„Krone“-Interview

Seit 40 Jahren Dolmetscherin am Gericht in Tirol

Tirol
12.12.2020 13:00

Mary Heaney Margreiter übt den Beruf der selbstständigen Gerichtsdolmetscherin für die englische Sprache seit rund 40 Jahren in Tirol aus. Sie hat noch immer dieselbe Leidenschaft für ihren Job. Auch Jana Petris (42) ist seit fünf Jahren selbstständige Gerichtsdolmetscherin für die tschechische Sprache - und zwar ebenfalls in Tirol. Die „Krone“ hat beide zum Interview gebeten.

Was ist besonders an Ihrer beruflichen Tätigkeit?
Prinzipiell ist es ein sehr gutes Gefühl, wenn man etwas dazu beitragen kann, dass alles seine Richtigkeit hat. Auch die Herausforderungen sprachlicher oder rechtlicher Natur sind zu erwähnen, immerhin sind die meisten von uns keine ausgebildeten Juristen. Außerdem ist es interessant, am Gericht tätig zu sein. Ich habe wegen der Corona-Pandemie einige Anfragen absagen müssen, weil ich derzeit nicht unter Menschen gehen soll. Die Verhandlungen vermisse ich sehr.

Was ist das Schwierige?
Ich bin für Englisch beeidet und muss für Personen aus der ganzen Welt dolmetschen - etwa für Engländer, Amerikaner, Schotten, Afrikaner, Skandinavier. Und wir müssen gut mit den Ausbildungsniveaus dieser zu übersetzenden Personen umgehen können. Ich habe einmal für einen Mann gedolmetscht, der wegen Vergewaltigung angeklagt war. Er konnte zwar einigermaßen Englisch, aber nicht gut genug. Ich habe das Gericht gebeten, ihm einen Dolmetsch für seine Muttersprache beizugeben. Wir haben eine große Verantwortung.

Wird diese Verantwortung angemessen entlohnt?
Nein, die Bezahlung lässt zu wünschen übrig. Wir erhalten keine Indexanpassung und sind auch im Budget 2021 nicht vorgesehen. Ich kann mir nicht erklären, woran das liegt. Wenn das so weitergeht, werden wir in Österreich in rund zehn Jahren keine Gerichtsdolmetscher mehr haben.

„Vor jedem Einsatz bin ich nervös“

Was ist besonders an Ihrer beruflichen Tätigkeit?
Es ist wirklich eine abwechslungsreiche und herausfordernde Arbeit. Ich bekomme die Ladung zu einer Verhandlung, weiß aber im Vorhinein nie, um welches Delikt es geht.

Was ist das Schwierige?
Ich kann zwar sehr gut Deutsch, kenne aber trotzdem nicht jedes einzelne Vokabel. Ich bin immer nervös, weil die Übersetzung vor dem Richter passen muss. Zudem kommt es oft vor, dass die Termine kurzfristig sind. Kürzlich musste ich etwa binnen 30 Minuten bei der Autobahnpolizei in Wiesing sein. Und nicht optimal ist natürlich die Bezahlung.

Wie fühlt es sich an, für Kriminelle zu dolmetschen?
Ich habe es selten mit Schwerkriminellen zu tun. Zu den schwersten Straftaten zählten bisher leichte Körperverletzungen sowie Diebstahl. Die Angeklagten haben mir bisher überwiegend leid getan. Es handelte sich etwa um junge Personen, die in Drogengeschäften verwickelt waren, um sich ihr Leben zu finanzieren. Das ist traurig.

Welcher Einsatz ist Ihnen besonders in Erinnerung?
Ein junger Mann wollte die Uni-Kosten von seiner Tochter bezahlen. Doch ihm fehlte das Geld dazu. Daher ist er nach Kitzbühel gefahren und dort in ein Haus eingebrochen. Plötzlich stand der 6-jährige Sohn der Familie völlig panisch vor ihm. Der junge Mann hat ihn beruhigt, er hat den Jungen folglich seine Mutter anrufen und sich dann festnehmen lassen.

Jasmin Steiner, Kronen Zeitung

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