Kritik an Regierung

Martin Grubinger: Was von der Hilfe am Ende blieb

Salzburg
10.10.2020 22:59

„Krone“-Schlagwerker Martin Grubinger rechnet in seiner heutigen Kolumne mit der türkis-grünen Bundesregierung ab. „Die Machtversessenheit der aktuell Handelnden lässt jeden Anstand vermissen!“, schreibt Grubinger. Die Zustände im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos seien noch immer „absolut unzumutbar“. 

„Wenn wir es nicht einmal schaffen können, Menschen menschenwürdig in Griechenland unterzubringen, wie sollen wir gegen das Leid auf der Welt ankämpfen? Helfen wir vor Ort in Griechenland für bessere Zustände.“

Am 14. September erklärte uns Sebastian Kurz in der ZIB2, dass er nun handeln werde. Wir alle hatten in den Tagen davor die Bilder der am Boden in Schlamm und Dreck liegenden Kinder im griechischen Moria gesehen. Die Beruhigungsphrase der Regierung lautete, dass man schnell vor Ort helfen werde. Denn wer schnell helfe, helfe doppelt.

Mit Stand Freitag 9. Oktober wissen wir, dass kein einziges Zelt, keine einzige Decke, kein einziges Medikament aus der österreichischen Hilfslieferung bei den Betroffenen angekommen ist. Anderen Menschen zu helfen, ohne Hintergedanken, ohne Kalkül, ohne davor die Meinungsforschung zu bemühen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein! Wie wir uns alle in dieser Sache wiederum von den kalten Machttaktiken hinters Licht haben führen lassen, ist bezeichnend. Zuerst war da unsere Betroffenheit. Das ist für Menschen, die denken, fühlen, empfinden, spüren, beim Leid anderer nicht wegsehen können und dabei auch Wut empfinden, eine völlig normale, menschliche Reaktion. Wie schön zu sehen, dass viele Bürger in unserem Land, die politisch ganz unterschiedliche Vorstellungen haben, sich in dieser Sache engagieren wollen.

Auch die Regierung Kurz muss diese Empörung bis tief hinein in die Gruppe der eigenen Sympathisanten gespürt haben. Dann kam die Ankündigung, dass man helfen werde. 55 Tonnen Hilfsgüter würde man nun nach Griechenland fliegen. Innenminister Karl Nehammer werde das Material in Griechenland persönlich übergeben. Was folgte, war eine Show. Man konnte die Bilder in allen österreichischen Zeitungen sehen: Der Herr Innenminister spaziert entschlossen aus dem Laderaum der russischen Antonow-Transportmaschine. So als ob er selbst die Hilfsgüter zustellen und austeilen würde. Die Positionierung der Kamera, die österreichische Flagge, der hemdsärmelige Innenminister: Alles perfekt in Szene gesetzt. Die Botschaft für die Wählerschaft daheim war damit jedenfalls gesetzt. Um mehr wollte oder konnte man sich nicht kümmern.

Zur Erinnerung: Es sollte um Hilfe vor Ort gehen. Das war vielleicht der Wunsch oder das Ziel der österreichischen Bevölkerung, nicht aber der türkisen Machtstrategen. Die wollten Bilder - und die bekamen sie. Am Ende gibt es in dieser Sache (fast) nur Verlierer. Zuerst jene Menschen, die nach wie vor in absolut unzumutbaren Zuständen dort leben müssen. Natürlich auch der österreichische Steuerzahler, der 55 Tonnen nicht in den Flüchtlingslagern angekommener Hilfsgüter finanzieren musste. Eine Verschwendung von Geld und Ressourcen. Eine weitere Verliererin ist unsere Glaubwürdigkeit in Europa. Die überschaubare Kooperationsbereitschaft unserer deutschen Nachbarn bei den Reisewarnungen und den in Bedrängnis geratenen Tourismusunternehmen hat auch mit derartigen Ego-Trips zu tun. Solidarität und Loyalität waren in Europa noch nie politische Einbahnstraßen.

Am Ende sind auch die Grünen Verlierer. Vor drei Wochen habe ich in dieser Kolumne die Grünen heftig kritisiert. Ich schrieb über Machtgeilheit. Daraufhin erhielt ich einige wütende Anrufe grüner Mandatsträger. Eine Unverschämtheit sei das gewesen.

Nun, in Anbetracht der Vorkommnisse um das grüne Versagen in dieser Sache, stehe ich zu jedem geschriebenen Wort. Die Ereignisse dieser vermeintlichen „Hilfslieferung“ nach Moria bestätigen mich in dieser Haltung.

Zum Schluss ein Zitat aus einer Kolumne des Psychotherapeuten Reinhard Haller, der in den „Vorarlberger Nachrichten“ über die Kontrollwut türkiser Strategen meinte: „Argumente kann man kontrollieren, nicht aber Emotionen“.

Auf seine Analyse berufe ich meinen großen Zorn. Die Machtversessenheit der aktuell Handelnden lässt jeden Anstand vermissen!

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