus Umsatzersatz und Härtefallfonds sind großteils relativ schnell geflossen, während es beispielsweise beim Fixkostenzuschuss aufgrund der höheren Komplexität teilweise zu Verzögerungen kommt. Für den indirekt stark betroffenen Zulieferbereich für die Gastronomie gibt es nach wie vor kein geeignetes Hilfsmodell, um die enormen Umsatzrückgänge zu kompensieren.

Wie läuft die Initiative „Ich kauf lokal“?
Wir haben festgestellt, dass die Tiroler Konsumenten sehr vernünftig agieren. Die Bereitschaft „Ja zu Tirol“ zu sagen und bei heimischen Fachhändlern statt bei internationalen Online-Riesen zu kaufen, ist gestiegen.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexits auf den Tiroler Handel ein?
2,3 Prozent der Tiroler Warenexporte, also rund 310 Millionen Euro, gehen Jahr für Jahr in das Vereinigte Königreich. Es ist damit lediglich der siebt-wichtigste Exportmarkt für Tiroler Waren. Der Brexit-Deal senkt das österreichische Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um jährlich 0,05 Prozentpunkte – verglichen mit einer „EU-artigen“ Beziehung mit dem Vereinigten Königreich. Für Tirol bedeutet dies einen Verlust von rund 15,5 Millionen Euro jährlich, gemessen an der Wertschöpfung 2019.

Manuel Schwaiger, Kronen Zeitung

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