Waltraud Klasnic

„Ans Grubenunglück in Lassing denke ich jeden Tag“

Steiermark
25.10.2020 13:00

Am Dienstag begeht Waltraud Klasnic, die ehemalige Landeshauptfrau der Steiermark, ihren 75. Geburtstag. Ein „Krone“-Gespräch über ihre Amtszeit, die Tragödie von Lassing, prägende Begegnungen und Zukunftspläne.

„Krone“: Aus einfachsten Verhältnissen als erste Frau ins höchste Landesamt: Wie beurteilen Sie rückblickend Ihren außergewöhnlichen Karriereweg?
Waltraud Klasnic: Es ist etwas, das ich nicht geplant oder angestrebt habe. Das war harte Arbeit, das war Glück, das waren Begegnungen mit den richtigen Menschen, das war die Fügung, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen zu sein. Und es war auch das große Glück, in der Steiermark aufgewachsen zu sein. Rückblickend ist das alles kaum zu glauben - aber es war die Erfüllung meines Lebens.

War es zuallererst nicht harte Arbeit, sich als Frau durchzusetzen in einer Zeit, als noch starke Männer den Ton in der Politik angaben?
Ich habe bis heute in keinem Teil meines Lebens je Arbeit als Belastung empfunden. Das, was ich mache, macht mir Freude. Ich habe heute noch viele Aufgaben, die mich ausfüllen, und wenn ich abends um 18 Uhr fertig bin, dann wundere ich mich.

Erinnern Sie sich noch an den Moment im Jahr 1995, als Josef Krainer Sie fragte, ob Sie ihm als Landeshauptmann nachfolgen möchten?
Damals hatte ich natürlich viele Gedanken im Kopf, aber wenn man Verantwortung in der Politik hat, muss man entscheiden können. Und zwar ganz schnell. Ja oder Nein. Herumlavieren ist nicht meine Sache. Hätte ich damals abgelehnt, hätte 20 Jahre lang keine Frau mehr so eine Chance bekommen. Man hätte dann gesagt, Frauen können nicht, Frauen wollen nicht.

Was war für Sie als steirische Landeshauptfrau das prägendste Ereignis?
Das Grubenunglück in Lassing war der menschlich-soziale Teil meines Lebens. Darüber hinaus war es mir besonders wichtig, alles dafür zu tun, dass wir in der Steiermark Arbeitsplätze haben, dass die Betriebe gesichert sind, sich Wirtschaft und Technologie weiterentwickeln. Als ich 1988 Wirtschaftslandesrätin wurde, war die Steiermark im Bundesländer-Ranking noch ganz hinten, am Ende meiner Amtszeit waren wir auf Platz eins.

Apropos Lassing: Man merkt, dieses Thema berührt Sie nach wie vor. Wie einschneidend war dieser Juli des Jahres 1998 für Sie?
Das war für mich die bewegendste lange Zeit meines Lebens, weil es ja Wochen gedauert hat und nicht in einer Nacht beendet war. Dieses Ereignis begegnet mir bis heute immer wieder. Ja, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke.

Beim Grubenunglück zeigten Sie der Steiermark, ja ganz Österreich und darüber hinaus, das menschliche Antlitz der Politik. Die Menschen haben Sie - im Gegensatz zu den meisten anderen Politikern, denen Abgehobenheit und Bürgerferne attestiert wird - als authentisch wahrgenommen. Man hat Ihnen geglaubt, was Sie sagten. Was haben Sie anders gemacht?
Es stellt sich die große Frage, ob ich je ganz Politikerin war. Vor allem habe ich immer das Gefühl gehabt, ich bin als ganzer Mensch fürs Land und seine Menschen verantwortlich.

Diese Verantwortung zeigt sich auch in Ihrer „Karriere nach der Karriere“, in Ihrem Engagement als Opferschutzanwältin oder im Hospizbereich. Wie stecken Sie das Leid, mit dem Sie da konfrontiert sind, weg?
Kraft spenden mir die Antworten der Betroffenen, wenn man mit ihnen spricht. Wenn man spürt, dass es dem anderen nach einem Gespräch besser geht. Und um Peter Rosegger abzuwandeln: Das Zuhören, das wir schenken, strahlt ins eigene Herz zurück.

Kennen Sie auch Momente der psychischen und physischen Erschöpfung? Was ist dann Ihre Motivation weiterzumachen?
Es ist noch nicht alles erledigt, ich habe noch viel zu tun. Beispielsweise werden wir im Hospiz eine Regelfinanzierung brauchen, ich wünsche mir, dass im Opferschutz vieles an Prävention geschieht und das, was war, nie mehr geschieht. Ganz wird man es aber leider nicht abstellen können.

Eine der größten Errungenschaften Ihrer Amtszeit war die Einführung der Babyklappe. Wie groß war damals der Widerstand?
Damals hatten wir in der Steiermark eine Katastrophenserie mit einigen Babymorden binnen drei Wochen. Daraufhin bin ich zum damaligen Vizekanzler Wolfgang Schüssel gefahren und habe mit ihm Gespräche geführt. Zunächst war er skeptisch, doch dann war es eines der ersten Gesetze seiner Regierung. Mein Wissensstand ist, dass jetzt über 1000 Kinder leben. Und wenn ich jetzt noch die angesprochene Regelfinanzierung am Ende des Lebens, mit Ausbildung und Struktur, schaffe, dann hat sich das Leben sowohl in der Politik als auch in der Zeit danach gelohnt.

Ist für Sie die Tagespolitik noch Thema?
Politik interessiert mich, aber ich äußere mich nicht dazu. Selbstverständlich bewegt mich die aktuelle Corona-Situation, und ich würde mir wünschen, dass die gemeinsame Verantwortung den Menschen gegenüber stärker wahrgenommen wird. Pandemie ist keine politische Angelegenheit, sondern eine Krankheit. Ich bin überzeugt, dass die Bundesregierung ihr Bestes tut.

Wie werden Sie Ihren 75. Geburtstag begehen?
Ganz einfach. In der Früh bin ich in Salzburg, am späteren Nachmittag dann in Graz bei meiner Familie.

Geht eine Waltraud Klasnic eigentlich nie in Pension?
Ich habe Rufbereitschaft!

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