Gleise blockiert

Castor lahmgelegt – Aktivisten zünden Polizeipanzer an

Ausland
08.11.2010 07:18
Der Castor-Transport, der Atommüll von Frankreich ins deutsche Gorleben bringen soll, ist am Sonntagabend nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft lahmgelegt worden. Die Gleise waren blockiert und vor allem die Polizisten am Ende ihrer Kräfte. Zuletzt hatte der Zug nach zahlreichen Protestaktionen etwa elf Stunden Verspätung. Immer wieder blockierten Demonstranten die Gleise, außerdem übergossen die Aktivisten einen Räumpanzer der Polizei mit Teer und zündeten das Fahrzeug an (siehe Bild).

Der Zug stand über Nacht im Bahnhof im niedersächsischen Dahlenburg, rund 30 Kilometer vor dem Verladebahnhof Dannenberg, von wo aus die elf Behälter die letzten Kilometer per Tieflader zurücklegen sollen. Der Transport wurde mit Stacheldraht eingezäunt und gesichert, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, am Sonntagabend der Nachrichtenagentur dpa.

"Polizisten sind am Ende ihrer Kräfte"
Die Polizisten sind seit teilweise über 24 Stunden im Einsatz. Da sie wegen Traktor-Blockaden teilweise nicht ausgetauscht werden konnten, wird die Situation für die Beamten immer schwieriger. "Die Polizei ist absolut am Ende ihrer Kräfte", sagte Wendt. Zuvor hatten Dutzende Polizisten auch über eine fehlende Essensversorgung geklagt, da die mobilen Küchen nicht überall durchkamen.

Mittlerweile seien 20.000 Polizisten im Einsatz, sagte Wendt. Es seien bereits 1.300 Kräfte nachgefordert worden, bundesweit könnten damit nur noch 1.500 Polizisten angefordert werden.

Runder Tisch mit Blockierern
Unterdessen haben unter Vermittlung von Kirchenvertretern Gespräche zwischen der Polizei und den Castor-Blockierern im Wendland begonnen. Der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, sagte, man habe einen solchen Runden Tisch vorgeschlagen, um bei den Protesten und Blockaden von Kernkraftgegnern einen "exzessiven Einsatz von Polizeigewalt zu vermeiden".

Die Polizei bestätigte Gespräche mit Vertretern der Atomkraftgegner, die seit Sonntagvormittag bei Hitzacker die Bahnstrecke in Richtung Dannenberg blockieren und eine Durchfahrt des Atommüll-Transport verhindern. Dabei veranstalteten rund 2.000 Castor-Gegner, begleitet von Trommeln und Sambaklängen, eine Art Happening auf den Schienen.

Die Blockierer von Hitzacker hatten sich für ihre Aktion einen für schweres Gerät schwer zugänglichen Streckenabschnitt ausgesucht. Sie wurden von anderen Atomkraftgegnern mit heißen Getränken, Verpflegung und Decken versorgt. Die Polizei, die zunächst die Schienenblockade umstellt hatte, zog am Abend ihre Kräfte wieder ab.

Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein
Bereits am Nachmittag versuchten nach Polizeischätzung mehr als 5.000 Demonstranten, die Gleise zu erreichen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Im nahe gelegenen Leitstade an der Elbe sei ein Räumfahrzeug mit Teer übergossen und angezündet worden, möglicherweise mit Molotowcocktails, berichtete ein dpa-Fotograf. Der Polizei lagen hierzu zunächst keine Angaben vor, man sprach aber von einer Situation, die unter Kontrolle zu bringen sei.

Der Zug war in Folge der Proteste mehrmals zum Stehen gekommen, unter anderem hatten sich Demonstranten an die Gleise gekettet. Bereits am Samstag hatten die Aktivisten die Castor-Behälter mit einer Gleisblockade aufgehalten und den Zug zu einer Streckenänderung gezwungen. "Es beteiligen sich deutlich mehr Menschen, als wir gedacht haben", sagte ein Sprecher des Lagezentrums der Polizei in Lüneburg. Die Gesamtlage vor Ort sei "aggressiver, als wir uns das erhofft haben".

Behälter müssen auf Lastwagen umgeladen werden
Der Zug mit elf Castor-Behältern mit hochradioaktivem Atommüll, der von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague ins Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen unterwegs ist, befindet sich auf dem letzten, etwa 30 Kilometer langen Gleisabschnitt zur Umladestation Dannenberg. Für den letzten Abschnitt von 19 Kilometern müssen die elf Castor-Behälter auf Lastwagen umgeladen werden.

Wegen der Blockade der Gleise und der stundenlangen Umladezeit in Dannenberg dürfte der Transport nun wohl erst frühestens am Montagabend oder in der Nacht auf Dienstag am Atommüll-Zwischenlager Gorleben eintreffen. Auch dort ließen sich laut Polizei am Nachmittag noch einmal rund 1.500 Demonstranten zu einer Sitzblockade nieder.

Polizisten-Selbstmord überschattet Proteste
Überschattet wurden die Proteste vom tragischen Selbstmord eines der eingesetzten Polizeibeamten. Wie am Samstagabend bekannt wurde, nahm sich der Bundespolizist bei Dannenberg mit seiner Dienstwaffe das Leben. Polizeisprecher Christian Poppendieck sagte, es gebe keinen Bezug zu dem aktuellen Castor-Einsatz. Der Selbstmord habe in einer Polizeiunterkunft stattgefunden. Der Beamte habe einen Abschiedsbrief hinterlassen, der den Angehörigen übergeben werde. Die deutsche Bundespolizei sei "traurig und betroffen". Spekulationen über einen privaten Hintergrund wollte der Sprecher nicht bestätigen.

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