Rechte auf Vormarsch

Explosive Stimmung und die Angst vor Entladung

Wien
18.01.2021 06:00

Die Großdemos gegen die Corona-Maßnahmen in Wien waren auch von Randalierern begleitet. Vor allem immer stärker werdende rechtsextreme Elemente bereiten Politik und Behörden große Sorgen. Wie ist das Aufkommen der Rechten in den letzten Jahren zu erklären? Wie sind sie aufgestellt, und was haben sie mit Querdenkern und Verschwörungstheoretikern gemein?

Kalter Samstag. Wind und Wirbel bei Großdemos in der Großstadt gegen Corona-Maßnahmen. Skeptiker und Leugner, Querdenker und Radikale. Sie eint das Feindbild Regierung. „Der Fokus auf den Staat ist gemeinsamer Nenner“, sagt Politologin Natascha Strobl. Problematisch seien Rechtsextreme, die Kontrolle übernehmen, sagen Innenminister Karl Nehammer und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.

„Aus wohl einfachem Grund: Sie haben Erfahrung mit Organisation und Durchführung“, so Strobl. Ob Identitäre wie Martin Sellner oder Neonazis wie Gottfried Küssel, der mit alten Kämpfern auch am Samstag marschierte. Ein Slogan der Rechten: „Heimatschutz statt Mundschutz.“ Strobl ortet „explosive Stimmung. Da kann es auch bald krachen.“ Ähnliches fürchtet Nehammer spätestens seit umfangreichen Waffenfunden bei Rechtsextremen Ende 2020. Die kritische Masse bei den Corona-Demos besteht freilich nicht nur aus Radaubrüdern und -schwestern, doch viele seien laut Strobl verunsichert und „wenden sich jenen zu, die einfache Lösungen bieten. Verschwörungstheoretiker und Rechte mit antisemitischen Codes etc.“. Realitätsverweigerer erzeugen eine eigene Realität.

Der kleine Schritt zur Tat
„Seit dem Migrationsjahr 2015 beobachten wir verstärkte Aktivitäten am rechten Rand“, sagt Historiker Bernhard Weidinger. Es gebe ein Bedrohungsbild: „Wir werden überrannt, sind schutzlos. Müssen uns selbst schützen.“ Rechtsextreme Trump-Fans, die das Kapitol stürmen, sowie rechter Terror in Deutschland (NSU, Mord an FDP-Politiker Lübcke etc.), vertiefen österreichische Sorgenfalten. „Nur ein paar Dutzend Gefährder reichen schon. Man darf das Potenzial nicht unterschätzen“, sagt Weidinger, der bei allen inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen aktivistischen Identitären und gewaltbereiten Neonazis unterscheidet.

Rechtes Gedankengut längst im Parlament verankert?
Doch warum ist Österreich vergleichsweise gewaltfrei? Eine These: Stark rechtes Gedankengut sei im Gegensatz zu Deutschland längst im Parlament verankert. Weidinger: „Jörg Haider hat das einst für sich reklamiert: ,Bei uns brennen keine Asylheime, bei uns gibt es die FPÖ.‘“ Zynisch, doch nicht frei von Logik, sagt Natascha Strobl. Wenn rechte Inhalte im Parlament oder gar in einer Regierung vertreten sind, muss man nicht zur Waffe greifen.

Fragt sich, was nun besser ist. Und was passieren muss, um die Frage zu vermeiden. Hier gibt es Einigkeit: aufpassen und aufklären. Die Aufklärung dürfte, wer auch immer sich zuständig fühlt, weitaus schwieriger werden.

Erich Vogl, Kronen Zeitung

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