Anti-Terror-Paket

Experten warnen vor „emotionalen Schnellschüssen“

Politik
12.11.2020 15:06

Während die Opposition bereits scharfe Kritik am neuen Anti-Terror-Paket der Bundesregierung (Details siehe auch Video oben) übt und betont, dass die derzeitige Gesetzeslage ausreichend gewesen wäre, den Attentäter von Wien im Vorfeld zu stoppen, warnen nun auch Experten vor „emotionalen Schnellschüssen“.

Strafrechts-, Opferschutz- und Resozialisierungs-Experten sehen nämlich die Gefahr einer „Aushöhlung von Grundrechten“. Es gelte auch in Zeiten wie diesen, „angemessen und mit Bedacht zu reagieren“, heißt es in einer Stellungnahme des Netzwerks Kriminalpolitik, dem die Richtervereinigung, die Vereinigung der Staatsanwälte sowie der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Opferschutzvereinigung Weißer Ring, der Verein Neustart sowie mehrere Strafrechts-Experten angehören.

Das von der Regierung präsentierte Anti-Terror-Paket bedürfe einer „eingehenden Diskussion“, eine Forderung, der sich auch Richtervereinigungs-Präsidentin Sabine Matejka anschloss. Die Unterbringung von potenziell terroristischen Rückfalltätern im Maßnahmenvollzug sei verfassungskonform sehr schwierig umzusetzen, sagte sie. Nachsatz: „Als psychisch krank kann man diese Täter in der Regel nicht bezeichnen.“

„Terrortäter lebenslang einzusperren wird nicht gehen“
Zur Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), derartige potenzielle Rückfalltäter sollen „lebenslang weggesperrt werden“, sagte die Präsidentin: „Alle Terrortäter lebenslang in Haft zu nehmen, wird nicht gehen.“ Es werde Personen geben, „die tatsächlich von der Einschätzung so sind, dass man Lösungen finden muss, wie man sie von der Gesellschaft fernhält“. Für alle andere müsse es andere Möglichkeiten geben - „das schließt verstärkte Maßnahmen zur Resozialisierung und Deradikalisierung mit ein“.

Auch Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff sieht diesen Punkt besonders kritisch: „Das geht in einem Rechtsstaat nicht.“ Lebenslange Haft sei nur bei jenen möglich, die zu lebenslanger Haft verurteilt sind, sagte er am Donnerstag im Ö1-„Mittagsjournal“.

Strafrechtsexperte: „Therapeutisches Konzept fehlt“
Skeptisch äußerte sich auch der Strafrechtsexperte Alois Birklbauer von der Universität Linz, der ebenfalls dem Netzwerk angehört. „Es stimmt mich sehr bedenklich, auf diese Schiene des Maßnahmenvollzugs auszuweichen“, sagte er gegenüber dem ORF-Radio. Denn man sperre damit Leute weg „unabhängig von einer Schuld“, wobei dies immer mit einer Therapie verknüpft sei. „Ein therapeutisches Konzept kann ich bei der Forderung der Regierung nicht erkennen, insofern halte ich das auch verfassungsrechtlich für sehr, sehr problematisch.“

Fußfessel-Vorschlag „verfassungsrechtlich bedenklich
Zum Vorschlag einer vorbeugenden elektronischen Überwachung von entlassenen Gefährdern, etwa durch eine Fußfessel oder ein Armband, sagte Birklbauer, der elektronisch überwachte Hausarrest gelte immer für Personen, „die die Strafe noch nicht vollständig abgesessen haben“. Dass man diese Überwachung auch für verurteilte Straftäter, die die ganze Strafe abgesessen haben, vorsehe, sei ebenfalls „verfassungsrechtlich bedenklich“.

Kritisch gesehen wird vom Netzwerk auch der von der Regierung vorgeschlagene Entzug der finanziellen Ressourcen für verurteilte Straftäter. Dies sei ein „Nährboden für deren weitere Radikalisierung und trägt nicht zur Sicherheit der Gesellschaft bei“. „Das wäre kontraproduktiv“, so Matejka.

Richtervereinigung findet auch Positives
Die Präsidentin der Richtervereinigung betonte, dass der Regierungsvorschlag auch Positives enthalte, etwa Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit zwischen den involvierte Behörden oder zur Prävention bzw. den Plan, bei der Risikoeinschätzung effizientere Methoden zu entwickeln.

Mehr Austausch über „Gefährder“ in der EU geplant
Wie vor Kurzem bekannt wurde, arbeiten die EU-Innenminister derzeit auch an einer einheitlicheren Gefährdungseinstufung für sogenannte Gefährder in Europa und an einem engeren Informationsaustausch über solche Personen. In dem Entwurf heißt es, bisher existiere neben der Kategorie des „Ausländischen Terrorkämpfers“ (Foreign Terrorist Fighter) keine spezielle gemeinsame Kategorie, um Informationen zu Menschen, von denen eine Terrorgefahr ausgehen könnte, entsprechend in europäischen Datenbanken zu speichern und anderen Staaten zugänglich zu machen.

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