Jetzt auf Disney+

Pixars „Soul“ erweckt die Lebensfreude in uns

Musik
23.12.2020 06:00

Pixar-Fans haben sich schon auf das Kinoerlebnis gefreut, doch aufgrund der Corona-Maßnahmen ist das Animationsspektakel „Soul“ ab 25. Dezember zumindest auf Disney+ zu sehen. Die humorige Parabel, die sich philosophisch-leichtfüßig mit der Existenz auseinandersetzt, begeistert familientauglich als Rundumpaket mit viel Tiefgang.

(Bild: kmm)

Ursprünglich von Frühling auf Herbst 2020 verschoben, fiel der Pixar-Topstreifen „Soul“ nun endgültig aus dem Kinoprogramm. Die Pandemie-Maßnahmen konnten den Schritt nicht verhindern, doch dafür bekommt man den mit vielen Vorschusslorbeeren überhäuften Animationsstreifen via Disney+ nun frei Haus ins Patschenkino geliefert. Der Unterhaltungsriese verzichtet nämlich - wie zuletzt bei der Real-Verfilmung von „Mulan“ - bewusst auf zusätzliche Kosten, was man ihm durchaus als besinnliche Nächstenliebe anrechnen darf. Wer mit den Werken von Pixar im Generellen („Wall-E“) und Regisseur Pete Docter im Speziellen („Oben“, „Alles steht Kopf“) vertraut ist, weiß, dass man sich beim Ausarbeiten der Handlung nicht auf die schnöde „Alles ist bestens“-Formel verlässt, sondern den animierten Charakterfiguren neben familientauglichem Humor auch eine kräftige Portion Tiefgang ohne allzu predigende Moralinjektion angedeihen lässt.

Freud und Leid
Im Zentrum der Handlung steht der sympathische und etwas tollpatschige Jazz-Professor Joe Gardner (gesprochen von Oscar-Preisträger Jamie Foxx), der mit seinen Unterrichtsmethoden mehr oder weniger großes Feuer in seinen Schülern entfachen kann, insgeheim aber ungebrochen von einer Karriere als Musiker träumt. Da trifft es sich gut, dass sein ehemaliger Schüler und Schlagzeuger Curley ihm eine Möglichkeit verschafft, im New Yorker „Half Note“-Jazzclub teil der Band der großen Saxofonistin Dorothea Williams (großartig: Angela Bassett) zu werden. Nach anfänglicher Skepsis überzeugt er die Jazzgröße mit Hingabe und seinen Fertigkeiten, was ihm schlussendlich den begehrten Platz in der Combo einbringt. Glückstrunken teilt er daraufhin seine Freude am Telefon, übersteht so manch prekäre Alltagssituation, bis er in einen Gully fällt und das Zeitliche segnet.

Dort befindet er sich als körperloses Selbst auf dem Weg ins Jenseits, schafft aber den Absprung in das „Davorseits“, einer ganz speziellen Welt zwischen Leben und Tod, in der kleine, an Picasso-Zeichnungen ähnelnde Seelen auf ihren Einsatz als Bewusstsein auf der Erde vorbereitet werden. Der sich hier falsch befindliche Gardner gibt sich als Mentor aus und wird Seele Nr. 22 (Komikerin Tiny Fey) zugewiesen. Genau jener, die als einzige keine Freude am irdischen Dasein verspürt und im Laufe ihrer langen Existenz von Mutter Teresa über Carl-Gustav Jung und Abraham Lincoln bis Muhammad Ali allerlei Größen der menschlichen Historie zum Verzweifeln brachte. Obwohl die ungewöhnliche Zusammenkunft zu Scheitern droht, kommen beide durch Zufall auf die Erde. Seele Nr. 22 aber im Körper von Joe Gardner, während dieser sich plötzlich als Krankenhauskatze Mr. Mittens reinkarniert sieht.

Das Einfache schätzen
So folgt das Unvermeidliche - beide müssen nicht nur in ihrer brandneuen physischen Ausformung zurechtkommen, sondern beginnen die Welt auch aus anderen Blickwinkeln wahrzunehmen. Regisseur Docter legt dabei besonders viel Wert auf die Schönheit des Alltags, wenn die ursprünglich ohne Sinne ausgestattete Seele plötzlich den Geschmack von Pizza zu schätzen lernt oder Gardner durch die Augen der Katze wahrnimmt, wie er sich und seine ihn schätzenden Mitmenschen um ihn herum durch seine Jazz-Wahnhaftigkeit aus der Realität ausgeblendet hat. Die beiden befinden sich fortan auf einem voller Slapstick und Situationskomik gespickten Ritt durch die Tücken des rasanten New Yorker Alltags und werden zunehmend mit ihren Verfehlungen und so mancher Ignoranz konfrontiert, die auch den Zuseher zum Nachdenken und Reflektieren anregt.

Das Besondere an „Soul“ sind nicht etwa die grandiose grafische Umsetzung oder die Detailverliebtheit der Abbildung des „Big Apple“, sondern der philosophische Zugang zu den allgegenwärtigen Themenbereichen Leben, Bewusstsein, Sein und Existenz. Docter und den findigen Drehbuchautoren gelingt es geschickt, die schier ungreifbare Größe des Themenkomplexes so zu komprimieren, dass sich die ganze Familie damit auseinandersetzen kann, ohne sich auf eine theoretische Metaebene begeben zu müssen. So rührt der Film nicht nur zum Nachdenken über so manche Unausweichlichkeit, sondern führt uns anhand der Protagonisten auch vor Augen, wie sehr man sich an einfachsten Dingen wie einem vom Himmel herabfliegenden Ahornsamen erfreuen kann, und der Funke des Lebens oft einfach nur darin besteht, es so unverkrampft und gegenwärtig wie möglich zu genießen.

Anleitung zur Freude
Einen erklecklichen Teil der Magie des Films streift freilich auch die musikalische Komponente ein. Einerseits wird dem jüngeren Publikum die Magie von Jazz, Improvisation und analoger Instrumentalkunst nähergebracht, andererseits sorgt das kongeniale Duo Trent Reznor und Atticus Ross (Nine Inch Nails) mit den sphärischen Soundteppichen und orchestral-synthetischer Industrial-Vertonung in den jeweils richtigen Momenten für atemberaubende Spannung und betörende Entrücktheit. „Soul“ ist nicht nur für einen heimeligen Feiertags- oder Urlaubsabend gedacht, sondern soll vor allem inspirieren und die Freude am Dasein erwecken. Eine nicht unwesentliche Botschaft in unsicheren Zeiten, wo die Zwanglosigkeit manchmal zu stark leiden muss.

Streamingstart von „Soul“ auf Disney+: 25. Dezember 2020

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