Keine Krisengewinner

„Unsere Mitarbeiter sind auch Helden“

Vorarlberg
28.12.2020 06:30

Steuerberater Jürgen Reiner spricht im Interview über die Herausforderung Corona. Zudem verrät er, was es beim Jahresabschluss zu beachten gilt und erklärt, warum die Steuerberater keine Krisengewinner sind.

Herr Dr. Reiner, normalerweise geht es am Jahresende darum, wie man Steuern sparen kann. Dieses Jahr ist alles anders - auch in der Hinsicht?

2020 ist definitiv anders. Es hat uns vor große Herausforderungen gestellt, die uns auch im kommenden Jahr weiter begleiten werden. Im Hinblick auf den Jahresabschluss müssen einige Dinge beachtet werden, obwohl sich an der Erstellung selbst nichts ändert.

Das heißt?

Generell müssen wir beim Jahresabschluss zuerst überprüfen, ob die Fortführungsannahme erfüllt ist. Schon bei den Abschlüssen für 2019 mussten wir deshalb beurteilen, ob sich durch Corona an der Fortführungsannahme etwas ändert. Das wird bei den 20er-Abschlüssen noch spannender. Wobei wir uns hier insofern leichter tun werden, weil vieles bereits überstanden sein wird. Das ist jedenfalls zu hoffen. Da wir voraussichtlich erst im Sommer bzw. Herbst 2021 dazukommen werden, die Abschlüsse für das heurige Jahr zu machen, könnte das durchaus der Fall sein.

Sie haben gesagt, dass beim Abschluss 2020 einige Dinge beachtet werden müssen. Was zum Beispiel?

Es gilt unter anderem zu prüfen, ob bei Sachanlagen und immateriellen Vermögensgegenständen eine außerplanmäßige Abschreibung erforderlich ist. Das ist etwa der Fall, wenn eine Maschine, die normalerweise über zehn Jahre planmäßig abgeschrieben wird, vorzeitig wertlos wird. Ein Beispiel im Zusammenhang mit Corona wären Lizenzverträge für einen Geschäftsbereich, der komplett weggebrochen ist. Außerdem muss eine mögliche Abwertung des Umlaufvermögens in Betracht gezogen werden. Das könnte durch den zweiten Lockdown eine wichtige Rolle spielen. Zum Umlaufvermögen zählen Vermögensgegenstände, die zum Verbrauch, zur kurzfristigen Veräußerung, Verarbeitung oder Rückzahlung bestimmt sind. Also auch eingekaufte Waren. Bleibt nun ein Geschäft auf der Weihnachtsware sitzen, muss diese eventuell abgewertet werden. Im Textilhandel ist das übrigens ganz normal, weil die Stücke in der nächsten Saison nicht mehr verkauft werden können.

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Die Zahlungsmoral ist nach wie vor gut und die Banken bestätigen, dass der gefürchtete Ansturm nach Fremdmitteln ausgeblieben ist.

Jürgen Reiner

Und wie schaut es mit ausstehenden Forderungen aus. Besteht ein erhöhtes Ausfallrisiko?

Was man bisher hört, ist es nicht so dramatisch. Die Zahlungsmoral ist nach wie vor gut und die Banken bestätigen, dass der gefürchtete Ansturm nach Fremdmitteln ausgeblieben ist. Das hat sicher auch damit zu tun, dass im ersten Lockdown schnell reagiert wurde und Fiskal- sowie Sozialversicherungsabgaben gestundet werden konnten.

Irgendwann müssen aber auch die bezahlt werden ...

Das stimmt natürlich. Umso besser, dass ein Ratenzahlungsmodell für gestundete Abgaben beschlossen wurde. So können die zwischen 15. März 2020 und 31. März 2021 aufgebauten Abgabenschulden flexibel in zwei Phasen und in Raten zurückgezahlt werden.

Gratis ist das nicht. Sollte man vielleicht besser einen Kredit aufnehmen und alles auf einmal zurückzahlen?

Die Stundungszinsen betragen 2 Prozent über dem Basiszinssatz, der derzeit bei 1,38 Prozent liegt. Ob man bei der Bank bessere Konditionen bekommt, ist im Einzelfall zu überprüfen.

Neben Stundungen haben viele Unternehmen Zuschüsse erhalten. Jene aus dem Härtefallfonds sind nicht zu versteuern. Wie schaut es beim Fixkostenzuschuss aus?

Der Zuschuss selbst ist nicht steuerpflichtig, jedoch sind die damit zusammenhängenden Aufwendungen insoweit auch nicht abzugsfähig. Anders ausgedrückt: Die durch einen Fixkostenzuschuss ersetzte Miete führt in Höhe des Zuschusses zu keinem steuerlichen Aufwand.

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Die Thematik einer möglichen "Überförderung" wird uns in einigen Fällen sicherlich noch beschäftigen.

Jürgen Reiner

Und was ist mit dem Umsatzersatz?

Der Umsatzersatz ist steuerpflichtig, weil ihm keine konkreten Aufwendungen zuzuordnen sind und er auch zu einem Gewinn führen kann. Die Thematik einer möglichen "Überförderung" wird uns in einigen Fällen sicherlich noch beschäftigen. Im ersten Schwung wurden die Gelder ja recht schnell ausbezahlt - oft ohne eingehende Überprüfungen. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass es zu einer Überförderung gekommen ist, muss man diese zurückzahlen. In manchen Fällen wäre es daher durchaus ratsam, Rücklagen zu bilden.

Apropos Rücklagen: 2020 erlittene Verluste können bis ins Jahr 2019 oder 2018 rückgetragen werden. Was, wenn man den Abschluss 2019 schon gemacht hat?

Das ist kein Thema. Verlustrückträge können seit dem 21. September 2020 beantragt werden. Wichtig ist allerdings, dass die betrieblichen Einkünfte 2019 positiv waren und 2020 voraussichtlich negativ sein werden. Dann kann ein Verlust von bis zu 60 Prozent mit dem positiven Ergebnis von 2019 verrechnet werden. Sind die Verluste 2020 noch nicht abschätzbar, kann man für das Jahr 2019 eine pauschale Rücklage von bis zu 30 Prozent bilden. Wird die Rücklage nicht in Anspruch genommen und 2021 festgestellt, dass 2020 tatsächlich zu Verlusten geführt hat, kann statt der Rücklage ein echter Verlustrücktrag gemacht werden - selbst bei einem bereits rechtskräftigen 19er-Abschluss.

Es heißt ja, Steuerberater sind „Gewinner“ der Coronakrise. Wie sehen Sie das?

Ich würde uns nicht als Gewinner bezeichnen. Natürlich ist uns die Arbeit nicht ausgegangen - im Gegenteil. Jedoch haben wir auch unzählige Stunden gemacht, die wir unseren Kunden gar nicht verrechnen können. Speziell in Sachen Kurzarbeit war das der Fall. In anderen Bereichen war der Aufwand des Steuerberaters mitunter größer als der Zuschuss, den man vom Staat bekommen hat. Verständnis und Wertschätzung für unseren Beruf sind allerdings gestiegen. Und unsere Mitarbeiter haben bei der Umsetzung der vielen Unterstützungsmaßnahmen - neben dem laufenden Alltagsgeschäft - nahezu Unmenschliches geleistet, vieles abgeklärt, abgewogen, sich Tag für Tag in neue Materien eingearbeitet, mit Behörden kommuniziert und den Mandanten in dieser herausfordernden Zeit Mut zugesprochen. Wenn man so möchte, sind sie ebenfalls Helden der Krise.

Christiane Mähr

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