Nach Plagiatsvorwürfen

Aschbacher tritt als Arbeitsministerin zurück

Politik
09.01.2021 19:26

„Plagiate, falsche Zitate, mangelnde Deutschkenntnisse“: Arbeits- und Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hat nach den öffentlichen Plagiatsvorwürfen jetzt die Konsequenzen gezogen und ist am Samstag zurückgetreten. Die Ministerin reagierte damit auf die immer mehr und lauter werdenden Rücktrittsrufe aus den Reihen der Opposition und eigenen Angaben zufolge auch auf massive Kritik in den Medien. Das Polit-Aus der Steirerin erinnert an den tiefen Fall des deutschen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. Bundeskanzler Sebastian Kurz muss nun schnell einen Ersatz für jenes Ressort suchen, das angesichts Rekordarbeitslosigkeit wohl 2021 zu den größten Herausforderungen der Regierung zählt. Am Montag will der Kanzler Aschbachers Nachfolger präsentieren.

Aschbacher gab ihren Rückzug als Ministerin am Samstagabend in einer persönlichen Erklärung bekannt. Die Aufgabe in der Bundesregierung als Ministerin für Arbeit, Familie und Jugend habe sie „zutiefst erfüllt“. Der Rücktritt erfolgt fast genau ein Jahr nach ihrer Angelobung als Ministerin der türkis-grünen Koalition am 7. Jänner 2020.

„Plagiatsjäger“ Stefan Weber hatte in seinem Blog Aschbachers Diplomarbeit aus 2006 „Plagiate, falsche Zitate und mangelnde Deutschkenntnisse“ attestiert. Damit nicht genug, enthalte Webers Analyse zufolge auch die Dissertation der Arbeitsministerin Plagiate. Ihre Arbeiten zur Erlangung akademischer Grade habe sie „stets nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und der Beurteilung durch anerkannte Professoren vertraut“, entgegnete die Steirerin der zuletzt immer lauter gewordenen Kritik in ihrer persönlichen Erklärung.

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Alle jetzt erhobenen Vorwürfe, ich hätte die Arbeit während meiner Amtszeit als Ministerin verfasst und ich hätte vorsätzlich plagiiert, sind Unterstellungen und weise ich zurück.

Christine Aschbacher, ÖVP

„Alle jetzt erhobenen Vorwürfe, ich hätte die Arbeit während meiner Amtszeit als Ministerin verfasst und ich hätte vorsätzlich plagiiert, sind Unterstellungen und weise ich zurück. Diese Arbeiten werden von den jeweiligen Instituten, wie bei jedem anderen auch, auf üblichem Weg geprüft“, so Aschbacher. Ein solches faires Verfahren stünde jedem in diesem Land zu. „So wie es bereits anderen, etwa Thomas Drozda, Johannes Hahn oder Bogdan Roscic und anderen zugestanden wurde“, wie sie mit Blick auf vergangene Plagiatsvorwürfe anfügte.

„Anfeindungen und Untergriffe“
„Die Anfeindungen, die politische Aufgeregtheit und die Untergriffe entladen sich leider nicht nur auf mich, sondern auch auf meine Kinder, und das mit unerträglicher Wucht. Das kann ich zum Schutz meiner Familie nicht weiter zulassen“, begründete die Steirerin ihren Rücktritt als Arbeitsministerin. Weil „politische Mitstreiter“ ihr ein
faires Verfahren der Überprüfung nicht zugestehen würden und sie „medial in unvorstellbarer Weise vorverurteilt“ werde, lege sie ihr Amt zurück. Darüber habe sie Bundeskanzler Kurz in einem persönlichen Gespräch informiert.

Über ihren Sprecher hatte Aschbacher bereits nach Bekanntwerden der Vorwürfe ausrichten lassen, sie habe „nach bestem Wissen und Gewissen“ gearbeitet. Die Diplomarbeit sei bereits 2006 an der FH Wiener Neustadt eingereicht und mit einem „Sehr gut“ beurteilt worden. Dennoch wurde die Kritik an der ÖVP-Politikerin immer lauter - und damit einhergehend auch die Rücktrittsforderungen.

Faßmann fühlt sich an Guttenberg-Skandal erinnert
Parteikollege und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) musste am Samstag - nur wenige Stunden vor dem tatsächlichen Rücktritt Aschbachers - angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Causa an den Fall eines nach ähnlichen Vorwürfen zurückgetretenen deutschen Ministers denken. „Mir fällt spontan Guttenberg ein, den es ganz hart getroffen hat“, verwies Faßmann auf den deutschen CSU-Politiker, der nach der Aberkennung seines Doktortitels 2011 als Verteidigungsminister zurückgetreten war. Bei Aschbacher verhält es sich nun allerdings umgekehrt: Sie gab am Samstag ihren Rücktritt bekannt - noch bevor der Fall von der Fachhochschule Wiener Neustadt, wo die Steirerin ihre Diplomarbeit verfasst hatte, geprüft wurde.

