Flüchtlinge an Bord

„Blinde Passagiere“ in Lkw kosten saftige Strafe

Tirol
25.10.2020 11:00

Ein Video mit Flüchtlingen, die auf einem Autobahnparkplatz in Frankreich von einem Lkw der Wörgler Firma Berger klettern, kursierte kürzlich in den sozialen Netzwerken. In der Branche spricht man von immer raffinierteren Methoden mit aufgeschlitzten und wieder zugeklebten Planen und unauffällig geknackten Schlössern. Die Wirtschaftskammer Tirol will nun warnen.

Erfahrung mit „blinden Passagieren“ haben auch Siegfried Stark und seine Crew. Die Silzer Firma fährt mit 22 Lkw für die Formel-1-Teams Alfa Romeo (früher Sauber) und Ferrari zu den Rennen. „2018 waren wir von Spielberg nach Silverstone unterwegs und blieben 140 Kilometer vor der Fähre in Calais stehen. Wir kontrollierten das Schloss beim Auflieger und es war intakt. In Wirklichkeit muss es vorher aufgebrochen und wieder zugedrückt worden sein“, schildert Stark.

Böse Überraschung in Calais
Das böse Erwachen kam im Hafengelände im französischen Calais, wo plötzlich sechs Flüchtlinge vom Lkw sprangen. „Es gab einen gewaltigen Wirbel. Offenbar nimmt die Polizei in so einem Fall eine gezielte Schlepperaktion an“, erklärt Stark. Sein Lenker wurde mit 3600 Pfund (4000 Euro) bestraft, das damalige Sauber-Team sogar mit 9000 Pfund (rund 10.000 Euro). Ein Einspruch mit Unterstützung eines Rechtsanwaltes hatte nur wenig Erfolg - „die Strafe für das Team wurde um 100 Euro pro Flüchtling reduziert“, erzählt Stark.

Diesmal 14 Flüchtlinge
2019 der nächste Fall auf dieser Route: „Wir blieben auf einem Parkplatz kurz vor der Fähre stehen, wo die Polizei mit Suchhunden kontrollierte. Minuten später wurden sogar 14 Flüchtlinge auf unserem Planen-Lkw entdeckt.“ Eigenartig: Diesmal blieben Strafen aus - „nicht einmal unsere Daten wurden registriert“, erinnert sich Stark.

Leitfaden vorbereitet
Seitens der Sparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer ist man dabei, einen Leitfaden für Fahrer auszuarbeiten (Planen, Schlösser und Außenstaufächer kontrollieren, keinesfalls Fremde mitnehmen usw.). „Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, die Personen krabbeln ja sogar auf die Achsen. Ein Lenker kann seinen Lkw nicht 24 Stunden am Tag im Auge behalten“, sagt die Tiroler Branchenobfrau Rebecca Kirchbaumer.

Appell an Minister
Sie und ihre Kollegen wollen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auffordern, grenzüberschreitend für ein einheitliches Vorgehen der Polizei zu werben, das unschuldige Firmen und Fahrer aus dem Schussfeld nimmt. „Derzeit geht jedes Land anders damit um. Teils wird bei einem Aufgriff sogar die Ladung beschlagnahmt oder der Fahrer 48 Stunden festgehalten“, weiß Kirchbaumer. Vorübergehender Trost: Stark sieht das Phänomen durch die Corona-Krise etwas entschärft. „In diesem Jahr waren wir auf dem Weg nach Calais auf einer Tankstelle, es war fast gespenstisch ruhig.“

Andreas Moser, Kronen Zeitung

 Tiroler Krone
Tiroler Krone
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Tirol



Kostenlose Spiele