Dritter Anlauf

Mordprozess um erstochenen Grazer neu aufgerollt

Österreich
11.10.2010 15:45
Schon zum zweiten Mal ist am Montag im Grazer Straflandesgericht der Prozess um einen grausamen Mord aus dem Jahr 2003 neu aufgerollt worden. Damals wurde ein Pensionist erstochen - und ein Türke im Jahr 2004 dafür verurteilt. Dieser beschuldigte aber Jahre später plötzlich einen Lehrer der Bluttat und beging kurz darauf Selbstmord. Der Pädagoge wurde heuer im Mai von Geschworenen auch für schuldig befunden, die Richterin nahm die Entscheidung aber nicht an.

Das Publikumsinteresse hielt sich bei der Neuauflage des Verfahrens am Montag in Grenzen. Staatsanwältin und Verteidiger präsentierten, wie schon bei der Verhandlung im Mai, zwei völlig verschiedene Versionen. Schließlich gibt es keine Tatzeugen.

Lehrer soll Mord befohlen haben
Anklägerin Barbara Schwarz vertritt nach wie vor die Ansicht, der Lehrer habe den Türken zur Tat angestiftet. Der junge Mann wollte am Tag des Mordes bei dem späteren Opfer übernachten, dann soll der Pädagoge dazugekommen sein. Der Pensionist hatte angeblich die Zeugen Jehovas beleidigt. Das war für den "religiösen Fanatiker", so die Staatsanwältin, zu viel: "Töte den Teufel!" soll er dem Türken befohlen haben. Dieser ergriff nach ihrer Version mehrere Messer und fügte dem 58-jährigen Mann rund 80 Stiche zu.

Anschließend wurde der Leiche der Daumen abgetrennt und in den Mund gesteckt. "Der Daumen ist ein Zeichen für den Teufel, das passt zur Beleidigung", war die Anklägerin überzeugt. Dass der Tote auch noch mit einer Türschnalle geschändet wurde, sollte eine falsche Spur zu einer sexuell motivierten Tat legen, so Schwarz.

Besuche im Gefängnis und finanzielle Unterstützung
Dass der Türke die Schuld auf sich genommen hat, habe ebenfalls der Lehrer veranlasst. Er soll dem jungen Mann Unterstützung und vor allem finanzielle Zuwendung zugesichert haben. Tatsächlich besuchte der Lehrer den Türken drei Mal in der Woche im Gefängnis und überwies ihm insgesamt rund 55.000 Euro. "Er hat auch andere Menschen unterstützt, aber nicht annähernd mit solchen Summen", so die Staatsanwältin.

Verteidiger Gerald Ruhri hielt dagegen, dass es sich bei Daumen und Türschnalle keineswegs um falsche Spuren handle. Zum Motiv des Türken für eine falsche Beschuldigung meinte er: "Er hatte 20 Jahre Karlau vor sich, das ist Motiv genug. Ich kenne einige, die würden alles tun, nur um einen Tag früher herauszukommen", so der Anwalt. Das Geld sei das einzige, was seinen Mandanten belaste: "Mehr Beweise werden sie nicht finden, es gibt nichts."

DNA-Analyse entlastet Lehrer
Nachdem der Pensionist getötet worden war, verwüstete der Täter die Wohnung. Wasser und Öl wurde verschüttet, Schubladen herausgerissen und der Inhalt verstreut. "Wir sind knöcheltief in Wasser und Öl gewatet", schilderte Staatsanwältin Barbara Schwarz ihren Besuch mit der Gerichtskommission am Tatort. Auf zwei der Messer fanden sich Fingerabdrücke des Türken, aber in der ganzen Wohnung gab es keinerlei DNA-Spuren des Lehrers.

Dieser bekannte sich erwartungsgemäß auch diesmal nicht schuldig. Er erklärte, er habe mehrere Türken über die Zeugen Jehovas betreut und sich mehrmals mit ihm getroffen, um mit ihm die Bibel zu studieren. "Es war eine Beziehung wie großer Bruder und kleiner Bruder", schilderte er den speziellen Fall. "Er war auf der einen Seite ein Schlitzohr, auf der anderen Seite einsichtig", schilderte der Lehrer. Die Besuche im Gefängnis sowie die Geldüberweisungen seien nur aus "Mitleid" geschehen.

Richter Erik Nauta verlas ausführlich aus den Protokollen der ersten beiden Verhandlungen, darunter auch das Geständnis des Türken. Trotzdem hatte dieser Jahre später seine Aussage widerrufen und eine Wiederaufnahme des Verfahrens angestrebt. Bevor er allerdings dazu kam, hatte der Verurteilte Ende 2009 Selbstmord begangen.

Der Prozess wird Dienstag früh fortgesetzt.
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