Opposition gegen ÖVP

Umgang mit Terror-Pannen: „Wenig staatsmännisch“

Politik
05.11.2020 13:08

Die Opposition hat die Sondersitzung des Nationalrats zum Terroranschlag in der Wiener Innenstadt zu scharfen Angriffen auf die Regierung, speziell auf Kanzler Sebastian Kurz und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP), genutzt. SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner empfahl den beiden, Verantwortung zu übernehmen, statt diese abzuschieben. Der freiheitliche Fraktionschef Herbert Kickl nannte Nehammers Verhalten feig, NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger jenes von Kurz wenig staatsmännisch.

Rendi-Wagner stieß sich vor allem daran, dass Spitzen der ÖVP versucht hatten, vermeintliche Fehler der Justiz in den Vordergrund zu rücken. Warum also werde in der Öffentlichkeit immer das Gemeinsame betont, wenn man dann das genaue Gegenteil tue, fragte sich die SPÖ-Vorsitzende.

Es gehe nicht um Vernebelung, Ablenkung und Platitüden, sondern um die Übernahme von Eigenverantwortung, empfahl sie den ÖVP-Ministern. Nun müssten die Vorgänge „ehrlich aufgearbeitet“ werden, „mit dem Mut, auch Fehler einzugestehen“. So sei zu hinterfragen, wie es passieren konnte, dass der Täter unbemerkt ein Kriegsgewehr beschaffen habe können und warum er nicht engmaschig kontrolliert worden sei, nachdem aus der Slowakei die Information gekommen war, dass der Mann dort Munition kaufen habe wollen.

Kickl fordert Rücktritt Nehammers
Dort setzte auch Kickl an, indem er an Nehammer adressierte: „Was Sie Kommunikationsfehler nennen, ist das Todesurteil für vier unschuldige Menschen gewesen.“ An der Stelle des Innenministers wüsste er, was nun zu tun sei, legte er Nehammer einen Rücktritt ans Herz. In seinem Haus habe es ein furchtbares Versagen gegeben: „Dieser islamistische Anschlag hätte verhindert werden könne.“

Zitat Icon

Was Sie Kommunikationsfehler nennen, ist das Todesurteil für vier unschuldige Menschen gewesen.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl an Innenminister Karl Nehammer

Dass ein Mitglied einer terroristischen Organisation überhaupt vorzeitig entlassen und auf die Bevölkerung „losgelassen“ werden konnte, ist für den FP-Klubchef die Schuld von „verantwortungslosen Weltverbesserern und Fantasten“. Wenn der Kanzler nun heute von falscher Toleranz rede, dann sei das eine einzige Selbstanklage. Was es jetzt brauche, sei unter anderem ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam.

Auch NEOS orten Fehler beim BVT
Die Angriffe der ÖVP auf die Justiz fand NEOS-Klubobfrau Meinl-Reisinger „schäbig“. Schließlich habe es ja im Bereich des Innenministeriums, konkret im BVT, massive Fehler gegeben. Um diese aufzudecken, brauche es nun eben eine Untersuchungskommission, in die aber bis hin zur Vorsitzwahl die Opposition eingebunden werden müsse.

Meinl-Reisinger warnte auch indirekt vor überschießenden Maßnahmen als Folge des Terrorakts: „Die liberale Gesellschaftsordnung darf nicht aufgegeben werden. Sonst hätten die gewonnen.“ Die Errungenschaften von Aufklärung und Säkularität gelte es zu verteidigen, und zwar mit den Mitteln des Rechtsstaats. „Wir können den Abend nicht ungeschehen machen und wir können auch nur bedingt Angst und Schrecken vom Tisch wischen, wir können aber zeigen, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen und keinen Millimeter weichen“, meinte die NEOS-Chefin.

Grüne und ÖVP versuchen zu kalmieren
Noch wisse man viel zu wenig über die Hintergründe des Anschlags und auch noch nicht mit Sicherheit, ob er verhindert werden hätte können, sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Warum der Mann nicht ausreichend vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, müsse schonungslos aufgeklärt werden. Dazu gebe es die vom Innenminister angekündigte Untersuchungskommission.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger forderte, jeglicher Art von Extremismus den Boden zu entziehen: „Wehret den Anfängen“, meinte er auch mit Blick auf Verwüstungen in katholischen Kirchen. Die islamistischen Taten bezeichnete Wöginger als „krank“: „Dieser Krankheit müssen wir entschieden entgegentreten.“ Polizei und Justiz müssten dazu effektive Mittel in die Hand gegeben werden.

FPÖ-Misstrauensantrag gegen Nehammer gescheitert
Ein Misstrauensantrag der FPÖ gegen Innenminister Nehammer wurde zum Abschluss der Sondersitzung von ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS abgelehnt. Die freiheitliche Abgeordnete Dagmar Belakowitsch hatte die Initiative im Wesentlichen damit begründet, dass das Ministerium die slowakischen Informationen bezüglich des Munitionskauf-Versuchs des späteren Attentäters ignoriert bzw. nicht an die Justiz weitergeleitet habe. Unterstützt wurde von den Koalitionsfraktionen dagegen ein eigener Entschließungsantrag zur Einsetzung einer Untersuchungskommission.

Wiener Grüner forderte Nehammer zum Rücktritt auf
Eine Rücktrittsaufforderung an Nehammer kam aber sogar auch aus den Reihen des Bundes-Koalitionspartners - und zwar von den Wiener Grünen: Martin Margulies, Gemeinderatsmandatar und Budgetsprecher in der Landespartei, machte via Twitter seinem Ärger Luft. In der Nachricht fragte er: „Warum ist @karlnehammer noch im Amt?“

In weiterer Folge übte Margulies scharfe Kritik am Minister: „Er hat seine Abteilungen nicht im Griff. Ein erkennbarer Terrorangriff wurde nicht verhindert. Vier Menschen starben. Und das alles wird bekannt innerhalb von 48 Stunden. Was kommt da noch?“

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