Im Süden von Graz

Knochenfund bei einstigem NS-Zwangsarbeiterlager

Steiermark
19.01.2021 14:17

Im Umfeld des Geländes des ehemaligen NS-Zwangsarbeiterlagers im Grazer Bezirk Liebenau sind bei einer Sondierungsgrabung für ein Bauprojekt menschliche Knochenteile gefunden worden. Im April 1945 war der Lagerkomplex eine Station der ungarischen Juden auf den Todesmärschen vom „Südostwallbau“, einige von ihnen wurden dort erschossen. Die aktuellen Funde wurden gesichert und begutachtet, hieß es am Dienstag aus dem Büro von Bürgermeister-Stellvertreter Mario Eustacchio (FPÖ).

Zwischen 1943 und Kriegsende waren bis zu 5000 Zwangsarbeiter gleichzeitig in den Baracken des Lagerkomplexes südlich des Stadtzentrums untergebracht. Etliche dürften dort auch ihren Tod gefunden haben. Lange Zeit war in Vergessenheit geraten, dass der Komplex auch eine Station der ungarischen Juden auf den Todesmärschen vom „Südostwallbau“ im Grenzraum zu Ungarn war - mindestens 35 von ihnen wurden dort erschossen. Bis vor wenigen Jahren kannten selbst viele Anrainer die Geschichte des Ortes nicht.

Im Umfeld dieses Bereiches, am sogenannten Grünanger, will die Stadt Graz Sozialwohnungen errichten. Nachdem erst vor drei Jahren Baracken-Fundamente des Lagers freigelegt worden waren, hat die Stadt nun vorsorglich eine archäologische Sondierungsgrabung durchführen lassen, wie Bernhard Dohr, Sprecher von Wohnbaustadtrat und Bürgermeisterstellvertreter Eustacchio, gegenüber der APA schilderte. „Die Entscheidung, am Grünanger behutsam vorzugehen, hat sich als absolut richtig erwiesen. Wir werden jetzt die Erkenntnisse der Archäologen abwarten und gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt unser Projekt fortsetzen.“

Bundesdenkmalamt sofort informiert
Die Spezialisten der Archäologie-Firma Argis sind in einem verfüllten Bombentrichter auf Höhe Pichlergasse 8 fündig geworden: Neben tierischen Schlachtabfällen wurden auch menschliche Knochenteile ausgegraben. Dabei dürfte es sich um einen Arm- und einen Fußknochen handeln. Das Bundesdenkmalamt sei umgehend über den Fund informiert worden und habe auch das für die Kriegsgräberfürsorge zuständige Innenministerium verständigt.

Für eine weiterführende Interpretation über die Herkunft der menschlichen Überreste sei es aktuell noch zu früh, es sei aber „ziemlich sicher keine reguläre Bestattung“, wie Dohr sagte. Vonseiten des Bundesdenkmalamts wurde die Fortführung der archäologischen Grabungen wieder freigegeben.

Nach Kriegsende 53 Leichen geborgen
Nach Ende des Krieges wurden auf dem ehemaligen Lagergelände bei Exhumierungen 53 Leichen geborgen. Wie viele Menschen im Lager insgesamt starben und möglicherweise noch dort begraben liegen, bzw. bei den Bombardierungen ums Leben kamen, ist nach wie vor unklar. Heute befindet sich dort unter anderem eine Wohnsiedlung, eine Sportfläche und ein Kindergarten. Beim Bau des Kindergartens wurden 1992 zwei Skelette gefunden. Im Frühjahr sind im Zuge des Baus des Murkraftwerks Barackenfundamente und eine Treppe freigelegt worden.

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