Anschlag in Wien

Terror und Corona: „Extrem ungute Kombination“

Österreich
03.11.2020 13:31

Der Terroranschlag in der Wiener Innenstadt, die Corona-Krise insgesamt und der zweite Lockdown im Speziellen bilden für die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster eine „extrem ungute Kombination“. Dazu komme, dass relativ viele Menschen direkt mit dem Angriff konfrontiert waren. Diese direkt Betroffenen seien einer „durchaus traumatischen Belastung“ ausgesetzt, der man aber konstruktiv begegnen kann, so die Wissenschaftlerin.

Der Montagabend war der letzte Abend vor einer Corona-bedingt „hochnotwendigen Isolierungsphase, die alle schon stresst und nervt“, so die Forscherin von der Arbeitsgruppe Psychotraumatologie an der Universität Wien. Insgesamt bedeute die Corona-Krise für viele Menschen bereits eine „massive Verunsicherung“, vielfach auch mit finanziellen Problemen: „Das heißt, diese Situation gestern fällt sozusagen auf einen sehr nährstoffreichen Boden.“

Derartige Erlebnisse lösen bekanntlich unterschiedliche emotionale Reaktionen, wie Wut, Ärger, Unverständnis oder „blankes Entsetzen“ aus. „Für Menschen, die direkt anwesend waren, ist das natürlich eine ganz massive, akute, durchaus traumatische Belastung. Alleine die Vorstellung, dass man plötzlich in einer Stadt lebt, wo Menschen wild schießend mit terroristischem Hintergrund durch die Stadt laufen und man sich dort nicht sicher fühlen kann, verunsichert ganz massiv“, so Lueger-Schuster.

Erkennen, wann Hilfe nötig ist
Auch die groß angelegte Polizeiaktion könne ein Stück weit angstauslösend wirken. Betroffene „werden das wahrscheinlich jetzt langsam verarbeiten und vielleicht eine Zeit lang Nachbilder haben und sich verunsichert fühlen“. Das sei angesichts so einer außerordentlichen Situation und der Schock-, Stress- und Schreckreaktion jedenfalls normal.

Lueger-Schuster: „Das muss erst mal ein Stück weit verarbeitet und verstanden werden. Problematisch wird es, wenn das länger als einige Wochen andauert. Wenn man sich nicht aus dem Ereignis lösen kann, wenn immer wieder Bilder auftauchen oder man möglicherweise immer wieder einen Albtraum hat.“ Erkennt man bei sich Tendenzen potenziell ähnliche Situationen auch längerfristig zu vermeiden bzw. zuckt man auch nach längerer Zeit noch bei jedem Folgetonhorn „extrem zusammen“ und wähnt sich „wieder genau in der Situation in jener Nacht“, sollte man aufmerksam werden und professionelle Hilfe in Betracht ziehen.

Immer wieder „Ruhe gönnen“
Beim Umgang mit Schockreaktionen helfe es, „wenn man sich Ruhe gönnt und nicht nur ständig in den Medien ist und sich das wieder und wieder anschaut“, rät die Psychologin. Man sollte sich dosiert Informationen holen und über das Erlebte sprechen. „Ganz schlecht ist, wenn man versucht, das Ganze zu verdrängen. Das wirkt wie ein Bumerang. Je mehr man das von sich wegzuschieben versucht, desto schneller und intensiver kommt es immer wieder zurück. Das hält dann an“, sagte Lueger-Schuster. Auch „Selbstmedikation“, etwa mit Alkohol, könne die Problematik verstärken.

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Selbstmedikation, etwa mit Alkohol, kann die Problematik verstärken.

Psychologin Brigitte Lueger-Schuster

Wichtig sei, sich nun in den Wohnungen in Sicherheit zu fühlen, soziale Bezüge zu leben, soziale Ressourcen zu nutzen, Ruhe zu erleben und „Dinge tun, die einem guttun“, so die Wissenschaftlerin. „Wir wissen auch, dass seitens der Sicherheitsorgane alles getan wird, um diese Situation aufzuklären.“

Gutes psychosoziales Auffangnetz
Die psychologische Forschung wisse von fünf Elementen, die in solch einer Situation positive Wirkung zeigen: Dazu zählt das Gefühl der Sicherheit, das Gefühl der Verbundenheit, das Gefühl von Ruhe und Hoffnung und ein Gefühl dafür, dass man sich selbst schützen kann, und sich als effektiv im Umgang mit sich selbst zu erleben. Dazu komme, dass es in Wien ein sehr gutes psychosoziales Auffangnetz gebe, wie Lueger-Schuster betonte: „Die Akutbetreuung der Stadt Wien ist schon an der Versorgung der betroffenen Menschen dran. Wir haben eine gute Versorgung, die es zu nützen gilt.“

Menschen in psychischen Krisen können sich bei der psychiatrischen Soforthilfe rund um die Uhr unter (01) 31 330 melden.

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