Sabine Tichy-Treimel:

„Messen im Frühjahr sind schlichtweg zu riskant“

Vorarlberg
09.11.2020 11:55

Sabine Tichy-Treimel, Geschäftsführerin der Messe Dornbirn, spricht über fehlende Planbarkeit und Sicherheitskonzepte, die bleiben werden. Zudem erklärt sie, warum sie virtuelle Messen eher kritisch sieht. 

Im Sommer war man noch voller Zuversicht. Doch eine Woche nach der Herbstmesse mussten alle weiteren Fach- und Publikumsmessen bis Ende des Jahres abgesagt werden. Und wenigen Tagen kam das Aus für die Baumesse „com:bau“ und die Frühjahrsmesse „SCHAU!“.

Frau Tichy-Treimel, wie viel Zuversicht ist bei Ihnen übrig?

Im Moment sind es eher große Fragezeichen. Aufgrund der Pandemieentwicklungen und vor allem den damit verbundenen Maßnahmen und den sich ständig ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es derzeit so gut wie keine Planungssicherheit. Eine Messe wie die SCHAU! hat eine Vorlaufzeit von bis zu zehn Monaten. Aussteller und Rahmenprogramm gehören organisiert, dann erst kann mit der Detailplanung inklusive Kommunikation und Marketing gestartet werden. Die neuen Sicherheitsvorschriften machen die Messeplanung noch aufwändiger. In der derzeitigen Situation sind Messen im Frühjahr schlichtweg zu riskant bzw. nicht durchführbar. In den vergangenen Wochen wurden große Messen in Deutschland wie die consumenta in Nürnberg oder die Offerta in Karlsruhe wenige Tage vor der Eröffnung durch die Behörden abgesagt. Wirtschaftlich ist das für alle Beteiligten ein Wahnsinn.

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Die neuen Sicherheitsvorschriften machen die Messeplanung noch aufwändiger. In der derzeitigen Situation sind Messen im Frühjahr schlichtweg zu riskant bzw. nicht durchführbar

Sabine Tichy-Treimel

Die Durchführung der Herbstmesse wurde stark kritisiert. Nachvollziehbar?

Aus unserer Sicht nicht, zumal es nach der zehntägigen Inkubationszeit keinen einzigen Fall gab, der direkt auf die Herbstmesse zurückzuführen war. Mit weniger Besuchern mussten alle von vorherein rechnen. Wir wollten aber in erster Linie ein Signal für unsere Branche im Speziellen und die Wirtschaft im Allgemeinen aussenden. Unser oberstes Ziel war: Sicherheit für alle Mitwirkenden - Aussteller, Besucher, Mitarbeiter und Dienstleister. Mit dem COVID-Sicherheits- und Hygienekonzept haben wir bewiesen, dass das möglich ist.

Apropos: Es wurde viel Zeit und Geld in Sicherheitskonzepte investiert. Umsonst?

Nein. Zumal Sicherheitskonzepte für die Veranstaltungsgenehmigung bereits vor Corona nötig waren. Überdies gab es im Vorfeld immer schon eine Begehung durch die Behörde und einen Veranstaltungsbescheid für die Messen. Nun wurden die Konzepte massiv nachgeschärft, vor allem in Richtung Gesundheit und Hygiene. Natürlich haben wir gehofft, dass wir damit 2020 noch einige Messen durchführen können. Dem ist leider nicht so. Doch all die Maßnahmen - von der Online-Registrierung über Zutrittssysteme und der Regulierung von Besucherströmen bis hin zu Hygienemaßnahmen und verstärkten Reinigungsintervallen - werden bleiben. Und zwar im Messebereich ebenso wie bei der Durchführung von Großveranstaltungen. In meinen Augen wäre das auch für große Einkaufszentren möglich, um dort ebenfalls Sicherheit zu haben.

Die Hauptgesellschafter der Messe Dornbirn GmbH sind das Land Vorarlberg, die Stadt Dornbirn und die WKV. Mit dieser Eigentümerstruktur sollte man es doch durch die Krise schaffen, oder?

