Schlagfertig

Martin Grubinger: „Österreich wurde abgehängt“

Salzburg
09.01.2021 22:50

„Ich wollte nie Vorbild sein. Ich habe immer tun wollen, was meine Pflicht war.“ Am Morgen des 27. Februars 1962 bricht eine gewaltige Sturmflut über Deutschlands zweitgrößte Stadt Hamburg herein. Da Hamburgs Bürgermeister Paul Nevermann zu diesem Zeitpunkt in Österreich weilt, übernimmt der damalige Polizeisenator das Kommando im Krisenstab. Sein Name: Helmut Schmidt. Der spätere deutsche Bundeskanzler, der sich selbst einmal als oberster Manager der „Deutschland AG“ bezeichnet hatte, verlor in den ersten, entscheidenden Stunden der Flut keine Zeit für Pressekonferenzen oder verschwendete gar Gedanken daran, wie das in den Tageszeitungen des nächsten Tages aussehen würde.

Kurzerhand aktivierte er die deutsche Bundeswehr (obwohl das in diesem Moment deutsches Recht brechen würde), rief persönlich sämtliche europäische NATO-Generäle an, um sofortige Hilfe anzubahnen, und gewann, ohne funktionierende Telefon- und Stromverbindungen, innerhalb von wenigen Stunden die Kontrolle über die Situation.

„Tun, was getan werden muss!“

Mir gefällt das Bild der Pflichterfüllung als Richtschnur politischen Handelns, ohne dabei die eigene Eitelkeit zu bedienen oder gar dem politischen Mitstreiter regelmäßig ein Bein zu stellen. Schmidt sah sich als Manager, als Macher. Er bewies, dass politisch Notwendiges auch gegen die eigene Partei durchzusetzen ist.

Er bekämpfte die RAF und weigerte sich, nachdem Willy Brandt Jahre zuvor einem Gefangenenaustausch zugestimmt hatte, das zu wiederholen. Mit Terroristen wird nicht verhandelt. Seine Fernsehansprache, in der er die RAF-Terroristen persönlich adressierte, bleibt legendär: „Sie mögen in diesem Augenblick ein triumphierendes Machtgefühl empfinden. Aber sie sollten sich nicht täuschen. Der Terrorismus hat auf Dauer keine Chancen, denn gegen den Terrorismus steht der Wille des gesamten Volkes. Der Staat muss darauf mit aller notwendigen Härte antworten.“

Schmidt legte den Grundstein für die Einführung des Euro, bekämpfte die RAF, setzte gegen seine Partei den notwendigen NATO-Doppelbeschluss durch und verabschiedete sich - dies ist mit Blick auf das Verhalten des Psychopathen im Weißen Haus durchaus eine Erwähnung wert - nach seinem Sturz als deutscher Kanzler mit Anstand und größtmöglicher demokratischer Würde aus der aktiven Politik.

Managte Schmidt die „Deutschland AG“, so lohnt ein Blick auf den Zustand der „Österreich AG“. Wir Bürger sollten mit wachsender Sorge auf das Führungsteam schauen. Denn die harten Fakten zeichnen kein sehr vorteilhaftes Bild. Im Vergleich mit Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern ziehen wir den Kürzeren. Österreich wurde abgehängt.

Die Todesrate ist bei uns höher, die Impfquote weitaus niedriger. Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich fast doppelt so hoch wie beim Nachbarn. Ist in Deutschland das BIP im vergangenen Jahr um 5,6 Prozent eingebrochen, erwischte es Österreich mit 7,1 Prozent noch härter. Leider müssen die Kinder in Österreich auch viel länger im Home-Schooling verharren als in Deutschland. Man hat da wohl andere Prioritäten.

Während hierzulande mit Unterstützung einiger Medien ein lächerlicher Eiertanz um ein etwaiges „Freitesten“ ab dem 18. Jänner bei einem Inzidenzwert von 160 geführt wird, verschärft die deutsche Politik ihre Maßnahmen.

Wäre diese Bundesregierung der Vorstand einer großen Firma, hätte der Aufsichtsrat wohl bereits die Reißleine gezogen. Aus der Sicht des Familienunternehmers wäre vermutlich ein ernstes Gespräch mit der Geschäftsführung unumgänglich. In unserem Fall können nur die Medien die Funktion des Aufsichtsrats übernehmen. Mehr Mut bei gleichzeitiger Distanz wäre wünschenswert. Wie beschrieb ein Unternehmer die Situation in einer Analyse von Josef Votzi im aktuellen Trend: „Würden wir unsere Firma so führen wie Kurz und Anschober die Republik, dann wären wir schon längst pleite.“

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