Analyse

Ein Jahr vor Graz-Wahl: Sieger steht schon fest

Steiermark
04.12.2020 06:00

Der genaue Termin steht zwar noch nicht fest, aber Anfang 2022 wird in Graz gewählt. Bleibt Siegfried Nagl Bürgermeister? Hat die schwarz-blaue Koalition eine Zukunft? Und wie sind die anderen Parteien aufgestellt? Eine Bestandsaufnahme.

ÖVP: Seit 2003 ist Siegfried Nagl Bürgermeister - und kein bisserl amtsmüde. Wetten, dass er auch die nächste Wahl gewinnt? Man muss nicht Politik-Experte sein, wie Heinz Wassermann, um zu wissen, dass das eine „g’mahte Wiesn“ ist. Das sei für Nagl jedoch nicht von Vorteil: „Wenn der Sieger schon feststeht, bevor der Wahlkampf überhaupt eröffnet ist, wird es schwer zu mobilisieren.“ Die Grazer ÖVP sei für eine ÖVP-Stadtpartei sehr professionell aufgestellt: „Es gibt sonst nur zwei Landeshauptstädte, in denen sie den Bürgermeister stellt: Salzburg und Eisenstadt - und das sind bekanntlich keine Metropolen.“ Auffällig sei, dass Nagl in letzter Zeit „grün blinkt“, sagt Wassermann, und meint den Öffi-Ausbau, den Klimaschutz-Fonds und die Radoffensive. Das könne zwei Gründe haben: Entweder wolle er Judith Schwentner bezirzen oder rechts Spielraum lassen für Mario Eustacchio (FPÖ).

FPÖ: Nagls Koalitionspartner Mario Eustacchio tritt in der Öffentlichkeit als Bürgerlicher auf. Er sehe jedoch „null Abgrenzung zum rechten Rand“, sagt Wassermann - „sonst könnte jemand wie Heinrich Sickl nicht im Gemeinderat sitzen“. Die Frage sei, wie sich Eustacchio im Wahlkampf positionieren werde: „Krawall schadet ihm als Koalitionspartner. Mit einem moderaten Wahlkampf wären aber wohl die Funktionäre und die Wählerschaft unzufrieden.“ Einmal stand die sonst gut funktionierende schwarz-blaue Koalition vor dem Aus: als Eustacchio bei einer Pressekonferenz kurz die Beherrschung verlor und die rechtsextremen Identitären verteidigte. „Nagl hat keine Hemmung, eine Koalition in die Luft zu jagen“, erinnert Wassermann an das jähe Ende von Schwarz-Grün - dessen sei sich Eustacchio sicher bewusst. Salopp gesagt: Wenn er regieren will, muss er sich benehmen.

KPÖ: „Ein Bad für jede Gemeindewohnung“, lautete ein Wahlkampf-Slogan der KPÖ - das war noch unter Ernest Kaltenegger. Elke Kahr wurde nach der letzten Wahl der Gemeindebau weggenommen - um dem „Mieterengel“ die Flügel zu stutzen. Mit dem Verkehrsressort könne man in Graz eigentlich nur verlieren, so Wassermann. Warum Kahr am Ende doch gewinnen könnte? „Wegen ihrer bürgernahen Politik, dem Da-Sein für die Leute, dem Sozialfonds, dem Mieter-Notruf.“ Dafür werde sie auch von vielen Grazern gewählt, die darauf gar nicht angewiesen sind. Der Nobelbezirk St. Leonhard wird spöttisch „St. Leninhard“ genannt, weil dort viele Kahr ihre Stimme schenken - mit gutem Gewissen und der Gewissheit, dass die von den Kommunisten geforderte Abschaffung des Privateigentums eh nie kommt. Eine Wahl als Wohltätigkeitsveranstaltung quasi. Ein Coup sei der KPÖ gelungen, indem sie das Murkraftwerk von den Grünen „kaperten“, wie Wassermann es formuliert, also den Widerstand politisch für sich vereinnahmten.

Die Grünen waren bei Bundes- und Landes-Wahlen in Graz immer vorne dabei, einmal sogar auf Platz 1. Daran müssen sie sich messen lassen. Tina Wirnsberger war bei der letzten Wahl Spitzenkandidatin, danach Stadträtin - und, wie sich herausstellen sollte, eine Fehlbesetzung. Sie „wurde gegangen“. Ihre Nachfolgerin, Judith Schwentner, ist kein Greenhorn, sondern ein Profi - eine „g’standene Frau“, so Wassermann. Einer grünen Umweltstadträtin müsse jedoch mehr einfallen als die 17 grünen Meilen. Schwentner, die vor der Politik bei der Caritas gearbeitet hat, war Sozialsprecherin im Nationalrat - auch da hört man relativ wenig von ihr.

SPÖ: Zehn Prozent bekam die SPÖ bei der letzten Graz-Wahl. Nein, Sie haben sich nicht verlesen: zehn Prozent! Zu allem Überdruss verlor man auch noch den Stadtrats-Posten. Es war das Ergebnis jahrelanger innerparteilicher Streitereien. „Michael Ehmann muss man zugute halten, dass er die Partei befriedet hat“, sagt Wassermann. Ob das reicht? Wassermann rät zu mehr Aktionismus - Ehmann müsse mehr auffallen. Vielleicht wäre es klug, wenn Altbürgermeister Alfred Stingl noch einmal antreten würde - er würde zweifellos mehr Stimmen bekommen als jeder andere „Sozi“. Bei der Gelegenheit könnte er den Makel in seinem Lebenslauf beseitigen: indem er doch noch einen starken Nachfolger aufbaut.

Neos: Der junge, dynamische Niko Swatek hat den Neos in der Steiermark die Flügel gehoben und den Einzug in den Gemeinderat geschafft. „Er hat zur Zielgruppe gepasst - Univiertel“, sagt Wassermann. Swatek hat sich inzwischen aber in den Landtag vertschüsst. Ereilt die Neos jetzt das Piraten-Schicksal - nämlich nach einer Periode wieder aus dem Gemeinderat zu fliegen? „Sie haben eine bessere Parteistruktur“, hält Wassermann das für unwahrscheinlich. Ganz sicher wird Swatek, wie auch Beate Meinl-Reisinger, als Wahlhelfer präsent sein.

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