Wer wird Aschbacher nachfolgen?
Ihr Jahr in der türkis-grünen Bundesregierung wird Aschbacher wohl vor allem wegen der zahlreichen Herausforderungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie in Erinnerung bleiben. Mit Corona und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise blieb der Arbeitsministerin vor allem die undankbare Rolle, Woche für Woche neue Rekordwerte an Arbeitslosen und Kurzarbeitern vermelden zu müssen. Zum Zeitpunkt ihres Abgangs Anfang 2021 hat Österreich mit einer Rekordarbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Menschen zurück in die Beschäftigung zu bringen wird eine der wichtigsten Aufgaben für die Regierung werden - die nun jedoch jemand anderer übernehmen muss. Wer der steirischen ÖVP-Ministerin nachfolgen wird, bleibt vorerst offen. In der steirischen ÖVP hieß es am Samstag, man gehe natürlich davon aus, wieder zum Zug zu kommen.

„Ihr Nachfolger in der Funktion als Arbeitsminister wird am Montag präsentiert“, kündigte Kanzler Kurz am Samstagabend in einer knappen Presseerklärung an. Ob das bedeutet, dass die Agenden der Familienministerin an eine der verbleibenden ÖVP-Ministerinnen geht, blieb vorerst unbeantwortet. „Aschbacher habe in einer nie dagewesenen Krisensituation tagtäglich mit vollstem Einsatz gearbeitet. Unter ihrer Führung seien das Modell der Kurzarbeit weiterentwickelt und Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet worden“, bedankte sich Kurz in der Presseerklärung bei seiner Parteikollegin.

Opposition nimmt Rücktritt zur Kenntnis
Die SPÖ erwartet, „dass jetzt rasch jemand die Arbeitsmarktagenden übernimmt, dem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit konkreten Maßnahmen ein echtes Anliegen“ ist, so Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Für ihn sei der Rücktritt der Ministerin „logische Konsequenz“, die Regierung sieht er „von einem Chaos ins andere“ stürzen, zumal Aschbacher nach Lunacek (die Grüne Ulrike Lunacek war vor dem Sommer als Kunst- und Kulturstaatssekretärin zurückgetreten; Anm.) bereits das zweite Regierungsmitglied sei, das zurückgetreten ist, wie Deutsch anmerkte.

Auch die FPÖ sieht die Nachbesetzung der Arbeitsmarktagenden als besonderes wichtig an und erwartet sich, „dass dieses Ressort nun mit einem wirklichen Experten besetzt wird, der innerhalb der Regierung größeres Gewicht hat“ so FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer. Für ihn sei die Entscheidung Aschbachers „zu respektieren“, für die persönliche Zukunft wünschte Hofer der Steirerin in einer Aussendung „alles Gute“. Die NEOS wiederum vermissen in der Stellungnahme Aschbachers zwar „ein Problembewusstsein“, dennoch sei es wichtig, „dass gerade in einer der schwersten Krisen am Arbeitsmarkt das Ministeramt weder in Ansehen noch Handlungsfähigkeit beeinträchtigt wird“, nahm NEOS-Generalsekretär Nikola Donig den Rücktritt Aschbachers „mit Respekt zur Kenntnis“.

Aufregung um Baby-Foto
In Erinnerung wird die Ministerin vielen Menschen auch dank eines Fotos mit einem Baby bleiben: Im Sommer des Vorjahres hatte sich die Politikerin dabei ablichten lassen, wie sie einem Baby einen 100-Euro-Schein in die Hand drückt. Eine Symbolik, die an Jörg Haiders Landeshauptmann-Zeiten erinnerte - und zu der ihr Landeschef Hermann Schützenhöfer, wie er in einem „Krone“-Interview verriet, nicht geraten hätte. Die SPÖ schäumte und stellte „betreffend persönliche Übergabe von Mitteln aus dem Familienhärtefonds“ prompt eine parlamentarische Anfrage dazu. Die Ministerin stellte schließlich schriftlich klar, dass sich „die Familie pro bono, ohne dafür in irgendeiner Weise Geld zu erhalten, für diese Aufnahme zur Verfügung gestellt hat, weshalb sie das Geld auch nicht behalten hat“.

Christine Aschbacher: Ihre Schwester ist Bürgermeisterin 
Geboren am 10. Juli 1983 in Graz, aufgewachsen in Wundschuh, wo ihre Schwester heute Bürgermeisterin ist. Sie war Schulsprecherin, studierte „Wirtschaftsberatende Berufe“ an der FH Wiener Neustadt und „Technical Engineering“ an der TU Bratislava. 2012 bis 2013 arbeitete sie im Kabinett Fekter, 2014 bis 2015 im Kabinett Mitterlehner, zuletzt hatte sie eine Beratungsagentur. Verheiratet, drei Kinder.

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