Vor Libyens Küste

„Piratin“ Merkel: Türkei tobt wegen Marineeinsatz

Ausland
24.11.2020 16:58

Wegen des Verdachts, dass sich an Bord Waffen befinden könnten, hat die deutsche Marine am Wochenende ein türkisches Frachtschiff vor der Küste Libyens durchsuchen wollen. Doch während der Einsatz lief, legte die türkische Regierung ein Veto dagegen ein und erzwang damit einen Abbruch der Kontrolle. Während die deutsche Regierung sich auf die derzeit laufende EU-Mission „Irini“ beruft, die das gegen das Bürgerkriegsland geltende Waffenembargo überwachen soll, spricht Ankara von einer „heuchlerischen und gesetzeswidrigen Behandlung“ von türkischen Frachtschiffen. Das türkische Außenministerium lud die Botschafter von Deutschland, Italien und der EU vor. Unterdessen wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer türkischen Zeitung als Piratin abgebildet.

Die CDU-Politikerin war in der Dienstagsausgabe der oppositionellen Zeitung „Sözcü“ mit Piratenhut, Jacke und Schwert abgebildet. Darunter steht: „Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel schweigt zur Piraterie.“ Als Titel schrieb das Blatt auf Deutsch: „Deutsche Piraterie“. Die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“ titelte: „Piraterie im Mittelmeer“.

Ankara: Schiff hatte Farbmaterial und Hilfsgüter geladen
Nach Angaben des türkischen Außenministeriums hatte die Rosaline A lediglich Farbmaterial und Hilfsgüter geladen. Wegen des Einsatzes der deutschen Soldaten solle nun Entschädigung gefordert werden. Die gesamte Besatzung einschließlich des Kapitäns sei zwangsweise einer Leibesvisitation unterzogen worden. In einem von einer türkischen Nachrichtenwebsite veröffentlichten Video ist zu sehen, wie Boardingsoldaten ein Besatzungsmitglied eskortieren, das die Hände über den Kopf hält, und sich mit einem anderen Mann eine erregte Diskussion liefern.

Aus dem Einsatzführungskommando in Potsdam wurde hingegen jegliche Kritik am Vorgehen der deutschen Soldaten zurückgewiesen. Das Boarding-Team habe jederzeit rechtmäßig und im Einklang mit den Regularien gehandelt, sagte ein Sprecher. Die Durchsuchung der Besatzung nach Waffen sei Teil des Standardverfahrens zum Eigenschutz der Soldaten. Die Türkei war demnach auch über die Pläne für die Durchsuchung des Schiffes informiert. Erst, nachdem sie vier Stunden lang nicht reagiert hatte, wurde dies gemäß den Einsatzregeln als stillschweigendes Einverständnis für das Boarding gewertet.

Kontrolle durch griechischen Befehlshaber angeordnet
Ob das NATO-Land Türkei seine Veto-Möglichkeit gegen die Durchsuchung nutzte, weil die Rosaline A wirklich Waffen oder andere verbotene Güter an Bord hatte, ist unklar. Denkbar wäre auch, dass sie lediglich noch einmal ihren Widerstand gegen die als parteiisch angesehene EU-Operation „Irini“ zum Ausdruck bringen wollte, in deren Rahmen der Einsatz der Bundeswehrsoldaten erfolgte. Dafür könnte auch sprechen, dass der Auftrag zum Boarding durch den griechischen Befehlshaber der EU-Mission gegeben wurde. Wegen türkischer Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer ist das Verhältnis zwischen Ankara und Athen derzeit äußerst angespannt. Griechenland hat zusammen mit Zypern auch dafür gesorgt, dass beim EU-Gipfel im Dezember weitere Sanktionen gegen die Türkei diskutiert werden sollen.

Die türkische Regierung hat übrigens anklingen lassen, dass sie Entschädigungsforderungen stellen könnte. Die EU erinnerte am Dienstag an die geltenden UN-Beschlüsse zum Waffenembargo gegen Libyen. Die Resolution 2292 aus dem Jahr 2016 fordere die Flaggenstaaten von verdächtigen Schiffen auf, bei Überprüfungen zu kooperieren, teilte der Auswärtige Dienst in Brüssel mit. In einem offiziellen Pressestatement hieß es, es habe hinreichende Gründe zu der Annahme gegeben, dass das kontrollierte Schiff gegen das UN-Waffenembargo gegen Libyen verstoßen könnte. Die deutschen Soldaten seien höchst professionell vorgegangen und hätten das Schiff in Einklang mit international vereinbarten Verfahren - darunter auch NATO-Verfahren - inspiziert.

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