Autorin Ingrid Brodnig

„Jeder von uns kann auf Fake News hereinfallen“

Tirol
24.01.2021 15:00

Lügen, Mobbing und Hass im Internet: Damit beschäftigt sich die 1984 geborene Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig bereits seit vielen Jahren. Im „Krone“-Interview gibt sie einen Einblick in ihr neuestes Buch mit dem Titel „Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern - in der Familie, im Freundeskreis und online“, das am 25. Jänner im Brandstätter Verlag erscheint. Anstoß für das Buch war die Corona-Pandemie, durch die in diesen Bereichen weltweit Hochkonjunktur herrscht. Zudem verrät Brodnig, wie sie die Social-Media-Verbannung von Donald Trump bewertet.

Krone: Was ist denn der Unterschied zwischen Fake News und Verschwörungsmythen?
Ingrid Brodnig: Viele Fake News, also erfundene Geschichten, sind auch gleichzeitig Verschwörungsmythen, aber nicht immer. Bei den Verschwörungsmythen kommt die Vorstellung einer dunklen Machenschaft hinzu. Sie geben das Gefühl, dass alles von irgendwem gesteuert werden würde. Personen, die an Verschwörungsmythen glauben, glauben oft auch, dass alles irgendwie zusammenhängt. Sie sehen Muster, wo eigentlich keine sind.

Wie kann ich diese Mythen und Fake News erkennen?
Es gibt hier drei Methoden. Erstens muss man sich die Frage stellen: „Wurde diese Nachricht oder Erzählung überprüft?“ Die einfachste Methode ist es, in Google die Behauptung einzugeben und das Wort „Faktencheck“ dazuzuschreiben. Viele der wiederkehrenden Falschmeldungen und Mythen wurden schon Hunderte Male überprüft. Als zweites sollte die Quelle überprüft werden. Wenn mir beispielsweise die Tante ein YouTube-Video schickt, das spektakulär klingt, sollte man den Account, der hinter dem Video steckt, prüfen. Wenn dort schon von einer drohenden, großen, neuen Weltordnung die Rede ist oder die absolute Wahrheit versprochen wird, sind das Warnsignale. Die dritte Möglichkeit ist die Prüfung der Logik. Viele Behauptungen sind nämlich auch inhaltlich nicht stimmig. Da kommt man dann selber zu der Erkenntnis: „Das ergibt absolut keinen Sinn.“

Wer sind die Personen, die derartigen Geschichten glauben? Kann es jeden treffen?
Prinzipiell ja. In den USA haben Wissenschaftler festgestellt, dass die Hälfte der Amerikaner mindestens an eine Verschwörungserzählung glaubt. Auch in Österreich gibt es Erfahrungen, die darauf hindeuten, dass relativ viele Menschen für solche Erzählungen empfänglich sind. So glauben drei von zehn Personen, dass hinter den Corona-Maßnahmen mehr steckt, als die Politik und Medien sagen. In Phasen großer Verunsicherung werden derartige Mythen immer beliebter. Viele Menschen haben das Gefühl, ihnen wurde der Boden unter den Füßen weggezogen. In solchen Momenten bietet eine Verschwörungserzählung Halt. Dass draußen ein Virus wütet, ist eine unangenehme Vorstellung für uns alle. Da kann es für manche feiner sein zu glauben, das Virus existiere nicht oder sei harmlos. Viele Fake News und Mythen arbeiten also stark mit der emotionalen Ebene. Sie sind nicht clever gemacht, sondern entsprechen der Erwartungshaltung ihrer Empfänger.

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Im schlimmsten Fall ist die Gewalt eine Folge.

Ingrid Brodnig

Worin liegt das Gefahrenpotenzial?
Sehr gefährlich ist zum Beispiel, wenn Menschen problematischen Gesundheitsempfehlungen glauben. Eine Frau, mit der ich gesprochen habe, erzählte mir, dass ihr Vater täglich Chlordioxid zu sich nimmt. Das ist ein Desinfektionsmittel, das aber als angebliches Wundermittel verkauft wird – auch gegen Corona. Mediziner warnen vehement vor einer Einnahme. Die Gefahr ist also, dass sich Menschen selber gefährden. Die zweite Gefahr ist, dass Personen, die glauben, dass alle Wahlen gefälscht sind, nicht mehr an demokratischen Prozessen teilnehmen. Die dritte und extremste Gefahr ist, dass Personen, die einem Mythos anhängen, zur Gewalt greifen. In Großbritannien gab es vergangenes Jahr über 70 Angriffe und Brandstiftungen gegen Handymasten, weil behauptet wurde, dass das 5G-Netz für Covid-19 verantwortlich sei.

Wenn ich merke, dass in meinem Umfeld jemand Fake News oder einem Mythos aufgesessen ist, wie sollte ich mit so jemandem am besten umgehen?
Zuerst sollte man vorfühlen, wie stark die Person von dem Mythos oder den Fake News eingenommen ist. In manchen Fällen sind Menschen ja nicht zu hundert Prozent von dem, was sie lesen oder sehen, sofort überzeugt. Sehr hilfreich ist es dann, ihnen konkrete Fragen zu stellen oder sie auf die fehlende Logik hinzuweisen. Die Betroffenen merken dann mitunter selbst, dass etwas nicht schlüssig ist. Das sollte man aber am besten persönlich machen. Viele derartige Geschichten bekommt man ja über Whats-App-Gruppen. Der erste Impuls ist, dass man in der Gruppe zurückschreibt und einen Faktencheck teilt. So stelle ich die Person aber vor der Gruppe bloß. Die Aufklärung sollte also im privaten Rahmen und möglichst wertschätzend erfolgen.

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Verbale Attacken sollte man bei der Aufklärung auf jeden Fall meiden.

Ingrid Brodnig

Welchen Fehler gilt es zu vermeiden bei solch einem Aufklärungsversuch?
Wovor ich eindringlich warne, ist, in eine aggressive Debatte zu geraten. Wer mit solchen Verschwörungsmythen oder Fake News konfrontiert wird, wird schnell auch selbst wütend. Dann fallen rasch Worte wie „ihr Covidioten“ oder Ähnliches. Davon rate ich ab. Wenn in einer Diskussion eine Beleidigung fällt, geht die Mitte des Gesprächs verloren und es verhärten sich die Fronten. Wenn ich jemanden mit Fakten überzeugen möchte, erschwere ich das durch solche verbalen Attacken.

Wie sollten die Medien mit Fake News und Verschwörungsmythen umgehen?
Sie können die Kompetenzen der Rezipienten stärken, indem sie aufzeigen, wo Fehler vorliegen oder was keinen Sinn ergibt. Dabei müssen sie das Richtige in den Vordergrund stellen und dürfen das Falsche jedoch nur kurz darlegen. Die Falschinformation darf nicht mehr Gewicht bekommen als die Aufklärung.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump wurde von Social-Media verbannt. Wie bewerten Sie das?
Trump hat mit seinen Behauptungen, dass die Wahl gestohlen worden sei, ein sehr gefährliches Klima geschaffen. Insofern verstehe ich es. Es zeigt aber auch, wie mächtig diese Plattformen sind. Hier braucht es Mechanismen, damit nicht Unternehmen entscheiden, wer eine Plattform bekommt und wer nicht.

Manuel Schwaiger, Kronen Zeitung

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