Blockaden erfolglos

Längster Castor-Transport aller Zeiten ist am Ziel

Ausland
09.11.2010 10:54
Die mit 123 Tonnen hoch radioaktivem Atommüll beladenen Tieflader des Castor-Transports sind am Dienstag gegen 10 Uhr im deutschen Zwischenlager Gorleben eingetroffen. Damit geht nach etwa 92 Stunden der längste Castor-Transport aller Zeiten zu Ende. Die Verfrachtung der Behälter von der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague ins niedersächsische Gorleben war durch teils kreative Schienen- und Straßenblockaden von Atomkraftgegnern immer wieder verzögert worden.

Blockadeaktionen von Tausenden Menschen haben in der Nacht auf Dienstag die abschließende Fahrt des Konvois vorerst über Stunden vereitelt. Auf der Kreuzung vor dem Verladebahnhof in Dannenberg behinderten Greenpeace-Aktivisten die Abfahrt der Tieflader mit den elf Behältern. Ein Mann und eine Frau waren in einem Lkw in einer Metall-Beton-Konstruktion so befestigt, dass die Polizei den Lkw nicht fortbewegen konnte, ohne sie zu verletzen. Erst gegen 6 Uhr konnten die Aktivisten mit Hilfe von Presslufthämmern und Trennschleifern aus dem Beton gelöst werden.

Auch Bauern starteten schräge Aktionen
Auch Bauern versuchten mit allen Mitteln, den Castor-Atommülltransport auf seiner letzten Etappe aufzuhalten. Mit Schafen und Ziegen wurde die Straße nach Gorleben blockiert. Zudem ketteten sich Landwirte vor Gorleben an eine Beton-Pyramide. Die Polizei schaffte laut "Spiegel" sowohl die Tiere als auch das Betonkonstrukt in der Früh von der Straße.

Auch vor dem Zwischenlager Gorleben wurden Dienstag früh die letzten Protestierer von Polizisten von der Straße getragen. Nach Angaben der Organisatoren von der gewaltfreien Kampagne "X-tausendmal quer" waren zuletzt 4.000 Atomkraftgegner vor Ort.

Die Atomkraftgegner hatten zum Teil seit Sonntag vor dem Zwischenlager auf Strohsäcken und Isomatten ausgeharrt. Sie protestierten mit Transparenten, auf denen zu lesen war: "Regierung ab ins Endlager" oder "Sicherheit vorGAUkeln". In Anlehnung an die Proteste gegen das umstrittene Bahnhofs-Projekt Stuttgart 21 waren auch Plakate mit der Aufschrift "Gorleben 21" zu sehen. Mitglieder der Umweltorganisation Robin Wood spannten Seile über die Transportstrecke für die radioaktive Fracht. In mehreren Metern Höhe war auf einem Transparent zu lesen: "Endstation Atom. Sofort alle aussteigen".

Zeitweise 20.000 Polizisten im Einsatz
Nach dem Transport des Atommülls aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague war am Montagabend nach rund zwölf Stunden der elfte und letzte Castor-Behälter auf dem Verladebahnhof in Dannenberg vom Zug auf einen Tieflader gehoben worden. Ursprünglich sollte der zwölfte Castor-Transport bereits am Montagmorgen das Zwischenlager erreicht haben.

Der diesjährige Castor-Transport brach alle Rekorde. Mit den 92 Stunden Dauer für den Transport wurde der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2008 von gut 79 Stunden deutlich übertroffen. 20.000 Polizeibeamte waren im Einsatz, um den Transport sicher ans Ziel zu bringen.

Politischer Streit über Atompolitik dauert an
Der politische Streit über die deutsche Atompolitik geht unterdessen unvermindert weiter. Der Vorsitzende Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, machte die Regierung mitverantwortlich für die Proteste. Der rot-grüne Ausstiegsbeschluss sei ein Fortschritt gewesen und habe die Atomfrage in den Hintergrund gedrängt. Dieser Grundkonsens sei aufgegeben worden. Wer so etwas tue, der müsse damit rechnen, dass dies in der Gesellschaft zu Konflikten führe, sagte er.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) lehnte eine Beteiligung der Atomindustrie an den Kosten für den Polizeieinsatz bei den Castor-Transporten ab. "Wir haben Kernenergie in der Vergangenheit genutzt, und diese Folgen müssen wir heute tragen. Dafür zahlen wir Steuern", sagte Röttgen. Nach Medienberichten dürfte der Transport ins Zwischenlager Gorleben allein das Land Niedersachsen mindestens 20 Millionen Euro kosten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hatte vergangene Woche gefordert, die Atomkonzerne an den Kosten zu beteiligen.

Die deutschen Steuerzahler haben Presseangaben zufolge laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in den letzten Jahrzehnten hohe Milliarden-Subventionen für die Kernenergie bezahlt. Demnach sind Subventionen in Höhe von etwas über 80 Milliarden Euro für die letzten fünf Jahrzehnte statistisch belegt. Darunter fallen etwa Forschungssubventionen oder Steuervergünstigungen, sagte Claudia Kemfert, die beim DIW die Abteilung Energie leitet. "Die Milliarden-Subventionen haben wir bereits bezahlt. Wenn wir die Kraftwerke sofort abschalten, ist dieses Geld endgültig versunken", warnte Kemfert.

Umstrittene AKW-Laufzeitverlängerungen
Die Castor-Demonstranten begründen ihren Protest auch mit der jüngst vom Bundestag beschlossenen Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Atomkraftwerke. Dadurch fällt weiterer Atommüll an. Röttgen argumentierte aber mit Blick auf den Transport und darauf, dass sich der Protest auch gegen die geplante Weitererkundung des Salzstocks Gorleben als Atommüll-Endlager richtet, dass es derzeit um alten Atommüll gehe: "Wir haben Verpflichtungen aus vergangenem Tun."

Das Dorf Gorleben hat seit Jahrzehnten große Symbolkraft für die deutsche Anti-Atom-Bewegung. Derzeit gibt es dort nur ein oberirdisches Zwischenlager, der dortige unterirdische Salzstock gilt als mögliches Endlager für Atommüll.

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