US-Kongresswahl

Wähler verpassen Obama erwarteten Denkzettel

Ausland
03.11.2010 13:13
Nur zwei Jahre nach seinem triumphalen Einzug ins Weiße Haus haben Amerikas Wähler US-Präsident Barack Obama am Dienstag einen schweren Denkzettel verpasst. Seine Demokratische Partei wird die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verlieren. Damit könnten die Republikaner künftig alle Gesetzesinitiativen des Präsidenten torpedieren. Im Senat hingegen behalten die Demokraten trotz Einbußen die Macht. Obama rief die Republikaner in einer ersten Reaktion zur Zusammenarbeit auf.

Im Repräsentantenhaus gewannen die Republikaner, getragen von Zugewinnen der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung, mindestens 59 Sitze hinzu, 40 hätten für die Mehrheit gereicht. Sie werden künftig mindestens 237 der 435 Abgeordneten stellen, bisher waren es nur 178. Zudem lagen Republikaner in 13 weiteren Bezirken in Führung. Ein führender Politiker der Tea-Party-Bewegung, Rand Paul, sagte nach seinem Sieg bei der Wahl des Senatssitzes von Kentucky: "Heute Nacht gibt es eine Tea-Party-Flutwelle." Sollten sich alle in Führung liegenden Republikaner durchsetzen, wären es der größte Zugewinn der Partei seit 1938, als sie 80 Sitze dazugewann.

Der designierte künftige republikanische Präsident des Abgeordnetenhauses, John Boehner, der die Demokratin Nancy Belosi ablöst, erklärte, Obama habe ihm zum Gewinn der Mehrheit gratuliert. Man habe in einem kurzen und angenehmem Gespräch diskutiert, wie die Hauptanliegen der Wähler - Überwindung der Wirtschaftskrise und Abbau der Arbeitslosigkeit - erreicht werden könnten.

Mehrheit der Demokraten im Senat geschrumpft
Während im Repräsentantenhaus der Verlust der Mehrheit erdrutschartig erfolgte, blieb der in Senat in demokratischer Hand. Republikaner gewannen zwar in den ersten Entscheidungen sechs Senatsmandate hinzu, die Demokraten behaupteten aber in West Virginia und Kalifornien Sitze, die für den Gewinn der Mehrheit als zentral galten. Für eine Mehrheit hätten die Republikaner zehn Sitze hinzugewinnen müssen.

Während die Tea-Party-Bewegung den Erfolg der Republikaner mitgetragen hat, könnten ihre oft kontrovers diskutierten Kandidaten für Niederlagen in entscheidenden Rennen verantwortlich sein. Sie hatten teilweise aussichtsreiche andere republikanische Bewerber bei den Vorwahlen besiegt. In Nevada behauptete Senatsmehrheitsführer Harry Reid seinen Sitz gegen die Tea-Party-Kandidatin Sharron Angle. Bei der Senatswahl in Delaware verlor Tea-Party-Kandidatin Christine O'Donnell gegen den demokratischen Kandidaten Chris Coons. Der bisher von Vizepräsident Joe Biden gehaltene Sitz bleibt damit der Partei Obamas erhalten. Eine empfindliche Schlappe erlitten die Demokraten dagegen in Illinois: Sie verloren dort den bis 2008 von Obama gehaltenen Senatssitz.

Durchmarsch der Republikaner im Repräsentantenhaus
Vor allem im Repräsentantenhaus sorgten offenbar Wählerunmut und Enttäuschung über Obama für einen Durchmarsch der Republikaner und deren Tea-Party-Flügel. Eine Ikone dieser Bewegung ist die frühere Vizepräsidentschaftskandidatin und ehemalige Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin. Fast vier von zehn in Umfragen angesprochenen US-Bürger sagten, ihnen gehe es finanziell schlechter als vor zwei Jahren, dem Zeitpunkt von Obamas Amtsantritt. Die Republikaner hatten erbittert zentrale politische Entscheidungen Obamas bekämpft, darunter das Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft, die Gesundheitsreform und eine strengere Kontrolle der Finanzmärkte nach dem Beinahe-Zusammenbruch der Wirtschaft 2008. Zentrales Gegenargument der Republikaner: zu viel Einflussnahme des Staates.

In Connecticut behaupteten die Demokraten einen Senatssitz, in dem die Republikaner aussichtsreich im Rennen lagen. In New York gewann nach Informationen der Nachrichtenagentur AP die demokratische Kandidatin Kirsten Gillibrand den Sitz, den sie von Außenministerin Hillary Clinton per Ernennung übernommen hatte. Ebenfalls in New York behauptete der demokratische Senator Charles Schumer seinen Sitz. In Vermont und Maryland triumphierten die demokratischen Bewerber Patrick Leahy und Barbara Mikulski. Als möglicherweise entscheidend für den Erhalt der demokratischen Mehrheit im Senat galt der Sieg des demokratischen Kandidaten Joe Manchin in West Virginia und der demokratischen Amtsinhaberin Barbara Boxer in Kalifornien. Prestigeträchtig war auch die Wahl des Demokraten Jerry Brown zum Nachfolger von Gouverneur Arnold Schwarzenegger, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder antreten durfte.

Übrigens bleibt in Kalifornien Marihuana illegal: Die Bewohner in dem Westküstenstaat stimmten mehrheitlich dagegen, die Droge für den allgemeinen Gebrauch zuzulassen, wie mehrere US-Fernsehsender berichteten. Bei dem zeitgleich zu den Kongresswahlen abgehaltenen Referendum über die "Proposition 19" sprachen sich CNN zufolge 57 Prozent der Wähler gegen das Vorhaben aus (siehe Infobox).

Republikaner gewinnen zahlreiche Gouverneursposten dazu
Bei den 37 Gouverneurswahlen gab es nur wenige Lichtblicke für die Demokraten. In den Staaten New York, New Hampshire, Arkansas und Maryland verteidigten sie ihre Ämter. In New York gewann Andrew Cuomo laut Wählernachfragen der Nachrichtenagentur AP gegen den Kandidaten der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung, Carl Paladino. Cuomo tritt damit in die Fußstapfen seines Vaters Mario, der von 1983 bis 1994 Gouverneur von New York war.

In zehn Staaten gewannen Republikaner aber gegen demokratische Amtsinhaber, zudem sicherte sich die Partei die Mehrheit in mehreren Staatsparlamenten. Das ist von großer Bedeutung, weil die Staaten die Aufgabe haben, die Kongressbezirke zu überprüfen und eventuell zu verändern. Das kann über die Wahlchancen eines Kandidaten mit entscheiden.

Wahl zwischen Kompromissen und gegenseitigen Blockaden
Ohne eine Mehrheit seiner Demokraten im Kongress wird es für Obama künftig schwieriger, politische Vorhaben in die Tat umzusetzen. Innenpolitische Themen beherrschten den Wahlkampf, eine republikanische Mehrheit im Kongress könnte aber auch Folgen für wichtige außenpolitische Ziele Obamas bei Abrüstung und Klimawandel haben. Die unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern des Kongresses stellen die beiden Parteien vor die Entscheidung, eine Politik der Kompromisse und der Kooperation zu machen - oder sich gegenseitig zu blockieren.

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