Vonseiten der Eigentümer gibt es ein klares Bekenntnis, alles daran zu setzen, dass es ein „nach der Krise“ geben wird. Es ist unser Auftrag und Job, Messen zu veranstalten. Wobei eine Messe nicht nur ein Besucherevent ist. Vielmehr sind Messen wichtige Plattformen für die Wirtschaft - gleich einem Marktplatz, wo Geschäfte und Unternehmen ihre neuesten Produkte präsentieren und mit Kunden und potenziellen Partnern in Kontakt kommen. Abgesehen davon hängt eine große, regionale Wertschöpfungskette daran. Bei einer Herbstmesse etwa bekommen rund 60 Unternehmen Aufträge - darunter Messebauern, Veranstaltungstechniker, Gastronomen, Druckereien, usw.

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Eine Messe lebt vom persönlichen Kontakt und Austausch. Vor allem bei Fachmessen ist Networking das Um und Auf. Ein Grund mehr, weiterhin auf Regionalität zu setzen.

Sabine Tichy-Treimel

Bis Ende des Jahres sind Sie noch Vorsitzende des Verbandes der Messen Austria und vertreten somit auch die Interessen anderer Messeveranstalter. Wie schaut es österreichweit aus?

Insgesamt sind wir zwölf Messegesellschaften in Österreich und Südtirol, die im Verband der Messen Austria vereinigt sind. In der Krise hat es sicher geholfen, dass wir gemeinsam an die Bundesregierung oder Landesregierungen herantreten konnten, um Forderungen und Maßnahmen für die Durchführung von Messen österreichweit zu erzielen. Mit der 266. Bundesverordnung vom 15. Juni haben wir erstmals geschafft, dass es eine eigene Gesetzgebung für die Durchführung von Fach- und Publikumsmessen gibt, losgelöst von allgemeinen Veranstaltungen. Ein Meilenstein für die Zukunft.

Apropos: Was ist künftig zu erwarten?

Wann es wieder normal wird - was immer „normal“ bedeutet -, kann man noch nicht sagen. Derzeit gibt es jedenfalls keine Planbarkeit. Ein mit Bundesministerin Elisabeth Köstinger ausgehandelter Schutzschirm für die Veranstaltungsbranche könnte ein wenig Sicherheit bieten, weil dadurch zumindest die Kosten gedeckt würden, sollte eine Messe abgesagt werden müssen. Ich hoffe, dass der Schutzschirm bis Ende des Jahres fix beschlossen wird, sodass wir zumindest für 2021 ein wenig abgesichert sind.

In einer Pressemitteilung der Messen Austria Ende August stand, dass COVID-19 auch ein Innovationsturbo sei, etwa wegen neuer digitaler Tools bei der Kontaktgenerierung und Produktpräsentation. Werden Messen künftig online gehen?

Nein. Es gab zwar einige Versuche, die anfängliche Euphorie war aber schnell verflogen, denn die Erfolge waren eher mäßig. Mitunter sind hybride Ansätze denkbar - also die Kombination einer realen Messe mit virtuellen Formaten. Wobei das insbesondere für internationale Messeplätze wie Hannover, Mailand, Shanghai infrage kommt. Allerdings lebt eine Messe vom persönlichen Kontakt und Austausch. Vor allem bei Fachmessen ist Networking das Um und Auf. Publikumsmessen und regionale Messen, die weder Aussteller noch Besucher aus Übersee haben, funktionieren in meinen Augen sowieso nur in realer Form. Ein Grund mehr, weiterhin auf Regionalität zu setzen.

Chistiane Mähr

Fakten

Sabine Tichy-Treimel, MSc., ist seit bald vier Jahren Geschäftsführerin der „Messe Dornbirn GmbH“ und somit zugleich auch die erste Frau, die diese Position in der immerhin über 70-jährigen Unternehmensgeschichte bekleidet.

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