„Geisterpremiere“

„Katja Kabanowa“: Ein ergreifendes Seelendrama

Tirol
18.11.2020 17:00

Leoš Janáčeks „Katja Kabanowa“ wurde am Wochenende vom Tiroler Landestheater ohne Publikum aufgeführt. Somit waren nur Menschen, die an der Produktion beteiligt waren, Mitarbeiter der Sparte Musiktheater und Journalisten zugelassen. Trotz dieser besonderen Umstände lieferten das Sängerteam mit dem Innsbrucker Symphonieorchester eine Meisterleistung!

„Katja Kabanowa“ erzählt die Geschichte einer Frau, die gegen die herrschenden Moralvorstellungen einer Gesellschaft verstößt, weil sie verheiratet ist und einen anderen Mann liebt. Letztlich scheitert sie auch an ihren eigenen Moralvorstellungen, gerät zunehmend in eine psychische Ausnahmesituation und wählt schließlich den Freitod.

Wechsel der Orchesterfarben
Viele Janáček schildert diese packende, ebenso anrührende wie verstörende Geschichte mit seinen typischen musikalischen Mitteln - das Orchester ist Hauptträger des emotionalen Geschehens; der Komponist generiert seine Themen aus der Sprache, da brodelt es beständig, da wechseln düstere und grelle Orchesterfarben, da regiert der pure Ausdruck - das Orchester steht ganz im Dienst der Psychologisierung und gibt dem Bühnengeschehen Tiefe.

Man wird ob einer solchen Wucht förmlich direkt in das Geschehen hineingerissen, man kann nicht anders als mit den Figuren mit ihren tiefen Verstrickungen und Ausweglosigkeiten mitzufühlen. Regisseur Hermann Schneider siedelt das Geschehen im düsteren Russland der Sowjetdiktatur an, die Bühne (Dieter Richter) wird von einem Weg und der Wolga dominiert, zwei Symbolen für die unendlichen Weiten Russlands - und die unendlichen Tiefen der Seelenlandschaft. Anhand der Kostüme (Meentje Nielsen) lassen sich Charaktereigenschaften der Protagonistinnen und Protagonisten ablesen.

Glaubhafte Performances
Anna-Katerina Kalesidis gibt der Hauptfigur auch schauspielerisch glaubhafte Tragik, Rafael Bartmiński als ihr Geliebter Boris trumpft mächtig auf, vernachlässigt aber etwas die Diktion. Großartige Charakterporträts geben Susanna von der Burg als Katjas Schwiegermutter und Joachim Seipp als tyrannischer Onkel von Boris. Roman Payer ist als Katjas Ehemann Tichon eine – wie seine Frau – getriebene und Zwängen ausgelieferte Figur.

Edward Lee singt den „Intellektuellen“ Wanja, der mit der lebenslustigen Barbara (hinreißend Camilla Lehmeier) ein Paar bildet. Alles in allem ist die Sängerbesetzung hochklassig. Der Chor hat nur wenig zu tun, das Orchester umso mehr – und meistert das mit vorbildlicher Wachheit und feinem Klangsinn unter der souveränen Leitung von Lukas Beikircher. Es bleibt zu hoffen, dass es bald Gelegenheit gibt, diese szenisch und musikalisch großartige Aufführung vor Publikum zu zeigen.

F. Gratl, Kronen Zeitung

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