Pflegethema

In der Steiermark wäre Frau L. besser dran …

Gesund
05.12.2020 11:19

Denn die St. Pöltner Pensionistin bekäme dort für die gleiche Leistung eine wesentlich billigere Heimhilfe. Idealerweise ginge sie aber nach Tirol.

Kleines Österreich, große Unterschiede. Hier etwa am Beispiel von Frau L. Sie lebt in St. Pölten, NÖ, und bekommt eine Pension von 1200 Euro netto zuzüglich 459 Euro Pflegegeld Stufe 3. Aufgrund einer Hüftgelenksprothese kann sie sich nicht alleine duschen, die Strümpfe anziehen und aufwändige Arbeiten im Haushalt erledigen. Eine Heimhilfe kommt eine Stunde pro Tag, auch am Wochenende. Dafür fallen 516 Euro Kosten an. Würde die Pensionistin in Graz leben, kostete sie genau das Gleiche nur 360 Euro. Das heißt: In St. Pölten zahlt sie 40% mehr als in der steirischen Hauptstadt! Am besten, sie übersiedet aber nach Tirol: Da werden Miete und Lebenshaltungskosten für die Berechnung des Stundensatzes vom Einkommen abgezogen und für die Heimhilfe daher nur die Hälfte berechnet.

Ähnlich läuft es in den Heimen ab. Das jeweilige Bundesland legt fest, wie viel Personal dort arbeitet oder wie die Qualität der Betreuung sein muss. So sind für 70 Bewohner in Wien 45 Vollzeit-Mitarbeiter vorgeschrieben, im Burgenland 21. Das dortige Personal muss also doppelt so viel arbeiten wie die Wiener Kollegen, bzw. burgenländische Heimbewohner erhalten weniger Betreuung. So oder so, eine Ungerechtigkeit für alle Beteiligten. Dafür nehmen es die Steirer sehr genau, wenn es um die Qualität der Versorgung von Menschen in Heimen geht, sie überprüfen das zweimal im Jahr - Tirol im Schnitt nur alle fünf Jahre. Ob und wie rasch man überhaupt einen Heimplatz bekommt, hängt ebenfalls vom Wohnort ab. In Graz stehen ihre Chancen dafür fünfmal besser als in Krems. Die gute Nachricht: Falls unsere Frau L. ins Heim übersiedelt, muss sie sich zumindest - egal, wo sie wohnt - nicht den Kopf zerbrechen, wie sie ihren Aufenthalt dort finanziert. Ihr bleiben auf jeden Fall 20% ihrer Pension als Taschengeld. Ein Glück, denn bei den Tagessätzen klaffen schon wieder enorme Unterschiede: In Kärnten liegen sie bei etwas über 90 Euro, in Wien hingeben werden 220 Euro veranschlagt.

Ingrid Korosec, Präsidetin Österreichischer Seniorenbund:Der Wohnort macht es aus“
In Amerika ziehen ältere Menschen, die es sich leisten können, in sonnige Gegenden. Wenn nicht bald etwas passiert, wird sich auch in Österreich die Generation 65+ auf Wanderschaft begeben. Sie sucht dann aber nicht ein nettes Plätzchen an der Sonne, sondern eines, wo sie sich Pflege und Betreuung in guter Qualität leisten kann. Klingt seltsam ist aber wahr: Hierzulande hängt ein gutes Leben im Alter vom Wohnort ab. Die Kosten für einen Heimplatz, für eine Heimhilfe oder für Essen auf Rädern unterscheiden sich nicht nur zwischen den Bundesländern sondern sogar von Gemeinde zu Gemeinde gewaltig.

Daneben spielt es aber auch eine Rolle, ob es überhaupt ein passendes Angebot gibt. In Wien bieten viele Organisationen ihre Dienste an. Je dünner eine Region besiedelt, umso schwieriger ist es, Heimhilfen, Essen auf Rädern oder ähnliches zu finden. Das zieht sich bis ans Lebensende durch: Sterbebegleitung und Schmerztherapie stehen den Menschen eigentlich nur in Ost-Österreich halbwegs flächendeckend zur Verfügung. Ungerechtigkeiten hängen damit zusammen, dass in Österreich Bund, Länder und Gemeinden für Pflege und Betreuung verantwortlich sind: Der Bund gibt die allgemeine Richtung vor. Wie die Betreuung ganz praktisch aussieht, wie gut sie ist, regeln die Bundesländer jedes für sich mit Hilfe der Städte und Gemeinden. Ich denke, dass es dringend nötig ist, die Spielregeln zu vereinheitlichen. Die Versorgung älterer Menschen kann und darf doch keine Frage der Geographie sein

Haben Sie Anregungen zur Verbesserung der Situation? Persönliche Erfahrungen mit dem Pflegethema? Ideen oder gar Projekte zur Selbst- oder Nachbarschaftshilfe? Dann teilen Sie diese bitte mit uns, wird werden die interessantesten Zuschriften gerne mit unseren Lesern teilen. Kontakt: Ingrid Korosec, Österreichischer Seniorenbund, Lichtenfelsgasse 7, 1010 Wien.

Karin Podolak, Kronen Zeitung

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