Autonomie hat Grenzen

Arbeit im Home-Office nur zum Teil selbstbestimmt

Leben
20.11.2020 09:49

Für viele Arbeitnehmer hat sich das mit dem Home-Office oft versprochene autonome Arbeiten daheim nicht realisiert. Für sie ist etwa die Arbeitszeit selbst nicht klar geregelt, sie werden auch abseits der vereinbarten Erreichbarkeit regelmäßig kontaktiert. Für 57 Prozent verteilt sich die Arbeit zudem „von früh bis spät“. Damit sei eine klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Hausarbeits- und Familienzeit bzw. Freizeit für einen großen Teil der Arbeitnehmer nicht gegeben.

Autonomes Arbeiten im Home-Office? Für viele Angestellte nach wie vor ein Wunschtraum. Eine neue Studie* enthüllt: Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen zusehends, vielfach wurde eine „unternehmensgesteuerte Entgrenzung der Arbeitszeit“ geortet.

Ständige Erreichbarkeit
So wurde 40 Prozent der im Home Office-Arbeitenden von Arbeitgebern nicht klar kommuniziert, wann sie erreichbar sein sollen. Fast die gleiche Anzahl, nämlich 41 Prozent gaben an, dass sie auch außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bzw. üblichen Bürozeiten tatsächlich regelmäßig kontaktiert wurden. Der gleiche Prozentsatz fühlte sich verpflichtet, außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit erreichbar zu sein.

Arbeitszeit wenig individuell gestaltbar
Für 53 Prozent war eine Arbeitszeit bzw. Kernarbeitszeit genau festgelegt, 83 Prozent konnten sich aber wenigstens einen Teil selbst flexibel einteilen. „Es kann zum Beispiel sein, dass jemand eine Kernarbeitszeit von 10 bis 15 Uhr hat, aber sich den Rest frei einteilt“, so der Soziologe Jörg Flecker. Trotzdem besteht die Gefahr einer Entgrenzung der Arbeit, also ein Ausdehnen über klar festgelegte und begrenzte Arbeitszeiten und über klare Zuständigkeiten hinaus. 

Elektronische Kontrolle durch Arbeitgeber
„Grenzen der Autonomie“ zeigen sich auch bei der Kontrolle: Zwar waren 81 Prozent mit Tätigkeiten befasst, bei denen das Arbeitsergebnis zählt und weniger die gearbeitete Zeit. 92 Prozent bestimmten sogar selbst, auf welche Art und Weise sie ihre tägliche Arbeit erledigen. Allerdings kann bei 46 Prozent der Befragten ihre Firma elektronisch prüfen, wann sie arbeiten. Dementsprechend waren auch bei Weitem nicht alle Befragten (61 Prozent) der Meinung, dass ihnen das Home-Office mehr Selbstbestimmung brachte.

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Es braucht klare Vereinbarungen darüber, wann jemand im Home-Office erreichbar ist oder nicht. Da sehen wir im Moment eine deutliche Entgrenzung der Arbeit, manche fühlen sich auch verpflichtet, ständig erreichbar zu sein.

Soziologe Jörg Flecker

„Mehr Klarheit würde helfen“
Die Forscher orten aufgrund der Ergebnisse einen Bedarf an Regulierung bezüglich Arbeitszeit, Erreichbarkeit und Kontrolle. „Es braucht klare Vereinbarungen darüber, wann jemand im Home-Office erreichbar ist oder nicht. Da sehen wir im Moment eine deutliche Entgrenzung der Arbeit, manche fühlen sich auch verpflichtet, ständig erreichbar zu sein. Mehr Klarheit, was an Erreichbarkeit erwartet wird und was nicht, würde helfen“, meinte Flecker.

*Für die Untersuchung wurden vom Institut für Soziologie an der Uni Wien im Juli 2020 knapp 500 Personen befragt, die ab April 2020 im Home-Office arbeiteten.

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(Bild: kmm)



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