Deutsche Mediziner:

Lockdown verhindert Zuspitzung der Lage nicht

Ausland
29.10.2020 11:04

Trotz des ab kommender Woche geltenden Lockdowns befürchten deutsche Intensivmediziner, dass sich die Lage auf den Intensivstationen dramatisch zuspitzen wird. „Es ist jetzt schon nachweislich schlimmer als im Frühjahr“, sagt Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). „In 14 Tagen haben wir die schweren Krankheitsfälle und unsere großen Zentren kommen unter Maximalbelastung.“

Hauptproblem sei das Personal, das sich durch die stark steigenden Infektionszahlen deutlich häufiger anstecke als im März oder April. „Wir haben mehr Betten und mehr Beatmungsgeräte als zu Beginn der Pandemie. Aber wir haben nicht eine müde Maus mehr beim Personal“, sagt Janssens. Von den Infizierten müssten etwa fünf Prozent im Krankenhaus behandelt werden, zwei Prozent auf der Intensivstation, ergänzt Stefan Kluge, Leiter der Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Über-70-Jährige hätten ein Todesrisiko von mehr als 50 Prozent. Ein Blick auf die derzeit nur langsam steigende Zahl der Todesopfer tauge nicht zur Einschätzung der aktuellen Lage. „Wir müssen auf die Zahl der Intensivpatienten schauen. Dann wissen wir, wohin die Reise geht“, sagt Kluge.

„Lockdown bringt nicht das Ende der Pandemie“
Der Quasi-Lockdown in Deutschland wird jedenfalls nicht das Ende der Pandemie bringen, aber die Zeit der Corona-Einschränkungen im November sollte nach Ansicht des Epidemiologen Hajo Zeeb genutzt werden, um neue Konzepte zum Umgang zu erarbeiten. „Wir sind noch früh im Herbst“, sagt der Professor am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen.

Das tags zuvor von Bund und Ländern vereinbarte Maßnahmenbündel sei insgesamt ausgewogen. „Wir werden wahrscheinlich sehen, dass die Wirksamkeit im Paket liegt“, sagt Zeeb. „Das Leben soll nicht völlig zum Erliegen gebracht werden.“ Schulen und Kindergärten offen zu lassen halte er für vernünftig. Sie seien nach bisherigen Erkenntnissen keine Treiber von Infektionen. Trotzdem müsse man den Bereich im Blick behalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Menschen in Deutschland zur Einheit und zum Verzicht auf persönliche Kontakte im Kampf gegen das Coronavirus aufgerufen. In einer Regierungserklärung bezeichnete sie zugleich die von Bund und Ländern für den Monat November getroffenen Einscheidungen wie die Schließung von Gastronomie und Freizeiteinrichtungen als „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“. Sie könne die Frustration, „ja Verzweiflung“ der Betroffenen verstehen, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag. Aber oberstes Ziel sei nun, die Kontakte der Menschen um mindestens 75 Prozent zu reduzieren, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dies sei nötig, weil die Lage sonst außer Kontrolle geraten könne. Zu warten, bis alle Intensivbetten belegt seien, sei falsch und gefährlich.

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